Der Gesetzgeber schweigt und erträgt – Richter kümmern sich um Kleinigkeiten – ein Beitrag von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Der Skandal über das Sicherheitsprogramm www.mywot.com spricht Bände. Ein weltweit agierendes Unternehmen, dessen Eigentümerstruktur und Verantwortlichkeiten im Dunkeln bleiben, bietet ein Sicherheitssystem für Internetnutzer an. Diese Dienstleistung soll den Internetnutzer schützen und bietet ein Ampelsystem: je nachdem wie sicher eine genutzte Internetseite ist, wird durch eine Ampel angezeigt. Das versteht jeder: Grün ist gut. Nun stellt sich heraus, dass gerade diese Servicedienstleistung als trojanisches Pferd dient. Die Daten der Nutzer, die auf das Sicherheitstool gesetzt haben, werden ausgespäht und dann Datenhändlern angeboten. Daten, die dann an Kriminelle gelangen können und große Schäden anrichten können. Journalisten haben einen Test Kauf bei einem Datenhändler getätigt und z.B. die sexuellen Vorlieben eines Richters ausgespäht oder Onlinedaten für Banken etc.
Industrielle Revolution – Maschinen kommunizieren!
Das Internet spielt aber nicht für Personen eine Rolle sondern auch Maschinen kommunizieren untereinander. Die neue industrielle Revolution, genannt industrielle Revolution 4.0 bringt Bedenken. Eine Maschine, die z.B. über das Internet Statusmeldungen abgibt wie ein sprichwörtlicher Kühlschrank, der selbstständig Milch bestellt. Sicherheitsbedenken keine, staatlicher Regelungsbedarf, keinen? Vor kurzem ist es Störern gelungen nur ein Zeichen zu setzen und das ganze System zum Einsturz zu bringen. Leider war es nicht möglich die Saboteure zu finden und Maßnahmen zum Schutz vor solchen Sabotageakten in der Zukunft zu schaffen.
Bericht zur Lebensqualität in Deutschland: Hasskriminalität – Löschung von Hasskommentaren?
Die Politik versucht sich zurzeit mit warmen Worten und Liebe auf die Internetbetreiber zuzugehen. Da es zumeist um Unternehmen (amerikanische Weltkonzerne) geht, die nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen. Der Justizminister Heiko Maas geht von den Fakten und der bisherigen Rechtslage aus:
Bei der Verantwortung für Hasskommentare wird ein Hostprovider wie Facebook durch das europaweit harmonisierte Telemedienrecht privilegiert. Er muss für die Inhalte, die seine Nutzer posten, zivil- und strafrechtlich grundsätzlich nicht gerade stehen. Das gilt aber nur dann, wenn er rechtswidrige Postings unverzüglich löscht, sobald er von deren rechtswidrigem Inhalt erfährt. Leider reagiert Facebook bei Hassbotschaften bisher viel zu langsam und lehnt die Löschung gemeldeter Postings häufig ab. Wenn das so bleibt, riskiert Facebook sein Haftungsprivileg und nimmt in Kauf, dass dann seine Mitarbeiter für Rechtsverstöße zur Rechenschaft gezogen werden können, so Heiko Maas. Man setzt aber zurzeit auf Freiwilligkeit und Konsens. In dem am 26.10.2016 vom Kabinett verabschiedeten „Bericht zur Lebensqualität in Deutschland“ äußert sich die Regierung besorgt, nachdem die Fälle von Hasskriminalität im Internet 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 176% auf 3084 Hasspostings gestiegen waren.
Das Thema treibt derzeit auch viele Politiker um, ohne dass etwas passiert. Im September 2015 hatte sich eine Task Force mit den Internet- Unternehmen darauf geeinigt, dass gemeldete und strafbare Beiträge innerhalb von 24 Stunden entfernt werden sollen. Das funktioniert aber freiwillig und ist im Grunde eine „Kindergarten“ Regel. „Der böse Martin darf der Jessika nicht mit der Plastikschaufel auf den Kopf hauen. Ansonsten kommt die Kindergartentante und schimpft mit dem bösen Martin.“
Unions-Fraktionschef Volker Kauder brachte deshalb das Thema Bußgelder für Internetfirmen in die Diskussion. Dem „Spiegel“ sagte der CDU-Politiker, denkbar seien Strafen von bis zu 50.000 Euro, falls rechtswidrige Inhalte nicht innerhalb einer Woche gelöscht würden. Auch Schadenersatzzahlungen der sozialen Netzwerke an die Opfer von Hetze sind im Gespräch. Diese Pflichten sind zu diskutieren und zu fragen, welche Verantwortlichkeiten die technischen Dienstleister treffen. Hier gilt: Eigenschutz betreiben und prüfen.
