Erst vor kurzem berichtete der Verfasser über die im vergangenen Sommer entfaltete Rechtsprechung des Hamburger Amtsgerichts, nach der Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren das Recht haben, Lastschriften zu widerrufen, auch wenn sensible Bereiche wie etwa Mietzahlungen oder die Energieversorgung betroffen sind (mehr). Auf den Schuldner im Insolvenzverfahren kommen dann unvermittelt neue Forderungen zu, etwa von Seiten des Vermieters, der Telefongesellschaft, Versicherungen oder der Gas- und Stromversorger, – Forderungen also, die also existenzielle Bereiche betreffen, so dass gar der Verlust der Wohnung oder die Kündigung von Versicherungen drohen können.
Der Hintergrund ist, dass jeder Bankkunde die Möglichkeit hat, im Wege einer Einzugsermächtigung vorgenommene Abbuchungen wieder auf sein Konto zurückzubuchen, so lange die so genannte Belastungsbuchung noch nicht wirksam ist. Wirksam wird diese mit der Genehmigung des Kontoinhabers, die, wenn sie nicht ausdrücklich erklärt wird, im Zuge der so genannten Genehmigungsfiktion in der Regel sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses (meist eines Quartalskontoauszuges) „automatisch“ eintritt. Geregelt ist dieser Vorgang üblicherweise in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken. Wenn der Rechnungsabschluss nur quartalsweise erfolgt, so hat laut der Hamburger Rechtsprechung auch ein Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren die Möglichkeit, bis zu viereinhalb Monate zurückliegende Lastschriften durch die Bank zurückbuchen zu lassen. Denn im Zeitraum bis zur Genehmigung oder zum Eintreten der Genehmigungsfiktion ist die Abbuchung noch „schwebend unwirksam“.
Ein weiterer Beschluss vom 17. Dezember 2007 verschärfte diese Rechtsprechung noch zusätzlich (Geschäftszeichen 38 C IK 910/07; ZVI 2008, 35): Dem Schuldner war hier sogar die Verfahrenskostenstundung versagt worden, weil dieser auf Empfehlung seiner Schuldnerberatungsstelle bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – eben zur Vermeidung von solchen Widerrufen – sämtliche Lastschriften gegenüber der Bank ausdrücklich genehmigt hatte.
Nun aber hat das Amtsgericht München der Rechtsprechung am Hamburger Amtsgericht eine mehr als deutliche Absage erteilt. In seinem Beschluss vom 7. März 2008 hat das Münchener Gericht erklärt, dass ein Lastschriftwiderruf durch den Treuhänder nicht erfolgen darf, wenn die Forderungen, wie beispielsweise Mietzahlungen oder Telefongebühren zu Recht eingezogen wurden (Geschäftszeichen 1506 IK 3260/07). In seiner ausführlichen Begründung führt das Amtsgericht München hierzu zutreffend aus:
„War in einem gegenseitigen Vertrag eine Einzugsermächtigung vereinbart, geht die Pflicht des Schuldners aus der Lastschriftabrede, einen berechtigten und damit von seiner vorab erteilten Zustimmung gedeckten Einzug widerspruchslos zu dulden, auf den Treuhänder über. Wurde der eingezogene Betrag dem Gläubigerkonto vor Eröffnung vorbehaltlos gutgeschrieben, trifft den Treuhänder die selbe Pflicht, die sonst den Schuldner treffen würde, nämlich die, die Einziehung stillschweigend zu dulden. Dagegen geht die Möglichkeit zum Widerruf berechtigter Lastschriften nicht auf den Treuhänder über. Sie lässt sich nämlich nicht aus der Vertragsbeziehung mit dem Gläubiger herleiten, sondern nur aus dem Girovertrag des Schuldners mit seiner Bank.“
Das Gericht hat besonders darauf hingewiesen, dass Lastschriften, die aus unpfändbarem Einkommen der Schuldner stammen, auf keinen Fall zurückgebucht werden dürfen. Der Widerruf berechtigter Lastschriften stehe aber insgesamt in einem Wertungswiderspruch zu den §§ 129 ff. Insolvenz-Ordnung (InsO), so die Auffassung des Münchener Amtsgerichts. Im Insolvenzverfahren gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz, auf den sich auch der Bundesgerichtshof mehrfach berufen habe, welcher es sowohl verbiete, einzelne Gläubiger zu begünstigen, als auch Insolvenzausfallrisiken von einem Gläubiger auf einen anderen zu verlagern. Genau dieses geschehe jedoch durch einen Lastschriftwiderruf mit debitorischem Schuldnerkonto.
Zwischen dem Norden und dem Süden der Republik besteht offenbar ein deutliches Rechtsgefälle: Das Hamburger Amtsgericht hält Lastschriftwiderrufe zum Nachteil von einzelnen Insolvenzgläubigern und auch zum Nachteil des Insolvenzschuldners für zulässig, die Sichtweise des Amtsgerichts München dagegen steht der hanseatischen Rechtsauffassung diametral entgegen.
Dies führt zu der absurden Tatsache, dass ein Insolvenzschuldner in München, der kurz vor Insolvenzantrags sämtliche Lastschriften genehmigt, zwar alles richtig macht, sich diese Mühe aber auch hätte sparen können, denn er wird ja durch das Amtsgericht München vor Lastschriftwiderrufen durch den zukünftigen Treuhänder geschützt. Ein Insolvenzschuldner in Hamburg jedoch, kann durch die ausdrückliche Genehmigung der Lastschriften zwar den wirksamen Widerruf durch den Treuhänder verhindern, muss aber befürchten, dass ihm die Stundung der Prozesskosten durch das Amtsgericht verweigert wird. – Ein wahrhaft unhaltbarer Zustand, mit dem sich nun die Instanzgerichte befassen müssen. Die Entscheidung des Münchener Amtsgerichts widerspricht zudem nicht nur der Auffassung des Hamburger Amtsgerichts, sondern auch drei nahezu gleich lautenden Urteilen des Bundesgerichtshofs zum Thema Lastschriftwiderruf im Insolvenzverfahren. „Endgültige Rechtssicherheit“ wird wohl, so heißt es in dem Münchener Beschluss, „erst eine Entscheidung des Großen Zivilsenats bringen“. Es bleibt also spannend.
Der Verfasser hat aktuell in einem Verbraucherinsolvenzverfahren im Großraum Hamburg die eingesetzte Treuhänderin aufgefordert, die Rechtsprechung des Amtsgerichts München anzuerkennen und die Rechtmäßigkeit des Lastschriftwiderrufs zu prüfen. Wir werden weiter berichten, wie sich die Rechtsprechung in diesem Bereich fortsetzen wird.
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