Wann ist die Verkehrssicherungspflicht verletzt? – Haftet das Modegeschäft auch, wenn das Kind den Klamottenständer selbst umwirft?
Das Oberlandesgericht Hamm hat am 07.05.2014 diese Frage mit einem klaren JA beantwortet. Die Entscheidung 6 U 186/13 wird von Dr. Thomas Schulte und Team, Rechtsanwalt in Berlin wie folgt eingeordnet:
Dr. Schulte: „das OLG Hamm meint, dass ein Modegeschäft die Verkehrssicherungspflicht verletzt, wenn es seine Auslagen auf einem Warenständer präsentiert, der von einem vierjährigen Kleinkind mit geringem Kraftaufwand gekippt werden kann und der dann die Gefahr erheblicher Verletzungen begründet.“ (zitiert nach dem Infodienst für Juristen juris.de)
Auge fast ausgestochen beim Einkaufsbummel! Was war passiert?
Die Eltern schlenderten im Sommer 2012 beim Einkaufsbummel mit der vierjährigen Tochter in ein großes Modegeschäft. Gucken, kaufen, sehen und gesehen werden. Das Kleinkind zog dann mit Kraft an einem Gürtel, der an einem üblichen Gürtelständer (ca. 1.60 groß, fahrbar) aufgehängt war.
Leider viel der Ständer um und das arme Mädchen hatte eine fiese Augenverletzung, weil der spitze Aufhänger direkt im Auge landete. Eigentlich sollte das Mädchen ja in der Spielecke spielen. Keine hatte richtig aufgepasst. Operationen und vielleicht sogar ein Spätschaden! Schlimme Folgen.
Verkehrssicherungspflicht – Rechtliche Gründe und Entscheidung des Oberlandesgerichts
Die Eltern klagten gegen das Modehaus mit dem Argument, dass einen solch leicht umzuwerfender Klamottenständer brandgefährlich sei und die Firma haften würde. Das Gegenargument lautete: warum passen die Eltern nicht selber auf und warum muss ein Kind auch unbedingt einen Klamottenständer umwerfen?
Das Landgericht Münster verurteilte das Modehaus; das OLG Hamm hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
Begründung Oberlandesgericht Hamm –
Zitat nach Juris: „Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat das beklagte Modegeschäft seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Es habe Gürtel auf einem Warenständer angeboten, der bei einer geringen Zugbelastung von nur 800 Gramm, die auch ein Kleinkind ausüben könne, zum Umstürzen gebracht werden konnte. Das habe der gerichtliche Sachverständige festgestellt. Aufgrund der Beschaffenheit des Ständers mit den als Haltevorrichtung für die Gürtel dienenden Zinken habe die Gefahr erheblicher Verletzungen bestanden, wenn der Ständer umfalle.“
Dr. Thomas Schulte und Team: „Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dass zwar die Kinder in dem Alter beaufsichtigt werden müssen. Im Ergebnis aber festgestellt: Niemand muss damit rechnen, dass ein Klamottenständer leicht umgeworfen werden kann. Die Spielecke würde doch Eltern mit Kindern anziehen.“
Die Mitschuld der Eltern wurde abgelehnt; das Urteil ist rechtskräftig. Zum Weiterlesen für das Stichwort „Verkehrssicherungspflicht“ https://www.dr-schulte.de/rechtsgebiet/strafrecht/pistolen-im-theater