Investment fraud via finanzexp.de / Pixabay

„Lenzen und Partner“ – Lohnt der Privatdetektiv?

Die rechtswidrig erlangte Information im Zivilprozess
 
– Gibt es ein Recht auf Lüge entgegen der Wahrheitspflicht aus §138 Abs. 1 ZPO? – Wann darf ein „Lauschzeuge“ vernommen werden?
 
In zunehmenden Maße rückt in letzter Zeit ein Problem in den Vordergrund, welches sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachliteratur bislang nur wenig Aufmerksamkeit erfahren hat: Was ist zu tun, wenn eine Partei im Zivilprozess plötzlich Informationen als Sachvortrag in den Prozess einbringt, die inhaltlich zwar der Wahrheit entsprechen, aber rechtswidrig erlangt worden sind? Unter welchen Umständen dürfen diese Informationen trotzdem in den Prozess eingebracht werden?

 
Was zunächst sehr speziell und nur bedingt interessant erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung durch die ständig steigende Anzahl der in Deutschland geführten Prozesse als wachsendes Problem:
 
Viele Prozesse werden aus Beweisnot verloren, weil der der Gegner Beweismittel manipuliert oder verschwinden lässt. In immer mehr Rechtsstreitigkeiten versuchen die Parteien aufgrund des enorm wachsenden finanziellen und zeitlichen Druckes mit fragwürdigen Methoden an Informationen zu gelangen, um die eigene Beweislage zu verbessern und den Prozess für sich zu entscheiden.
 
Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass man wichtige Gespräche, die mit dem Gegner ohnehin zu führen sind oder unter einem Vorwand angesetzt werden, absichtlich von einem Zeugen heimlich belauschen lässt (zum Beispiel durch eine Mithöranlage oder durch einen offenen Türspalt).
 
Auch das Aufnehmen von Telefongesprächen mit Hilfe von modernen Multimedia-Mobiltelefonen kann davon betroffen sein. Hier ist allerdings aufgrund der zunehmenden Verbreitung dieser Geräte und der Kenntnisse der Allgemeinheit über deren technischen Möglichkeiten die Meinung im vordringen, dass die Gesprächsteilnehmer zumindest bei sensiblen Themen mit dem Mitschneiden des Telefonates rechnen müssen.
 
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes liegt im genannten Beispiel des heimlichen Mithörens durch einen Lauschzeugen zunächst die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG vor, welches ein „Recht am gesprochenen Wort“ enthalten soll. Dies leuchtet auch erst mal ein: Aus Sicht des heimlich Belauschten soll das Gespräch ja vertraulich bleiben und auch wird er über dessen Sinn und die Funktion getäuscht. Heimliche Mithörer, mit denen er nicht rechnen musste, sollen sein Persönlichkeitsrecht nicht verletzen und später im Prozess auch nicht als Zeugen aussagen dürfen. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Prozess aus Beweisnot verloren gehen kann.
 
Im Gegensatz zur geschilderten Sachlage kann bei heimlich und damit rechtswidrig mitgeschnittenem Tonbandmaterial und ähnlichen Konstellationen dieser Argumentation auch gefolgt werden, da eine technische Aufzeichnung auch eine Straftat nach §201 StGB sein kann  und eine gänzlich andere Intensität hat als ein schlichtes Mithören am Telefonhörer oder im Nebenzimmer.
 
Unter bestimmten Umständen kann ein Lauschzeuge trotzdem als Zeuge im Prozess aussagen: Laut Bundesverfassungsgericht muss ein „schutzbedürftiges Interesse“ an der  Beweiserhebung bestehen. Zum Beispiel ist eine so genannte „Hörfalle“ zulässig, wenn die Belauschung eine Straftat abwehren soll, die zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslöst, zum Beispiel wenn ein Erpresser oder anonymer beleidigender Anrufer identifiziert werden soll.
 
Auch wenn der Gegner Falsches behauptet oder Richtiges bestreitet obwohl er die Wahrheit kennt und dadurch ein Zivilprozess wahrscheinlicher macht kann er unter Umständen eine Straftat begehen: Bei Einreichung der Klageschrift könnte ein versuchter Prozessbetrug nach §263 Abs. 2 StGB vorliegen. Der Einsatz eines Lauschzeugen zur Beweissicherung wäre in diesem keine Verletzung der Rechte des Gegners.
 