Es gibt also weder eine Strategie für das Internet oder noch neue Gesetze, sondern ein rechtlicher Leerraum. Juristische Fragen, die konkret Gerichten vorgetragen werden, müssen daher anhand von bisherigen Gesetzen gelöst werden.
Urteil zur Veröffentlichung von falschen Daten im Internet.
Klassischer Fall ist es, wenn eine bekannte Person eine Tatsachenbehauptung über eine andere im Internet z.B. bei Facebook veröffentlicht.
Amtsgericht München (AG München): Öffentliche Behauptung angeblicher Vaterschaft verletzt Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
Eine Mutter verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Mannes, wenn sie öffentlich behauptet, dass er der Vater ihres Kindes ist, ohne dass die Vaterschaft bewiesen ist. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts München hervor. Denn die Behauptung über die Vaterschaft sei eine Tatsachenbehauptung, die auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen sei. Dafür habe die Frau die Beweislast zu tragen (Urteil vom 12.04.2016, Az.: 161 C 31397/15, rechtskräftig). Das Urteil ist ein Klassiker.
Hier wird das Presserecht einfach auf das Internet übertragen. Die Mutter hatte immer wieder in sozialen Medien behauptet, dass ihre 2012 geborene Tochter leibliches Kind des Klägers war. Das Gericht entschied: diese Behauptung muss die Mutter beweisen und der Kläger muss nicht hinnehmen. Das Gericht in München entschied, die beklagte Mutter dürfe nicht mehr die Behauptung aufstellen, dass der Kläger der Vater ihrer Tochter sei.
Die Binsenweisheit ist: nur der Vater darf auch als Vater genannt werden.
Die Beklagte musste die Behauptung widerrufen und die Bilder löschen. Im Grunde ein einfacher Fall: es gilt folgendes Prüfungsschema:
1. Übertragungsgrundsatz
Die Infrastruktur des Internets liegt in privaten Händen, eine staatliche Eingriffsverwaltung sowie auf den Meinungsaustausch im Internet ausgelegte Rechtsregelungen existieren in Deutschland nicht. Dies bedeutet jedoch keine grenzenlose Freiheit, die auf der Kehrseite mit einer entgrenzten Schutzlosigkeit der Opfer verbunden wäre, sondern es gilt der sogenannte Übertragungsgrundsatz, d.h. die Rechtsregelungen der realen Welt sind grundsätzlich zu übertragen, wenngleich die Besonderheiten des Internets einzubeziehen sind.
Prüfungsgrundsatz: Wie wird die Rechtsfrage offline beantwortet?
Hier ist grundsätzlich ein Parallelfall zu bilden, etwa, wie die entsprechende Rechtsaussage in einem Meinungsforum zu bewerten wäre, wenn sie in einer Zeitung oder im Fernsehen im Rahmen einer Diskussion geäußert worden wäre.
Die Juristen weisen darauf hin, dass insbesondere bei ehrverletzenden Äußerungen im Internet grundsätzlich – wie sonst auch – die Meinungsfreiheit des Einzelnen gegen die geschützten Rechte Dritter (insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die eigene Ehre sowie das Recht am eigenen Bild [Foto] etc. beinhaltet) abzuwägen ist. Die hier in der realen Welt festgelegten Grenzen der freien Rede gelten auch im Internet:
So unterfallen falsche, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen (z.B. Sabine klaut immer Geld aus der Börse ihres Vaters) dem Straftatbestand der üblen Nachrede (§ 186 des Strafgesetzbuchs) und sollten daher unterbleiben. Dies gilt generell für ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, da hier derjenige, der die Äußerung trifft, die materielle Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsache trägt und somit das volle (Verurteilungsrisiko) trägt, wenn der Beweis der Wahrheit der Tatsachenaussage vor Gericht (aus welchem Grund auch immer) nicht erbracht werden kann.
