Das digitale Zeitalter hat vieles verändert – auch den Umgang mit Meinungen. Ärzte, Anwälte, Restaurants und viele andere Dienstleister sehen sich regelmäßig mit Bewertungen auf Portalen wie Google konfrontiert. Eine einzige schlechte Rezension kann dabei für Unternehmen und deren Ruf zum großen Problem werden. Im Fall eines Schönheitschirurgen aus München führte eine verheerende Google-Bewertung zu einem bemerkenswerten Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München, das die Pflichten von Bewertungsportalen klärte.
Der Fall: Nasen-OP und die Folgen einer anonymen Bewertung
Ein Schönheitschirurg, spezialisiert auf Nasenkorrekturen, wurde auf Google anonym bewertet. Die Nutzerin gab an, ein ehemaliges Model zu sein und sich 2020 wegen Atemproblemen für eine Nasenoperation bei ihm entschieden zu haben. Doch die OP hat ihr Leben ruiniert: Die Nase sei nun ein „Riesenzinken“ mit übergroßen Nasenlöchern, und der Eingriff habe ihre Model-Karriere beendet. Die Nutzerin schilderte weiter, dass sie seitdem oft gefragt werde, ob sie früher männlich gewesen sei, und beim Lachen sehe sie aus „wie eine Hexe.“ Auch eine zweite Operation im Jahr 2023 hat nichts verbessert. Zu allem Überfluss habe sie ihre Riechfähigkeit zu 80 Prozent verloren, und die Atemprobleme seien ebenfalls nicht behoben.
Der Arzt bestritt jedoch, die anonyme Nutzerin jemals behandelt zu haben, und verlangte von Google die Löschung der Bewertung. Das Landgericht München I lehnte den Antrag zunächst ab, doch das Oberlandesgericht München gab ihm schließlich recht.
Ein Urteil mit Signalwirkung: Bewertungsportale in der Pflicht
Das OLG München stellte klar, dass Bewertungsportale in solchen Fällen eine Prüfpflicht haben (Endurteil vom 06.08.2024 – 18 U 2631/24). Die bloße Detailliertheit einer Bewertung reicht nicht als Nachweis dafür, dass die beschriebene Person tatsächlich Patientin des Arztes war. Wenn ein Arzt glaubhaft bestreitet, eine bestimmte Person behandelt zu haben, müsse das Bewertungsportal die anonyme Nutzerin zur Stellungnahme auffordern und Belege verlangen, unter anderem eine Rechnung oder einen Arztbericht.
Kommt die Nutzerin dieser Aufforderung nicht nach, ist die Bewertung zu sperren. Andernfalls müsste der Arzt beweisen, dass das Behandlungsverhältnis nicht bestanden hat. Das Urteil stärkt somit die Rechte von Ärzten und anderen Dienstleistern, sich gegen unwahre oder verfälschte Bewertungen zu wehren.
Reputationsrisiko durch Online-Bewertungen: Welche Optionen gibt es?
Bewertungsportale bieten Verbrauchern Transparenz und Orientierung, doch sie bergen auch Risiken. Falsche oder verleumderische Bewertungen können dem Ruf eines Unternehmens oder Arztes erheblichen Schaden zufügen. Viele Betroffene wissen jedoch nicht, dass es Möglichkeiten gibt, sich rechtlich zu wehren. In Deutschland bestehen mehrere Ansätze:
Unwahre Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen: Wenn eine Bewertung falsche Tatsachen darstellt oder beleidigend ist, kann sie nicht nur zivilrechtliche Ansprüche auslösen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Ein klassisches Beispiel wäre die fälschliche Behauptung, ein Restaurant serviere verdorbene Lebensmittel.
Verstoß gegen Google-Richtlinien: Bewertungsportale wie Google haben eigene Richtlinien, die unter anderem Hassreden, Spam und Falschinformationen untersagen. Solche Bewertungen können gemeldet und möglicherweise entfernt werden.
Bewertungen von Nicht-Kunden: In Deutschland dürfen laut Rechtsprechung im Allgemeinen nur Personen bewerten, die einen hinreichenden „Kontakt“ zum bewerteten Unternehmen hatten. Was als „Kontakt“ gilt, ist jedoch oft Auslegungssache. So kann selbst ein Telefonat als ausreichend angesehen werden.
Gekaufte Bewertungen: Wenn der Schein trügt
Nicht nur negative, sondern auch gekaufte positive Bewertungen sind problematisch. Gerade im Gesundheitssektor oder in der Gastronomie versuchen einige Unternehmen, ihren Ruf durch künstlich erstellte Bewertungen zu verbessern. Das Landgericht München entschied, dass auch die Vergabe von „Top-Siegeln“ gegen Bezahlung als irreführende Werbung gilt. Solche Auszeichnungen täuschen die Verbraucher, die in der Regel eine objektive Bewertung erwarten.
Was tun bei unzulässigen Bewertungen? Praktische Schritte
Wenn Sie Opfer einer unzulässigen Bewertung geworden sind, gibt es verschiedene Maßnahmen:
Dokumentieren Sie die Bewertung: Machen Sie Screenshots und notieren Sie das Datum der Veröffentlichung.
Melden Sie die Bewertung beim Portal: Bewertungsplattformen wie Google bieten oft Meldefunktionen. Beschreiben Sie detailliert, warum die Bewertung Ihrer Meinung nach unzulässig ist.
Rechtlichen Beistand einholen: Ein spezialisierter Anwalt kann Ihnen helfen, Ihre Rechte durchzusetzen und gegebenenfalls eine gerichtliche Löschung der Bewertung zu beantragen.
Geduld und Beharrlichkeit: Bewertungsportale agieren oft zögerlich bei Löschanfragen. Eine klare, schriftliche Argumentation und gegebenenfalls anwaltlicher Druck können helfen.
Neue Entwicklungen: EU-weite Regelungen zur Transparenz bei Bewertungen geplant
Die Europäische Union plant eine neue Verordnung, die Online-Bewertungsplattformen zu mehr Transparenz verpflichten soll. Diese Regelungen sollen den Verbraucherschutz stärken und sicherstellen, dass Bewertungen authentisch sind. In Zukunft könnten Online-Portale daher zu klaren Prüfungen verpflichtet werden, insbesondere bei anonymen oder kritischen Bewertungen.
Als erfahrener Rechtsanwalt im Bereich Reputationsschutz berate ich Sie gerne umfassend zum Thema Online-Bewertungen. So schrieb das Handelsblatt schon 2012: „ihn fragt der Chef, wenn es um das Internet geht”. Gemeinsam erarbeiten wir Strategien, um unzulässige Bewertungen löschen zu lassen und Ihre Reputation zu schützen.