Zwangsvollstreckung ausbremsen: Wie Schuldner versuchen, staatliche Forderungen zu umgehen – und welche taktischen rechtlichen Konsequenzen folgen können, denn diese Handlungen sind strafbar, von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin.
Wenn ein Schuldner nach einem Gerichtsverfahren nicht zahlt, beauftragt man eben den Gerichtsvollzieher. Die Schuldner versuchen häufig trickreich, Vermögen zu verschleiern. Das war früher nicht so einfach, weil der Gerichtsvollzieher seine Pappenheimer schon kannte. Heute gibt es Treuhandkonten, Kryptowährungen und weltweite Versteckmöglichkeiten.
Die Zwangsvollstreckung ist ein kraftvolles Mittel des Staates, um berechtigte Forderungen durchzusetzen. Aber was passiert, wenn Schuldner versuchen, diese Maßnahmen zu umgehen oder gar zu verhindern? Tatsächlich gibt es zahlreiche Versuche, die Zwangsvollstreckung zu „unterlaufen“, die von einfachen Verzögerungstaktiken bis hin zu strafbaren Handlungen reichen. Welche Strategien nutzen Schuldner, um eine Zwangsvollstreckung zu verhindern, und welche dieser Handlungen verlassen den Bereich des Erlaubten und sind strafbar?
Was ist eine Zwangsvollstreckung und wann wird sie eingeleitet?
Eine Zwangsvollstreckung wird immer dann eingeleitet, wenn ein Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gegen einen Schuldner besitzt – also etwa ein rechtskräftiges Urteil oder einen Vollstreckungsbescheid. Der Gerichtsvollzieher ist dann ermächtigt, durch verschiedene Maßnahmen (z. B. Pfändung von Bankguthaben oder Lohn) das geschuldete Geld einzutreiben. Doch die Aussicht auf solche Maßnahmen motiviert manche Schuldner, alle möglichen Mittel anzuwenden, um die Vollstreckung zu verhindern.
Versuch der Vollstreckungsvereitelung: Eine strafbare Handlung
Einer der drastischsten Schritte, um die Zwangsvollstreckung zu umgehen, ist die sogenannte Vollstreckungsvereitelung. Diese liegt vor, wenn der Schuldner Vermögenswerte absichtlich beiseiteschafft, um sie der Zwangsvollstreckung zu entziehen. Hierzu zählen verschiedene Handlungen:
Übertragung von Vermögenswerten auf Dritte: Wenn ein Schuldner sein Vermögen kurz vor einer bevorstehenden Vollstreckung an Verwandte oder Freunde überträgt, um es dem Zugriff zu entziehen, spricht man von einer unlauteren Vermögensverschiebung. So ein Vorgehen kann eine strafbare „Vollstreckungsvereitelung“ gemäß § 288 StGB darstellen.
Verkauf unter Wert: Ein weiteres typisches Beispiel ist der „Verkauf“ von wertvollen Gegenständen weit unter dem eigentlichen Wert, um diese dem Gläubiger unzugänglich zu machen. Zum Beispiel könnte ein Schuldner sein Auto für einen symbolischen Betrag an einen Bekannten „verkaufen“.
Verschleierung von Konten und Guthaben im Ausland: Die Verlagerung von Vermögen ins Ausland gehört ebenfalls zu den Methoden, die dem Zugriff entzogen werden sollen. Besonders bei hohen Beträgen und Konten außerhalb Europas ist der Zugriff der deutschen Justiz schwer.
All diese Handlungen fallen unter das Delikt der Vollstreckungsvereitelung und können gemäß dem Strafgesetzbuch (StGB) mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Auch die Beihelfer wie Kollegen, Nachbarn und Verwandte haften dann dem Gläubiger wegen des Schadens und machen sich strafbar.
Verschweigen von Einkünften und Vermögensverschiebung
Auch das Verschweigen von Einkünften oder die falsche Darstellung der Vermögensverhältnisse können als Straftat gewertet werden. In der sogenannten „Vermögensauskunft“, die der Schuldner bei drohender Zwangsvollstreckung abgeben muss, wird der aktuelle Stand des Vermögens aufgeführt. Verschweigt der Schuldner hierbei bewusst Einkommen oder verschiebt Vermögenswerte, so kann dies als falsche Versicherung an Eides statt gewertet werden, was nach § 156 StGB strafbar ist. Im Falle einer Falschangabe riskiert der Schuldner eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Rechtliche Folgen und Reaktionen der Gläubiger
Die Konsequenzen für solche strafbaren Handlungen können gravierend sein. Neben den drohenden Strafen stehen dem Gläubiger in solchen Fällen auch Schadensersatzansprüche zu. Ein Gläubiger, der nachweist, dass durch unlautere Verschleierung oder Verschiebung von Vermögen ein Verlust entstanden ist, kann diesen gerichtlich geltend machen. Für den Schuldner bedeutet das nicht nur die drohende Haftstrafe, sondern auch zusätzliche finanzielle Belastungen.
