BGH statuiert Erlaubnis zum Lügen – XI. Zivilsenat erschwert Nachweis der Anlegertäuschung

BGH statuiert Erlaubnis zum Lügen – XI. Zivilsenat installiert hohe Hürden für Nachweis der Anlegertäuschung

In gleich zwei richtungsweisenden Urteilen (BGH, XI ZR 341/05 vom 5.12.2006 und XI ZR 209/04 vom 19.9.2006) hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) die Rechte von Anlegern bei Immobilienfinanzierungen deutlich eingeschränkt. Die Begründung: Aussagen von Vermittlern, die Kapitalanlagen als „sicher“, „risikolos“ oder „hervorragend geeignet“ für die Altersvorsorge bewerben, gelten als unverbindliche Werbeaussagen und nicht als täuschende Versprechungen. Für viele geprellte Anleger sind diese Entscheidungen ein herber Schlag – die rechtlichen Hürden für Schadensersatzansprüche sind dadurch massiv gestiegen.

Eine unfaire Realität für geschädigte Anleger

Betroffene Anleger geschlossener Immobilienfonds und sogenannter „Schrottimmobilien“ gehören meist nicht zur finanzstarken Elite, sondern zu einkommensschwachen Bevölkerungsschichten. Die Hoffnung, durch eine vermeintlich sichere Anlage für die Altersvorsorge vorzusorgen, führte viele in eine Schuldenfalle. Vermittler versprachen Traumrenditen, Wertsteigerungen und steuerliche Vorteile – Versprechen, die später nicht erfüllt wurden.

Die betroffenen Anleger sind oft finanziell und juristisch unerfahren. Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen unterschreibt einen Finanzierungsvertrag, nachdem ihm ein Vermittler zugesichert hat, dass die Mieteinnahmen sämtliche Kosten decken würden und die Immobilie problemlos mit Gewinn veräußerbar sei. Tatsächlich bleibt der Anleger später auf hohen Zinslasten sitzen, während der Wert der Immobilie sinkt. Doch trotz dieser enttäuschenden Realität gelten solche Versprechen laut BGH nicht als Täuschung – sie werden als unverbindliche, subjektive Einschätzungen eingestuft.

Die juristische Argumentation des BGH

Unverbindliche Werbeaussagen statt Täuschung
Der BGH argumentiert, dass Aussagen wie „risikolose Immobilie“ oder „hervorragend geeignet für die Altersvorsorge“ lediglich subjektive Werturteile seien. Solche Formulierungen haben laut den Richtern keinen objektiven Gehalt und sind daher nicht justiziabel. Konkret bedeutet das: Solange keine nachweisbaren, falschen Fakten über die Immobilie oder den Fonds gemacht werden, können Anleger nicht auf Täuschung klagen.

Beweislast liegt beim Anleger

Besonders belastend ist die Beweislastregelung. Anleger müssen nachweisen, dass der Vermittler konkrete, falsche Angaben zu wertbildenden Faktoren wie Verkehrswert, Finanzierungskosten oder Mieteinnahmen gemacht hat. Doch da viele Verträge und Prospekte nur vage gehalten sind, ist ein solcher Nachweis fast unmöglich.

Praktische Auswirkungen: Vermittler und Banken profitieren

Die Urteile begünstigen Vermittler, die mit bewusst schwammigen Aussagen und übertriebenen Versprechungen arbeiten. Solange keine präzisen und nachprüfbaren Angaben gemacht werden, bleiben Schadensersatzansprüche gegen Banken oder Vermittler meist erfolglos. Selbst wenn sich Prognosen wie „Wertsteigerung mit großer Wahrscheinlichkeit“ oder „ausreichende Mieteinnahmen“ als unrealistisch erweisen, reicht dies nach den Maßstäben des XI. Zivilsenats nicht aus, um eine Täuschung nachzuweisen.

Die finanzierenden Banken profitieren ebenfalls. Als Vertragspartner bleiben sie oft außen vor, da sie argumentieren können, keine Kenntnis von etwaigen Täuschungen gehabt zu haben. Die Folge: Viele Anleger bleiben auf ihren Verlusten sitzen.

Ein besonders problematischer Aspekt der Rechtsprechung betrifft die Haftung der Vermittler. Vermittler spielen eine zentrale Rolle bei der Anbahnung solcher Immobiliengeschäfte und sind oft die erste und einzige Informationsquelle für unerfahrene Anleger. Trotz dieser bedeutenden Rolle haben die Urteile des XI. Zivilsenats die rechtlichen Anforderungen an eine Haftung der Vermittler stark abgeschwächt.

