Berlin, Juli 2011
Von Gutachtern und Sachverständigen erwartet niemand ein groß angelegtes Abzocke-System? Wie geht das?
In jüngster Zeit sind den Rechtsanwälten der auf Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisierten Kanzlei Dr. Schulte und sein Team vermehrt Schreiben von selbsternannten „Gutachtern“ und „Immobiliensachverständigen“ zur Kenntnis gebracht worden, die bei den Adressaten für berechtigte Verwirrung sorgen.
Plötzlich und unerwartet erhalten Erwerber von Immobilien Schreiben mit den Betreffzeilen wie beispielsweise „Wichtiger Rückruf erbeten“ oder „Bitte sofort zurückmelden“.
Absender dieser dubiosen Schreiben sind angeblich Diplom-Ingenieure, Architekten oder Sachverständigenbüros, die behaupten, man hätte den Empfänger der Briefe telefonisch nicht erreicht und bittet in „Dringender Angelegenheit“ um schnellen Rückruf.
Der Inhalt dieser Anschreiben ist meist inhaltsgleich, allerdings stammen die Schreiben von vermeintlich unterschiedlichen Absendern. Bekannt sind den Rechtsanwälten folgende Absender:
Manfred Klimaczewski – Klimaczewski und Kollegen
Andreas Bühring und Partner – München/Berlin
Uwe Müller – Sachverständigenbüro Müller – Berlin
Dipl.-Ing. Stefan Kruszynski – Sachverständigenbüro Kruszynski
Jost Raabe – Raabe und Kollegen – Sachverständige Hamburg/Berlin
Dipl.-Ing. Stefan Czybilski – Sachverständigenbüro – Frankfurt/Main
Seit kurzem erhalten Erwerber auch Anschreiben von Wirtschaftsdetekteien mit Betreffzeilen wie „Ermittlungen: Schrottimmobile xy, in Leipzig„. Absender sind angeblich Wirtschaftsdetektive, die Ermittlungen wegen „Immobilienbetruges in der oben genannten Eigentumswohnanlage“ durchführen. Der Empfänger wird um „schnellstmöglichen“ Rückruf zur „effektiven Aufklärung und Beweissicherung“ gebeten. Die Schreiben sind inhaltsgleich und stammen wiederum von vermeintlich unterschiedlichen Absendern. Bekannt sind:
Wolfgang Drees – Wirtschaftsdetektei Drees, Berlin
Harald Schuster – Wirtschaftsdetektei Schuster, München.
Allen oben genannten angeblichen „Experten“ ist jedoch eins gemein: Sie sind keine Immobilienexperten oder Sachverständige. Vielmehr existieren die benannten Büros in der oben genannten Form nicht. Den Rechtsanwälten wurde vielmehr berichtet, dass weder Klingelschilder noch entsprechende Briefkästen an den angegebenen Adressen vorhanden seien und die Büros nicht existieren. Dazu gab es natürlich auch niemals einen gescheiterten Kontaktversuch, der einen dringenden Rückruf notwendig macht.
Doch was haben diese Schreiben für einen Hintergrund?
Die Empfänger der Schreiben sollen dazu gebracht werden, sich mit anwaltlicher Hilfe von dem vermeintlich nachteilhaften Immobilienkauf zu befreien. Kapitalanleger, die bislang hoch zufrieden mit ihrer Anlage waren, werden verunsichert.
Was passiert dann bei einem Rückruf unter der angegebenen Handy-Telefonnummer?
Erwerber von Eigentumswohnungen und auch Bauträger berichten den Rechtsanwälten übereinstimmend, dass in dem nachfolgenden persönlichen Gespräch der Ausstieg aus dem bislang tadellosen Investment empfohlen wird. Dabei wird die Verbindung zu bestimmten Rechtanwaltskanzleien hergestellt, mit deren Hilfe im Rahmen eines kostenpflichtigen Anwaltsbriefes der Ausstieg aus der Kapitalanlage erfolgen soll.