Beleidigungs-Tatbestand
Eine weitere Grenze der freien Rede stellt der Beleidigungs-Tatbestand dar (§ 185 Strafgesetzbuch), der Angriffe auf die innere Ehre (sog. Selbstwertgefühl) oder/und die äußere Ehre (der gute Ruf) unter Strafe stellt. Zwar sind Werturteile grundsätzlich vom Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt, jedoch nur soweit sie nicht darauf gerichtet ist, die Persönlichkeit des anderen herabzusetzen, so dass nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des anderen im Mittelpunkt steht – der andere wird also bewusst „durch den Dreck gezogen“. Hierzu das Beispiel: „Sabine hat fettige Haare und stinkt“. Derartige Äußerungen sind nach dem Übertragungsgrundsatz gleichfalls im Internet strafbar. „Zivilrechtlich kann deren Unterlassung und Beseitigung verlangt werden“, so Dr. Kraatz.
2. Grundsatz des Eigenschutzes im Internet
Hierbei gilt jedoch (leider) der sogenannte Grundsatz des Eigenschutzes im Internet: Seiten wie Facebook oder Google müssen den Inhalt nicht prüfen. So gehen Gerichte wie die Diskussion in der Literatur davon aus, dass Betreiber von Meinungsforen oder Suchmaschinenbetreiber wie Google nicht ständig ihre Seiten nach rechtswidrigen Inhalten durchsuchen müssen, da dies unzumutbare Prüfpflichten bedeuten würde; vielmehr hat jeder Betroffene sich in erster Linie selbst zu schützen.
Hierzu empfiehlt es sich, den eigenen Namen in gewissen Zeitabständen selbst zu googeln und die ausgegebenen Seiten nach verletzendem Inhalt zu überprüfen. Derartige Seiten sind Forenbetreibern oder Suchmaschinenbetreibern zu melden. Denn ansonsten würde man eine umfassende Pflicht von Foren- oder Suchmaschinenbetreibern statuieren, ihre Seiten ständig zu überwachen. Dies wird grundsätzlich als zu weitgehend und unzumutbar gehalten. Ausnahmen gibt es lediglich dort, wo ein Forenbetreiber einen Thread bewusst provozierend anmoderiert oder sich fremde Aussagen zu eigen macht.
3. Grundsatz der faktischen Wiederholung
Erst wenn seitens eines Nutzers konkrete rechtswidrige Äußerungen beanstandet werden, ist der Internet-Administrator verpflichtet, diese Kommentare von der Internetseite zu nehmen. Hierhinter steckt der „Grundsatz einer faktischen Wiederholung“, wie er rechtlich für Rechtsverletzungen in Funk und Fernsehen entwickelt wurde. Dort ist inzwischen anerkannt, dass die sog. mediale Privilegierung für rechtsverletzende Meinungsäußerungen in Live-Sendungen sich nicht auf Wiederholungen erstreckt, da dem Veranstalter hier die Möglichkeit offen steht, die durch eine Wiederholung erfolgende erneute Verbreitung von ihm bekannten ehrverletzenden Äußerungen Dritter während der Sendung durch eine Zensur zu verhindern; erfolgt dies nicht, so haftet der Veranstalter. Diese gleichen Grundsätze sind auf den Betreiber einer Internetseite übertragbar. Entfernt dieser den rechtswidrigen Inhalt auf eine konkrete Beanstandung hin nicht unverzüglich, wofür teilweise nur wenige Stunden seitens der Rechtsprechung zugebilligt werden, so kann er abgemahnt oder gegen ihn mittels einstweiliger gerichtlicher Verfügung vorgegangen werden.
Das Gericht musste sich also nicht mit der Frage beschäftigen, ob Internetseitenbetreiber etc. für die Äußerung haften oder etwas veranlassen müssen, da die Beklagte bekannt war.
Dazu passt auch der Fall aus dem Strafrecht
Hier hatte ein klar zu erkennender Täter im Internet Hassparolen verbreitet. Hier spielt es dann nach dem Übertragungsgrundsatz, der auch im Strafrecht gilt, keine Rolle, ob jemand öffentlich online oder offline Straftaten begeht.
Landgericht Würzburg: Rechtsradikaler Internet-Hetzer muss ins Gefängnis
Für rechtsradikale Hass-Parolen bei Facebook ist ein Internet-Hetzer aus Unterfranken auch im Berufungsverfahren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Der Mann soll laut Urteil des Landgerichts Würzburg vom 17.10.2017 für ein Jahr und sechs Monate hinter Gitter, wie bekannt wurde Gericht berücksichtigt Vorstrafen und Zunahme von Internethetze.
