Die meisten Haftungsansprüche gegenüber Anwälten entstehen durch Fristversäumnisse. Rechtsanwälte haben also zu spät gehandelt. Wer zuspät schreibt, den bestraft das Gericht, könnte man sagen. Rechtsanwälte haben viel zu tun; Gerichtsstermine, Besprechungen, Emails und Telefonate stören bei der konzentrierten Arbeit. Zudem ist der ein Anwalt von mehr als einem Mandanten gleichzeitig beauftragt. Dies beinhaltet verschiedenste Fälle, mit unterschiedlichen Fristen. Da kommt es schnell einmal zu Fristversäumnissen. Untersuchungen ergeben, dass die Hälfte aller Rechtsanwaltshaftungsfälle nur eine Ursache: Frist versäumt!
Was versteht man unter einer „Frist“?
Generell versteht man unter einer Frist einen Zeitraum, innerhalb dessen eine Handlung vorgenommen werden muss. Dies kann beispielsweise das Einreichen von Dokumenten beim Gericht oder das geltend machen von Ansprüchen sein. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Berechnung von Fristen §§ 187 – 193 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB).
Im Falle der Fristversäumnis durch den konsultierten Anwalt heißt dies nichts anderes als: Fristen, die für eine Rechtssache relevant waren, wurde vom Anwalt nicht eingehalten. Die Zeit ist abgelaufen.
Fristarten
Frist ist nicht gleich Frist. Fristen können unterschiedlich gestaltet sein. Fristen gibt es viele…
Uneigentliche Frist
Diese Frist ist auch als „gesetzliche Frist“ bekannt. Diese Fristen bezeichnen innerhalb der Gerichte vorzunehmende Amtshandlungen. Nach deren Ablaufen gilt die Handlungen als vorgenommen. Solche Fristen können nur in den Fällen verlängert werden, in denen das Gesetz eine Verlängerung ausdrücklich vorsieht. Ein Beispiel für eine gesetzliche Frist wäre die Frist zur Einreichung von Steuererklärungen.
Eigentliche Frist
Die „eigentliche Frist“ oder auch bekannt unter der Bezeichnung „richterliche Frist“ beschreibt eine Zeitspanne, innerhalb derer die Parteien sich auf Termine vorbereiten müssen beziehungsweise Handlungen vollziehen können. Die Dauer der Frist wird in der Regel durch einen Richter festgelegt. Diese Frist kann auf Antrag verlängert werden.
Ausschlussfrist
Unter der Anschlussfrist versteht man einen Anspruch der innerhalb eines Zeitraums nach Fälligkeit geltend gemacht werden muss. Der Bestand des zugrundeliegenden Anspruchs ist abhängig von der Geltendmachung der Frist. Der Anspruch verfällt mit Ablaufen der Frist. Ausschlussfristen sind nicht verlängerbar. Ein Beispiel wäre ein nicht rechtzeitig geltend gemachter Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber.
Verjährungsfrist
Verjährungsfristen bezeichnen die Zeitspanne, in welcher ein materiellrechtlich bestehender Anspruch von dem Anspruchsberechtigten geltend gemacht werden kann. Diese Fristen sind in den §§ 194ff BGB geregelt. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Nach Ablauf dieser Frist kann es sein, dass ein entstander und nicht erloschener Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden kann, weil der Anspruchsgegner die Einrede der Verjährung erhebt.
Klagefrist
Die Klagefrist ist eine Frist im Verwaltungsprozess und definiert den Zeitraum innerhalb welchem bei Gericht Klage erhoben werden muss. Ein Versäumnis dieser Frist führt dazu, dass die Klage als unzulässig abgewiesen werden muss. In verwaltungsrechtlichen Verfahren gilt bei Anfechtungsklagen eine Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchbescheids (§ 74 I 1 VwGO). Die Berechnung der Klagefrist richtet sich gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO nach den §§ 187 ff. BGB.
Notfrist
Notfristen sind in der Zivilprozessordnung ausdrücklich als solche bezeichnete Fristen (§ 517 ZPO). Sie können weder vom Gericht verlängert noch von Parteien verkürzt werden. Wenn eine Notfrist schuldlos versäumt wird, kann Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt werden. Ein Beispiel für eine solche Frist wäre die Aufforderung des Gerichts die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen.
Eltern haften für ihre Kinder – Anwälte für ihre Mitarbeiter
Es obliegt dem Anwalt seine Kanzlei organisatorisch zu führen. Er oder sie muss kompetentes Personal einstellen und Arbeitsabläufe koordinieren. So ist es nicht verwunderlich, dass Anwälte für die Fristversäumnisse von eigenen Mitarbeitern haften müssen. Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass lediglich bei besonderen Vorkehrungen, die der Anwalt in organisatrisch aufgesetzt hat, um Fristversäumnisse zu vermeiden, die Fristversäumnis den Mitarbeitern zuzurechnen ist. Eine einfache mündliche Anweisung eine Frist einzuhalten, reicht nicht aus. Vielmehr muss eine sogenannte „Fristennotierung“ stattgefunden haben. Der Mitarbeiter bekommt die Anweisung eine Frist schriftlich festzuhalten. Erst mit dieser Vorkehrung kann der Anwalt ohne weitere Überprüfung sich darauf verlassen, dass sein Mitarbeiter Fristen einhält.
Rechtsfolgen bei Fristversäumnis
Eine versäumte Frist kann viele Rechtsfolgen mit sich ziehen. Für den Mandanten heißt das oft: Verlieren eines Rechtsstreits mit einhergehendem Schaden.
Aber auch weniger gravierendere Folgen kann eine Fristversäumnis haben. Gerichtsverfahren können sich unnötiger Weise in die Länge ziehen oder Ansprüche können wegfallen. In jedem Fall kostet es dem Mandanten Zeit und nicht selten Geld.
Ebenfalls sind Schäden möglich, die indirekt durch Fristversäumnisse entstehen. Zu denken ist beispielsweise an Unternehmen, die für die Dauer eines Rechtsstreits ihre Arbeit niederlegen müssen. Für solche Unternehmen kann eine Verlängerung des Rechtsstreits durch Fristversäumnis verheerend sein.
In Fällen der schuldhaften Fristversäumnis durch den mandatierten Anwalt können sich Haftungsansprüche gegen diesen im Rahmen der Anwaltshaftung ergeben. Irgendwann ist immer Schluss, da auch Ansprüche wegen Anwaltshaftung verjähren. Aber das ist ein anderes Thema.
Über den Autor:
Valentin Markus Schulte ist Student der Rechtswissenschaften und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte in Berlin. Des Weiteren studierte Valentin Schulte neben seinem Studium der Rechtswissenschaften Volkswirtschaftslehre / Economics und erlangte hier bereits einen Masterabschluss.
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