Vermittler operieren häufig im sogenannten „Grauen Kapitalmarkt“, wo regulatorische Auflagen weniger streng sind und die Aufsicht lückenhaft ist. Dies schafft eine Grauzone, in der unseriöse Akteure mit übertriebenen und oft irreführenden Versprechen agieren können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Aussagen wie „Diese Immobilie wird garantiert im Wert steigen“ oder „Die Mieteinnahmen sind sicher“ werden in der Regel als nicht bindende Werbeaussagen eingestuft, was es den betroffenen Anlegern extrem schwer macht, Schadensersatz zu fordern.

Die rechtliche Argumentation des BGH lässt Vermittler weitgehend unbehelligt, solange sie keine nachweislich falschen Fakten nennen. Das Problem dabei: Viele Versprechen, die letztlich nicht eingehalten werden, sind schwer als konkrete Falschaussagen zu klassifizieren, weil sie oft in einem unverbindlichen Ton gehalten sind. Dies führt dazu, dass sich Vermittler leicht aus der Haftung ziehen können, selbst wenn sie offensichtliche Fehlberatungen vorgenommen haben.

Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht dies: Ein Vermittler versichert einem Anleger, dass der Immobilienkauf aufgrund der steuerlichen Vorteile und der langfristig stabilen Mietentwicklung eine sichere Anlage sei. Die tatsächliche wirtschaftliche Situation stellt sich jedoch später als völlig anders dar, da die Mieteinnahmen stark schwanken und die steuerlichen Vorteile durch Änderungen in der Gesetzgebung hinfällig werden. Trotz dieser gravierenden Fehleinschätzung bleibt der Vermittler rechtlich unangreifbar, da seine Aussagen als bloße Werbung angesehen werden.

Ein Blick in die Praxis

Ein konkretes Beispiel zeigt die Problematik: Eine alleinerziehende Mutter unterschreibt einen Kreditvertrag für eine Eigentumswohnung, nachdem ihr ein Vermittler versichert hat, dass die Mieteinnahmen sämtliche Kosten decken würden. Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist stellt sie fest, dass die Einnahmen nicht ausreichen, um die Darlehensraten zu bedienen, und sie verkauft die Immobilie mit Verlust. Vor Gericht scheitert sie jedoch, weil der Vermittler keine konkreten Zahlen zur Rentabilität der Wohnung genannt hatte. Seine Aussagen werden als bloße Werbeaussagen eingestuft – ein Urteil, das der Argumentation des XI. Zivilsenats entspricht.

Ein weiteres Beispiel ist der Fall eines Rentners, der auf eine vermeintlich sichere Altersvorsorge setzte. Der Vermittler versprach, dass die Immobilie eine sichere Rendite bringen würde, um die Altersvorsorge zu stärken. Doch aufgrund der Marktlage und unerwartet hoher Nebenkosten musste der Rentner schließlich Verluste hinnehmen. Der Rentner klagte gegen den Vermittler, konnte jedoch keinen Erfolg erzielen, da die Aussagen des Vermittlers vor Gericht als „subjektive Werturteile“ eingestuft wurden.

Fazit: Ein Kampf David gegen Goliath

Mittlerweile durch zwei Urteile (XI ZR 341/05 vom 05.12.2006 und XI ZR 209/04 vom 19.09.2006) hat der BGH durch die Hintertür für eine Endhaftung der Banken im Rahmen verbundener Immobilienfondsfinanzierungen bzw. institutionalisierter Zusammenarbeit im Rahmen von Immobilienfinanzierungen gesorgt. Der Trick: Die Anpreisungen der Vermittler, nach welchem sich die Kapitalanlage für sie rechne und für die Altersvorsorge geeignet sei, werden vom XI. Zivilsenat schlichtweg als nicht nachprüfbare Werbeanpreisungen behandelt, die zu keinerlei Täuschung des Anlegers führen konnten.

Die Opfer geschlossener Immobilienfondsbeteiligungen sowie von „Schrottimmobilien“ gehören üblicherweise den bildungsfernen, einkommensschwachen Bevölkerungsschichten an. Entgegen landläufiger Meinung handelt es sich üblicherweise nicht um gut verdienende „Zahnwälte“, die enorme Steuerersparnisse durch derartige Fondsbeteiligungen realisieren wollen, sondern um Kleinverdiener, die in Zeiten schwindender Rentenerwartung etwas für Ihre Altersvorsorge tun wollen. Die Vorbildung in finanziellen Fragen sowie in rechtlichen Fragen zu Risiken derartiger geschlossener Fondsmodelle ist, bedingt auch durch die Inhalte des schulischen Lehrsystems, gleich null. Vertiefte Rechenbemühungen zur Überprüfung einer einmal aufgestellten Rentabilitätsprognose werden von der angesprochenen Kundenschicht weder vorgenommen noch ist dies ernsthaft erwartet.
Vor diesem Hintergrund führen Anwälte und Gerichte quer durch die Republik, mit Abweichungen im Einzelfall, stets dieselbe Sachverhaltsdarstellung der geprellten Anleger:
Der Vermittler habe angegeben, es handele sich um eine risikolose Immobilie (wahlweise einen Immobilienfonds), die ihren Wert nicht nur erhalte, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit sogar noch steigere.