Ein Amtsgericht hatte den Mann 2015 zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem er 2014 in dem sozialen Netzwerk gegen Flüchtlinge, Ausländer und Juden gehetzt und zu Gewalt und Mord aufgerufen hatte. Das Landgericht bestätigte die Haftstrafe, setzte sie aber herab. Hier rechnete das Gericht dem Mann positiv an, dass er die Nachrichten inzwischen bereut. Grund für das erneut relativ hohe Strafmaß sei aber einerseits das lange Vorstrafenregister des Angeklagten, so der Gerichtssprecher. Zum anderen habe das Gericht auch die bundesweit deutlich gestiegene Zahl und Bedeutung von Hetze im Internet berücksichtigt.
Typisch presserechtlich nach alter Schule argumentiert auch das Oberlandesgericht (OLG) Rostock und spricht einen Redakteur frei. Dessen Bericht war in einer Zeitung erschienen und zugleich im Internet zu lesen. Die Berichterstattung über einen Jäger, der ein verendetes Reh mit seinem Auto abgeschleppt hatte und deshalb als „Rabauken-Jäger“ bezeichnet worden war, bleibt für den Journalisten ohne strafrechtliche Folgen. Das Oberlandesgericht Rostock sprach den Lokalredakteur des in Neubrandenburg erscheinenden „Nordkurier“ am 09.09.2016 letztinstanzlich vom Vorwurf der Beleidigung frei.
Der Redakteur war in erster und zweiter Instanz zu Geldstrafe verurteilt worden.
Das OLG teilte mit, die Begriffswahl sei „im Rahmen der Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Jägers auf der einen und der Meinungs- und Pressefreiheit auf der anderen Seite strafrechtlich nicht zu beanstanden“. Es hob damit das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg (BeckRS 2016, 05680) auf. Die Richter dort hatten einen Spruch des Amtsgerichts Pasewalk (BeckRS 2015, 11085) bestätigt, das der Klage des Jägers stattgegeben und den Journalisten zu 1.000 Euro Geldstrafe verurteilt hatte. Der Verurteilte war dagegen vorgegangen und bekam nun Recht.
Angeklagter hatte Bezeichnung erstmals verwendet
Der „Nordkurier“-Reporter hatte im Juni 2014 über einen Jäger berichtet, der ein am Straßenrand gefundenes totes Reh etwa 100 Meter an der Anhängerkupplung über eine Bundesstraße schleifte, um es dann an einem Feldweg zu vergraben. Aufnahmen davon kursierten im Internet und hatten in den sozialen Medien Protest und Empörung ausgelöst. In dem Zeitungsbericht, in dem die Herkunft des Rehs zunächst offen blieb und auch der Jäger selbst nicht zu Wort kam, war dann erstmals der Begriff „Rabauken-Jäger“ gefallen.
OLG zweifelt an herabsetzendem Charakter des verwendeten Begriffs
„Aus Sicht des Strafsenats bestehen schon erhebliche Zweifel, ob der Begriff `Rabauken-Jäger` in seiner konkreten Verwendung einen strafrechtlich relevanten herabsetzenden Charakter hat“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Letztlich müsse sich der Jäger heftige Kritik gefallen lassen, da er objektiv gegen Grundsätze waidmännischen Verhaltens verstoßen habe. Vor Gericht hatte der Jäger sein Verhalten mit dem schlechten Zustand des Kadavers begründet.
Redakteur musste nicht auf Stellungnahme des Jägers warten
Die Richter am OLG hielten dem Redakteur zugute, dass er versucht habe, den Jäger nach den Gründen für sein Verhalten zu befragen. Dies sei aber wegen dessen urlaubsbedingter Abwesenheit nicht gelungen. Da der Fall in den sozialen Medien schon heftig diskutiert worden sei, könne man dem Autor des Beitrags nicht vorhalten, mit seinem Bericht nicht bis zur vollständigen Aufklärung der möglicherweise den Jäger entlastenden Hintergründe gewartet zu haben. „Insofern ging das berechtigte Interesse der Presse an aktueller Berichterstattung vor“, unterstrich das OLG.
Barbara Streisand Effekt:
Interessant auch für das Presserecht und Internetrecht ist folgende Entscheidung. Günther Jauch gilt Vielkläger und topp vertreten im Presserecht. Aber nicht jeder Vorstoß klappt. Hier tritt der berüchtigte Barbara Streisand Effekt ein. Die Sängerin hatte gegen Bilder im Internet geklagt, die ihre Villa zeigt: Die Bilder waren im Internet zu finden. Aber erst durch den Prozess und die breite Berichterstattung darüber weiß nun wirklich jeder, wo Frau Streisand wohnt.