Was aber passiert, wenn der Lauschzeuge unter tatsächlicher Verletzung der Rechte des Belauschten in einem Prozess als Zeuge benannt wird? Ein irgendwie geartetes „Sachvortragsverwertungsverbot“ ist im Prozess nicht vorgesehen. Wie kann man auf eine solche Zeugenaussage reagieren?
 
Wenn der gegnerische Sachvortrag inhaltlich falsch ist, kann man diesem unproblematisch nach §138 ZPO widersprechen, weil dieser nicht wahrheitsgemäß ist. Die gegnerische Partei muss dann den Beweis über die Richtigkeit der Tatsache antreten. Sollte ihr dies nur über die Einführung von rechtswidrig erlangten Beweisen gelingen, dürften diese Beweise wegen der so genannten Grundsätze der Beweisverwertungsverbote geschützt. Dies bedeutet, dass wie im Strafprozess auch im Zivilprozess diese Beweise nicht verwertet werden dürfen, weil die Art und Weise der Beschaffung nur durch Verletzung von gesetzlichen Vorschriften möglich war, beispielsweise Nötigung, Unterschlagung, Diebstahl oder Fälschung.
 
Problematisch wird es jedoch, wenn aufgrund der rein inhaltlichen Richtigkeit eines Sachvortrages dieser nicht widerlegt, bzw. bestritten werden kann, weil nach $138 Abs. 1 ZPO die Parteien vor Gericht Erklärungen vollständig und wahrheitsgemäß abgeben müssen. Dies hat zur Folge, dass hier die prozessuale Wahrheitspflicht und das allgemeine Persönlichkeitsrecht miteinander kollidieren. Im materiellen Zivilrecht ist ein „Recht auf Lüge“ anerkannt, wenn eine wahrheitsgemäße Antwort das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Befragten verletzt. Konsequenterweise muss dies auch im Prozess selber gelten.
 
Es wird deshalb zunehmend diskutiert, ob die Partei, deren allgemeines Persönlichkeitsrecht durch die rechtswidrige Erlangung des Sachvortrags verletzt worden ist, nicht entgegen der Wahrheitspflicht lügen darf, um so die gegnerische Partei zur Beibringung von verwertbaren Beweismitteln zu bewegen.
 
Die verletzte Partei ist nämlich ansonsten praktisch dazu genötigt, durch die Beachtung der Wahrheitspflicht die Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechtes durch die gegnerische Partei zu legalisieren.
 
Da anerkannt ist, dass auch „die prozessuale Wahrheitspflicht ihre Grenzen an der Zumutbarkeit und an den auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ihre Grenzen findet“ (Heinemann, MDR 3/2001,141 mwN), scheint ein sog. „Recht auf Lüge“ zumindest gegenüber einem Sachvortrag von rechtswidrig erlangten Informationen über Tatsachen gerechtfertigt zu sein. Die betroffene Partei darf also wissentlich zum eigenen Schutz vor Gericht die inhaltlich richtige Aussage des Lauschzeugen bestreiten um den Gegner zur Einbringung von korrekt erlangten Beweisen zu zwingen. Dies wird ihm regelmäßig nicht möglich sein, da er ansonsten ja nicht auf einen rechtswidrigen Lauschzeugen hätte zurückgreifen müssen.   
 
Eine derartige Beschränkung der prozessualen Wahrheitspflicht scheint zunächst die Gefahr des willkürlichen Lügens vor Gericht zu erhöhen. Zu Bedenken ist jedoch, das diese Überlegungen nur in einem eng umgrenzten und grundrechtssensiblen Bereich angestellt werden, bei dem die Pflicht zur Wahrheit gegenüber der Verletzung von Grundrechten abgewogen wird.
 
Der Grundsatz des §138 Abs.1 ZPO, nämlich die Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß vor Gericht abzugeben bleibt jedoch ansonsten eine zentrale Norm im Strafprozess.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 397 vom 20. September 2007 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich