Kurs- und Marktpreismanipulation bei Wertpapiergeschäften und sog. „Scalping“ – Welche Möglichkeiten hat der geschädigte Anleger?
Eine in der breiten Öffentlichkeit noch wenig bekannte Form der Kurs- und Marktpreismanipulation bei Wertpapiergeschäften zum Nachteil der Anleger ist das sog. ‚Scalping’.
Unter ‚Scalping’ versteht man ein Illegales Börsengeschäft, bei dem Börsenhändler, Banker, Journalisten oder so genannte Börsen-Gurus Aktien zunächst auf eigene Rechnung kaufen, um sie anschließend anderen zum Kauf zu empfehlen. Folgen viele Anleger einer solchen Empfehlung, steigt durch die stärkere Nachfrage der Kurs an und die vorab gekauften Papiere können mit Gewinn wieder verkauft werden.
Der Bundesgerichtshof hat in einer Präzedenzentscheidung die Strafbarkeit missbräuchlicher Aktienempfehlungen prinzipiell bestätigt – und damit die Strafverfolgung in vielen anderen Verfahren erheblich erleichtert.
Ein typisches Beispiel dieser Praxis ist folgendes Szenario: Ein Redakteur eines Börsenbriefes oder einer Fachzeitschrift gilt aufgrund seiner meist treffsicheren Vorhersagen als „der Anlagespezialist“ oder „der Meinungsmacher“ auf dem Gebiet des neuen Marktes. Er weiß um seinen Einfluss auf das Kaufverhalten der Leser seiner Wertpapierempfehlungen und auf Fondsbetreuer und will deren Vertrauen ausnutzen. Daraufhin beschließt er, gezielt vor der Abgabe von Kaufempfehlungen gerade diese empfohlenen Wertpapiere für sein eigenes Depot zu kaufen. Im Vertrauen auf seine Anlagetipps erweitern die Anleger und Fondsgesellschaften nun ihr Portfolio und der Kurs der Papiere steigt. Nun verkauft er diese mit meist beträchtlichem Gewinn. Kurz gesagt nutzt also der Tippgeber beim ‚Scalping’ die Steigerung des Wertpapierkurses durch das Vertrauen der Anleger auf die dessen Empfehlungen zur Gewinnmitnahme aus.
Die fragliche Täuschung, so die BGH-Richter, liege bereits darin, „dass die Empfehlungen an die Fonds mit dem Ziel der Kursbeeinflussung ausgesprochen wurden“. Dass die Empfehlungen „objektiv korrekt“ waren, spiele bei einer solchen Sachlage keine Rolle mehr.
Allein zu fragwürdigen Vorgängen aus der Endphase des ehemaligen Neuen Marktes sind derzeit bundesweit etwa zwanzig Großverfahren im Gange.
Gerade in den Glanzzeiten des neuen Marktes wurde das (teilweise blinde) Vertrauen der Anleger durch diverse Methoden ausgenutzt. Auch die Unternehmen selber fanden Wege, den Kurs der eigenen Aktie zu steigern. So wurde durch falsche Ad-hoc Meldungen mit unrealistischen Gewinnerwartungen der Kurs gestützt, Bilanzen durch Scheingeschäfte geschönt und auf Kosten der Anleger Insidergeschäfte getätigt.
Problematisch ist dabei nicht so sehr die strafrechtliche Sicht. Es handelt sich zum Beispiel beim Scalping nach neuester Rechtsprechung nicht um ein Insidergeschäft nach §14 WpHG, sondern um eine Kurs- und Marktpreismanipulation im Sinne von §20a I 1 Nr. 2 WpHG. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine solchermaßen motivierte Empfehlung nach fachmännischem Urteil sachlich gerechtfertigt ist, also die Aktie tatsächlich eine Kaufempfehlung rechtfertigt.
Wie jedoch können Anleger, die aufgrund solcher Empfehlungen Wertpapiere gekauft haben oder aufgrund des Verrauens auf falsche Informationen diese zu spät und mit Verlust verkauft haben zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Verursacher geltend machen?
Um erfolgreich zivilrechtlichen Schadensersatz fordern zu können, muss der Anleger zunächst zumindest einen bedingten Vorsatz des Wertpapier-Dienstleistungsunternehmens nachweisen. Erforderlich ist dazu dessen Bewusstsein, mit der Empfehlung beziehungsweise mit den Scheinorders eine Kursbewegung auszulösen, diesen Umstand auszunutzen und dabei billigend die Schädigung von Anlegern in Kauf zu nehmen.
Vertragliche Ansprüche kommen nur in Betracht, wenn Partner des Anlegers der „Insider“ selber ist und keine dritte Partei als sog. Marktmittler dazwischentritt. Dies ist bei einem Kaufvertrag über Wertpapiere jedoch fast nie der Fall. Sollte eine Fondsgesellschaft die Kauforders ausführen, müsste ließe sich ein vertragliches Verhältnis zwischen Anleger und „Insider“ nur über die Grundsätze des sog. Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter herstellen, dessen Voraussetzungen hier jedoch regelmäßig nicht vorliegen. Jedoch kann grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung nach §§437 Nr. 3 in Verbindung mit §280 I BGB vorliegen.
Auch könnte unter Umständen ein Schadensersatzanspruch wegen Treuepflichtverletzung nach §§280 I Satz 1, 311 II, 241 II BGB geltend gemacht werden, wenn der Anleger durch das Verhalten des „Insiders“ einen aus seiner Sicht nachteiligen Vertrag schließt, den er bei entsprechender Aufklärung nicht geschlossen hätte.
Zusätzlich kann der geprellte Anleger so genannte deliktische Ansprüche aus unerlaubter Handlung haben.
So kann zunächst ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges nach §823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §263 StGB in Betracht kommen. Hier kommt es entscheidend darauf an, den Nachweis zu führen, dass der Anleger durch das Verhalten des Tippgebers oder des Unternehmens getäuscht worden ist und dadurch seine Aktien einen Wertverlust erlitten haben oder er diese nicht rechtzeitig verkauft hat.
Auch könnte sich ein solcher Anspruch aus §§823 II, §826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ableiten. Problematisch sind jedoch wie bei den anderen Ansprüchen der Nachweis der Kausalität und die Berechnung der tatsächlichen Schadenshöhe.
Für den „manipulierten Anleger“ gibt es also durchaus Möglichkeiten, seinen durch strafbare Handlungen erlittenen Schaden zivilrechtlich ersetzt zu bekommen. Jedoch verbietet sich eine einheitliche Vorgehensweise. Vielmehr muss entsprechend den Konstellationen im Einzelfall einer individualisierten Strategie gefolgt werden, um nicht nur Recht zu haben, sondern auch Recht zu bekommen.