Waren können noch nach Jahren zurückgegeben werden. Warum?
Ein neues Urteil des Landgerichts Koblenz Urteil vom 20.12.2006 (Aktenzeichen: 12 S 128/06) versetzt deutsche Chefetagen in Aufruhr und könnte ungeahnte Folgen haben. Hintergrund ist eine unwirksame Widerrufsbelehrung in den Vertragsbedingungen der Bertelsmann AG Tochter „inmediaOne“, die für den Direktvertrieb von Bertelsmann Produkten durch Vertreter „an der Haustür“ oder am Arbeitsplatz (z.B. ein Zeitschriften-Abo oder eine Warenbestellung) zuständig ist.
Alle Kunden, die seit dem 1. Januar 2002 unbestellten Vertreterbesuch dieses oder eines anderen Unternehmens, welches die gleiche fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet hat, empfingen und etwas gekauft haben können den Kaufvertrag jetzt noch ohne Angabe von Gründen widerrufen und die Ware zurückgeben und den Kaufpreis zurückerhalten. In welchem Zustand sich die Kaufsache inzwischen befindet, spielt grundsätzlich keine Rolle.
Nach der gesetzlichen Regelung im BGB können Waren, die man bei einem Vertreterbesuch gekauft hat, nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen durch Widerruf des Kaufvertrages zurückgegeben werden. Die Frist beginnt aber erst zu laufen, wenn der Kunde ordnungsgemäß, das heißt entsprechend der gesetzlichen Regelung im BGB über diese Möglichkeit informiert worden ist. Dies war bei Bertelsmann nicht der Fall. Hier wurde zwar sogar der Mustertext der Bundesregierung verwendet, ausgerechnet dieser entspricht jedoch nicht den gesetzlichen Vorgaben zum Verbraucherschutz und ist, wie das oben genannte Urteil bestätigte, unwirksam.
In den Kaufverträgen von Bertelsmann fehlte bei den Belehrungen der nach § 312 Absatz 2 BGB notwendige Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs. Zwar gibt es eine Ausnahmevorschrift (Anlage 2 zu §14 BGB-InfoV) nach der es unter bestimmten Umständen möglich ist, auf diesen Hinweis zu verzichten, nämlich wenn die Übergabe der Kaufsache und die Bezahlung erst nach Ende der zweiwöchigen Widerrufsfrist erfolgen, jedoch entspricht diese eben auch nicht dem zwingenden, weil höherrangigen § 312 Absatz 2 BGB.
Der genaue fehlerhafte Wortlaut der Widerrufsbelehrung lautete:
„Der Käufer kann die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an: inmediaONE GmbH, Carl-Bertelsmann-Str. 105 – 109, Postfach 600, 33311 Gütersloh.“
Die Folge ist, dass die Widerrufsfrist überhaupt nicht begonnen hat zu laufen und insoweit die Kaufsache noch immer zurückgegeben werden kann. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich bei dem Vertrag um ein so genanntes „Haustürgeschäft“ handelt, es nach dem 1.1. 2002 getätigt worden ist und in dem geschlossenen Vertrag eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthalten ist.
Verbraucher, die sich vom Vertreter überrumpelt gefühlt haben und den Kauf noch immer bereuen, haben somit noch eine Chance, sich auch noch nach nunmehr fünf Jahren unbeschadet vom Vertrag zu lösen.
Das Urteil ist ein Armutszeugnis für das Bundesjustizministerium und die hochbezahlten Konzernjuristen von Bertelsmann, die ohne Prüfung einer leicht verständlichen Regelung des BGB die fehlerhafte Vorgabe der Bundesregierung übernommen haben. Es ist deshalb höchstwahrscheinlich, dass auch andere, große Vertriebsfirmen diesen Fehler begangen haben und sich nun ebenfalls dem Widerruf einer großen Anzahl von Verträgen gegenübersehen und Millionenverluste befürchten müssen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen worden ist. Sollte, wie angesichts der eindeutigen Rechtslage zu erwarten ist, der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigen, können die Kunden frohlocken. Denn es profitiert der Verbraucher, der sich noch nach Jahren von ungeliebten Dingen trennen kann. Es wird insoweit angeraten, schon jetzt seine Verträge entsprechend zu überprüfen.