Beispiel: Die „Autoübertragung“ auf die Schwiegermutter
Nehmen wir ein Beispiel aus der Praxis: Ein Schuldner, der mehrere zehntausend Euro Schulden hat, überträgt sein wertvolles Auto auf seine Schwiegermutter, als die Zwangsvollstreckung droht. Er meldet das Fahrzeug um und gibt an, dass es nicht mehr ihm gehöre. Der Gerichtsvollzieher prüft jedoch die Eigentumsverhältnisse genauer und stellt fest, dass das Auto regelmäßig vom Schuldner genutzt wird und er weiterhin die Versicherung dafür bezahlt. Hier wird der Schuldner sich nicht nur der Vereitelung einer Vollstreckung verantworten müssen, sondern möglicherweise auch wegen Betrugs angezeigt. Solche Fälle sind keine Seltenheit und zeigen, wie schnell der „Trick“ nach hinten losgehen kann.
Wann ist eine Vollstreckungsvereitelung gerechtfertigt?
Grundsätzlich ist jede bewusste Handlung, die die Durchsetzung berechtigter Forderungen vereiteln soll, strafrechtlich relevant. Es gibt jedoch Fälle, in denen Schuldner aus existenzieller Notlage versuchen, eine Zwangsvollstreckung zu verhindern. Die Gerichte prüfen bei solchen Straftatbeständen daher sehr genau die Beweggründe und Motive der Betroffenen. Dennoch kann das Schieben von Vermögenswerten aus Angst vor der Vollstreckung schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben. Die Straftat der Vereitelung der Zwangsvollstreckung kann, wie das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zeigt, in schweren Fällen als Betrug gemäß § 263 StGB gewertet werden. Wenn jemand die Durchführung einer Zwangsvollstreckung durch Täuschung verhindert oder erschwert und dabei einen Vermögensschaden des Gläubigers in Kauf nimmt, kann das Gericht diese Handlungen als vollendeten Betrug ahnden. Dies war bei dem genannten Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf von 1994 der Fall.
Das Urteil bezieht sich auf einen Fall, in dem ein Schuldner die Abstammungspapiere eines gepfändeten Pferdes zurückhielt und dem Gerichtsvollzieher absichtlich falsche Angaben machte. Durch diese Handlung erzielte das Pferd bei der Versteigerung einen geringeren Wert, was den Gläubiger wirtschaftlich erheblich benachteiligte. Die absichtliche Täuschung und die Unterlassung der Herausgabe der Papiere erfüllten damit den Betrugstatbestand, da sie zu einem finanziellen Nachteil führten.
Rechtliche Grundlagen des Betrugs bei Zwangsvollstreckung
In diesem Fall war die rechtliche Grundlage für das Urteil auf mehreren Aspekten aufgebaut:
- Täuschungshandlung: Der Angeklagte gab wissentlich falsche Informationen weiter, was eine bewusste Täuschung darstellt.
- Irrtum: Der Gerichtsvollzieher handelte unter dem Eindruck, dass die Informationen des Schuldners korrekt seien, und unterließ deshalb weitere Maßnahmen.
- Vermögensverfügung und Schaden: Der Gläubiger erlitt einen Vermögensschaden, da die Versteigerung des Pferdes ohne Papiere einen geringeren Erlös erbrachte.
- Bereicherungsabsicht und Stoffgleichheit: Der Angeklagte hatte das Ziel, durch die Zurückhaltung der Papiere einen persönlichen Vorteil zu erzielen. Der Vorteil des Schuldners stand dabei im direkten Zusammenhang mit dem Schaden des Gläubigers, da das Fehlen der Papiere den Wert des Pferdes minderte.
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Täuschungen, die den Verfahrensablauf der Zwangsvollstreckung behindern, als Betrug geahndet werden können, wenn die Handlungen darauf abzielen, den Gläubiger zu schädigen und sich selbst einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
Konsequenzen für ähnliche Fälle
Diese rechtlichen Prinzipien zeigen, dass jede Form der Täuschung im Kontext der Zwangsvollstreckung ernsthafte Folgen haben kann. Wer vorsätzlich falsche Angaben macht oder wesentliche Informationen zurückhält, um die Versteigerung oder die Vermögensaufstellung zu beeinflussen, riskiert strafrechtliche Sanktionen, die bis zu einer Freiheitsstrafe führen können. Der Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist ein warnendes Beispiel für Schuldner, die mit vermeintlich harmlosen Täuschungen die Durchsetzung berechtigter Forderungen behindern wollen.
Wichtig ist auch zu wissen, dass solche Rettungsaktionen häufig die Hilfe Dritter benötigen. Diese Dritten haften aber für den Schaden, den sie gemeinsam mit dem Schuldner anrichten. Außerdem interessiert sich der Staatsanwalt auch für die Beihelfer, also die Helfershelfer des Schuldners.