Streisand-Effekt bei Günther Jauch: Wer wollte vor dem Prozess wissen, wie die Kinder von Jauch heißen? Im Grunde niemand, aber nach dem Prozess und durch die Veröffentlichung kennt jetzt jeder den Namen.
„Bundesverfassungsgericht Günther Jauchs Adoptivtöchter müssen erneute Veröffentlichung ihres Namens und Alters in Presseberichten hinnehmen. Günther Jauchs Adoptivtöchter sind mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen die Veröffentlichung ihrer Namen und ihres Alters in Medienberichten aus dem Jahr 2011 gescheitert. Dabei wurde ihnen zum Verhängnis, dass sie die Veröffentlichung der entsprechenden Informationen in mehreren zuvor erschienenen Artikeln nicht beanstandet hatten. Die erneute Veröffentlichung bereits weit verbreiteter Informationen greife aber in geringerem Maße in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ein als eine erstmalige Veröffentlichung, so das Bundesverfassungsgericht. Es nahm die Verfassungsbeschwerden auch deswegen nicht zur Entscheidung an, weil nicht erkennbar sei, inwiefern die beanstandeten Berichterstattungen das Leben der Kinder beeinträchtigen könnten (Beschluss vom 28.07.2016, Az.: 1 BvR 335/14, 1 BvR 2464/15, 1 BvR 1635/14 und 1 BvR 1621/14).“
Zahlreiche Presseveröffentlichungen anlässlich der Adoption der Kinder:
Jauch und seine Partnerin Thea hatten in den Jahren 1997 und 2000 Kinder aus einem sibirischen Waisenhaus adoptiert, worüber in der Folgezeit in zahlreichen, auch im Internet zugänglichen Presseveröffentlichungen berichtet wurde. Im Jahr 2011 erschienen in mehreren Zeitschriften Artikel über öffentliche Auftritte des Fernsehmoderators. In diesen wurde in jeweils einem Satz unter Nennung des Vornamens und des Alters erwähnt, dass die beiden Kinder die Adoptivtöchter des Fernsehmoderators und seiner Ehefrau sind. Die Kinder klagten darauf, den Presseverlagen ihre Nennung als Adoptivtöchter des Fernsehmoderators zu untersagen. Der Bundesgerichtshof wies die Klagen letztinstanzlich mit den angegriffenen Urteilen ab. Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Kinder im Wesentlichen eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG).
Persönlichkeitsrechte von Kindern grundsätzlich besonders schutzwürdig
Das BVerfG verneinte eine Verletzung der von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten informationellen Selbstbestimmung der Adoptivtöchter Günther Jauchs. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasse die Befugnis der Person, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Allerdings finde die informationelle Selbstbestimmung ihre Grenze insbesondere in der Meinungs- und Pressefreiheit. Da Kinder und Jugendliche sich erst zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln müssen, seien sie in der Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte besonders schutzbedürftig. Dabei sei das Schutzbedürfnis besonders ausgeprägt, wenn sich die Kinder prominenter Eltern weder durch eigenes Verhalten noch durch ihre Eltern der Öffentlichkeit ausgesetzt haben.
BVerfG bestätigt der Pressefreiheit Vorrang gebendes Urteil des BGH
Die Abwägungsentscheidung des BGH, in der er der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) den Vorrang gibt, sei indes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so das BVerfG weiter. Gegenstand der Berichterstattung sei ausschließlich eine Information gewesen, die bereits über mehrere Jahre breiten Empfängerkreisen bekannt gemacht worden war. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegne die Folgerung des BGH keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die erneute V Veröffentlichung der bereits zugänglichen Information in geringerem Maße in die informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführerinnen eingreift als eine erstmalige Veröffentlichung. Darüber hinaus sei nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerinnen sich als Folge der Berichterstattung speziellen Verhaltenserwartungen ausgesetzt sehen könnten oder ihnen nicht unbefangen begegnet werden wird. Da allein Vorname, Abstammung und Alter der Beschwerdeführerinnen veröffentlicht wurde, sei auch eine optische Erkennbarkeit der Kinder für die breitere Öffentlichkeit nicht gegeben.
„Hier gilt der alte Grundsatz: wer der Bildzeitung die Tür aufmacht und Bilder zulässt, muss die Fotos dann später auch ertragen…. .“