Doch neben den „teilnehmenden“ Rechtsanwaltskanzleien verdienen auch die vermeintlichen „Gutachter“ und „Sachverständigen“ bei dieser Mandantenschaufel kräftig mit. Für ihre Dienste verlangen die Briefeschreiber bis zu 2.000,00 Euro. Der Rechtsanwalt kann für seine außergerichtliche Tätigkeit, je nach Höhe des Geschäftswertes, leicht Beträge von über 3.000,00 Euro verlangen.
Doch es geht noch weiter: Sobald ein verunsicherter Erwerber bereit ist, den angebotenen Weg zur „Rückabwicklung“ des Immobilienerwerbes zu wählen und einen Rechtsanwalt bevollmächtigt hat, kann dieser im Namen des Kunden auch weitere Eigentümer im gleichen Immobilienprojekten anschreiben und um „Hilfe“ bei der Mandatsbearbeitung bitten. So kommt ein Anwalt gleich an die Adressen aller Eigentümer in einem Immobilienobjekt von der betreffenden Hausverwaltung. Natürlich werden diese Eigentümer auch angeschrieben.
Ob die Eigentumswohnungen wirklich überteuert sind, erfahren die angeschriebenen Immobilieneigentümer frühestens in einem Gerichtsverfahren und auch nur dann, wenn der zuständige Richter ein Gutachten in Auftrag gibt. Nur ein neutrales Sachverständigengutachten, unabhängig von Interessen Dritter, kann den Verkehrswert einer Immobilie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bestimmen. Hintergrund ist, dass es verschiedene Methoden gibt, den Verkehrswert einer Eigentumswohnung zu ermitteln. Teilweise können sich die ermittelten Verkehrswerte je nach Art der Bewertungsmethode erheblich unterscheiden.
Kunden, die sich vertrauensvoll an den Verkäufer ihrer Immobilie gewandt haben, berichten, dass regelmäßig nur bestimmte Rechtsanwaltskanzleien von den „Gutachtern“ und „Sachverständigen“ empfohlen werden. Die Art und Weise dieser als „Mandantenschaufel“ bekannten Mandatsakquise verstößt nicht nur gegen anwaltliches Berufsrecht, sondern ist auch geeignet, das Vertrauen in die Rechtsanwaltschaft insgesamt zu erschüttern. Dies dürften zwischenzeitlich auch die zuständigen Rechtsanwaltskammern erfahren haben.
Dr. Thomas Schulte, Gründer der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team, stellt folgendes fest:
„Natürlich hat sich in den letzten Jahren auch der Wettbewerb unter Rechtsanwälten deutlich verschärft, schließlich gibt es beispielsweise in Berlin über 11.000 Berufskollegen. Diese neue Methode der Mandatsakquise stellt jedoch eine „neue Qualität“ anwaltlicher Berufsauffassung dar. Nicht nur werden bisher völlig zufriedene Erwerber von Immobilien durch zweifelhafte Methoden dazu gebracht, kostenintensive Mandatsverhältnisse mit bestimmten Rechtsanwaltskanzleien einzugehen. Vielmehr bedient man sich mit zweifelhaften Methoden der Mithilfe zweifelhafter Dritter, die natürlich an der ganzen Sache kräftig mitverdienen.“
„Die ganze Sache gipfelt darin, dass die angeblichen Sachverständigenbüros und Gutachter in Wirklichkeit, wie sich zwischenzeitlich herausgestellt hat, früher selbst Immobilien von zweifelhafter Qualität und Wert vermittelt haben. Diese kennen das Geschäft natürlich gut und haben so neue Einkommensquellen erschlossen.“ , meint Rechtsanwalt Dr. Schulte.
Betroffenen Empfängern solcher Schreiben kann nur dringend geraten werden, sich in Zweifelsfällen direkt an qualifizierte Rechtsanwälte zu wenden, um eine seriöse Einschätzung der tatsächlichen Rechtslage zu erhalten. Zudem kann die Architektenkammer oder die Anwaltskammer informiert werden.
Dr. Schulte, Rechtsanwalt