Der Bundesgerichtshof urteilt zu Gunsten der geschädigten Rechtsschutzversicherer – BGH erklärt Ausschlussklausel der Rechtsschutzversicherungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen für nichtig.
Neue Chance für Geschädigte Kapitalanleger – unklare Formulierung der Effektenklausel führt zur Unwirksamkeit, Rechtsschutzversicherungen müssen nun Rechtsschutz im Zusammenhang mit Kapitalanlagen gewähren!
Seit den Jahren der Finanzkrise haben Kapitalanleger in Deutschland schwere Zeiten hinter sich. Sichergeglaubte Anlagen entpuppten sich als Katastrophe, oftmals haben sie ihr hart erspartes Geld, ihre Altersvorsorge auf Anraten in angeblich lukrative und vielversprechende Kapitalanlagen investiert. Das böse Erwachen kam dabei oft erst nach Jahren. Die Kapitalanlage, egal ob Schiffsfonds, Medienfonds, Leasingfonds, Immobilienfonds oder sogenannte „grüne Kapitalanlagen“ im Bereich der erneuerbaren Energien haben eines gemeinsam: In jedem Bereich gibt es schwarze Schafe, die das Geld der Anleger vernichtet haben, windiger Vermittler investierten in undurchsichtige und riskante Kapitalanlagen die ihnen anvertrauten Kundengelder. Viele betroffene Anleger erlitten große Verluste.
Ich hab ja eine Rechtsschutzversicherung!
Haben sich die Anleger von diesem Schock erholt, bleibt in der Regel nur noch der Gang zum Rechtsanwalt, um das verloren geglaubte Geld zurückzuerhalten oder zumindest noch etwas zu retten. Wohl dem, der hierbei vorgesorgt und eine Rechtsschutzversicherung für einen solchen Fall abgeschlossen hat. Doch genau die Rechtsschutzversicherung machte oft einen Strich durch die Rechnung und lehnte die Übernahme der Kosten ab. Die regelmäßige Antwort der Rechtsschutzversicherungen lautete: „Solche Rechtsstreitigkeiten sind bei uns ausgeschlossen. Wir können Ihnen nicht helfen.“
Da sich die Kosten für den Rechtsanwalt oder das Gericht stets nach dem Streitwert berechnen, können bei Streitigkeiten über Kapitalanlagen, bei denen es oftmals um mehrere zehntausende Euro geht, hohe Gerichts- und Anwaltskosten entstehen.
Wozu eine Rechtsschutzversicherung ohne Schutz?
Viele Anleger fühlen sich so ein zweites Mal „über den Tisch gezogen“. Nachdem sie ihr Erspartes verloren hatten, verwehrte die Rechtsschutzversicherung, die sie gerade für solche Fälle abgeschlossen und bei der sie regelmäßig brav ihre Prämien bezahlt hatten, ihnen nun die Hilfe. Wollten man nicht das Kostenrisiko selbst tragen oder war man dazu finanziell einfach nicht in der Lage, weil man gerade sein Geld verloren hatte, blieb vielen Anlegern nichts anderes übrig, als ganz aufzugeben.
Knackpunkt war dabei eine Klausel in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) der Versicherungen. Nach dieser war „die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich der Effekten oder Rechtsstreitigkeiten, auf die die Grundsätze der Prospekthaftung Anwendung finden“ vom Versicherungsschutz nicht mit umfasst.
Bitter für die Anleger, jedoch rechtlich zum damaligen Zeitpunkt nicht angreifbar.
Bis die Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen mehrere Musterverfahren gegen verschiedene Rechtsschutzversicherungen geführt hat. Der Ausgangspunkt war ein Gespräch beim Mittagessen, als ein Mitarbeiter der Verbraucherschutzzentrale NRW seinen Kollegen hiervon berichtete und die Kollegen nachfragten, was mit Effekten eigentlich genau gemeint sei. Das Interesse war geweckt, eigene Recherchen ergaben, dass es keine einheitliche Definition für Effekten gab. Somit war eindeutig klar, wenn die Begriffe in den ARB nicht klar umrissen sind, dann ist es für den Versicherungsnehmer auch nicht möglich, sich ein genaues Bild davon zu machen, was genau ausgeschlossen ist. Die Musterverfahren führten zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 08.05.2013 generell entschiedenen, dass die verwendeten Klauseln in den ARB irreführend und daher unwirksam sind. Die Rechtsschutzversicherungen können daher nicht den Deckungsschutz unter Bezug auf diese Klausel verwehren. Ein Sieg für die gebeutelten Anleger, der Rechtsschutz kann nun nicht mehr verweigert werden.
Viele bekommen ihr Geld zurück!
Für die Versicherten bedeutet dieses Urteil, dass denen die bei Klagen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen der Rechtsschutz verweigert wurde, große Chancen haben ihr Geld zurück zu bekommen. Versicherte, die in der Vergangenheit klagten, Anwalts- sowie Gerichtskosten trotz Rechtsschutzversicherung selber getragen haben, sollten nun ihren Anspruch geltend machen, denn diese Kosten können zurück verlangt werden. Es ist nun genau zu schauen, mit welcher Begründung die Rechtsschutzversicherung seinerzeit die Kostenübernahme abgelehnt hat. Erfolgte die Ablehnung unter Hinweis auf eine entsprechende Klausel, besteht nun wieder Hoffnung, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten eines Verfahrens auf Schadensersatz übernehmen muss.
Hilfe – Prüfen – Nachfragen
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte – spezialisiert im Bank- und Kapitalmarktrecht – weist auf die Wichtigkeit dieses Urteils des Bundesgerichtshofes für die betroffenen Anleger und Versicherten hin: „Dies ist ein wegweisendes Urteil und Meilenstein für eine gerechtere Bekämpfung im Kapitalmarktrecht für die betroffenen Anleger und ihre Familien. Richtig wäre es nun, dass die Rechtsschutzversicherungen auf ihre Kunden zugehen, um dem entstandenen Schaden zu begleichen, damit ist jedoch nicht zu rechnen. Betroffene Versicherer sollten in jedem Fall ihre Ansprüche prüfen lassen, denn wenn die Versicherungsbeiträge gezahlt wurden, aber kein Rechtsschutz aufgrund der Effektenklausel gewährt wurde, dann stehen die Chancen für den Versicherer gut, den hier entstandenen Schaden auch im Nachhinein einzufordern. Zudem ist darauf zu achten, dass viele Schadensersatzansprüche der gesetzlichen Verjährung unterliegen und möglicherweise nach Ablauf der Frist nicht mehr durchsetzbar sind.“
Geschädigte Versicherer sollten sich schnellstmöglich von einem im Bank- und Kapitalmarktrecht erfahrenen Rechtsanwalt in dieser Angelegenheit beraten zu lassen. Möchten Sie sich selbst bereits vorsorglich an Ihre Rechtsschutzversicherung wenden, können Sie das beigefügte Musterschreiben verwenden, welches ebenfalls unter www.dr-schulte.de abrufbar ist.