Nach dem Ende der Zinsfestschreibung des Darlehens könne eine Eigentumswohnung ohne Verlust verkauft und das Darlehen wieder zurückgeführt werden oder aber es werde eine Auszahlung aus der Fondsbeteiligung erfolgen, die den Anleger reich mache. Bis auf einen monatlichen Geringstbetrag würden die Kosten des Erwerbes der Wohnung oder des Fonds aufgefangen durch Mieteinnahmen und Steuervorteile. Die komplette Anlage sei hervorragend geeignet, für das Alter vorzusorgen und würde gleichzeitig noch Steuern sparen.
Nun sollte man meinen, wenn all dies nicht eintrifft, sei der Anleger arglistig getäuscht worden. wenn weder die Steuerersparnisse ausreichen noch die Mieteinnahmen so kräftig sprudeln, wie vom Vermittler behauptet und aus dem monatlichen Geringstbetrag einen Betrag von mehreren hundert Euro allein für die Zinsbelastung bei der Bank wird, darf sich der Anleger nach langläufiger Meinung zu Recht getäuscht fühlen.
Zu Unrecht, wie der BGH in den erwähnten Entscheidungen festgestellt hat. Denn:

Bei diesen Aussagen des Vermittlers handelt es sich lediglich um subjektive Werturteile und unverbindliche Anpreisungen, nicht aber um eine Täuschung durch die unrichtige Angabe zu dem Anlageobjekt. Die verwandten Attribute und unbestimmten Formulierungen wie etwa „risikolose“ Immobilie, die ihren Wert „mit großer Wahrscheinlichkeit sogar noch steigere“ und „hervorragend“ zur Altersvorsorge und Steuerersparnis geeignet“ sei sowie einen verlustfreien Verkauf und Rückführung des Darlehens bis Ende der Zinsfestschreibung ermögliche, haben ersichtlich werbenden Charakter. Es fehlt an der Darlegung konkreter wertbildender Merkmale der Immobilie, insbesondere zu ihrem Verkehrswert, den Finanzierungskosten sowie den versprochenen Mieteinnahmen und Steuervorteilen, welche objektiv nachprüfbar und einem Beweis zugänglich wären (BGH vom 19.09.2006 – XI ZR 209/04).

Ebenso schön bezogen auf einen Immobilienfonds (BGH vom 05.12.2006 – XI ZR 341/05):

Bei der angeblichen, unbewiesenen Erklärung des Vermittlers, der Fondsanteil könne bereits nach wenigen Jahren mit Gewinn verkauft werden, handelt es sich um eine Prognose. Insoweit fehlt es vollständig an der Darlegung konkreter unrichtiger Angaben des Vermittlers zu dem wertbildenden Faktoren des Immobilienfonds, welche objektiv nachprüfbar und einem Beweis zugänglich wären.

Solange der Vermittler also sich möglichst schwammig ausdrückt, das Objekt allgemein anpreist, übertreibend und marktschreierisch agiert, kann ein Anleger nicht mehr getäuscht werden und ein Einwendungsdurchgriff oder gar ein Schadenersatzanspruch gegenüber der finanzierenden Bank scheidet von vornherein aus.
Ob der III. Zivilsenat des BGH, zuständig für Vermittlerhaftung, sich diesen Ausführungen anschließt, bleibt abzuwarten. Angesichts der bewussten Gestaltung vieler Angebote des Grauen Kapitalmarktes als Blind-Pool mit möglichst wenig konkreten Angaben zur Investitionstätigkeit im Emissionsprospekt und der oftmals nur mangelhaften Schulung des Vertriebspersonals ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass der Anleger lediglich mit allgemein gehaltenen Anpreisungen zur Unterschrift verlockt wird. Bei konsequenter Anwendung der vom XI. Zivilsenat des BGH aufgestellten Grundsätze dürfte somit eine Vermittlerhaftung regelmäßig ausscheiden.

Tipps und Tricks

Der ursprüngliche Beitrag aus dem Jahr 2007, der sich mit der Haftung von Banken und Vermittlern im Kontext geschlossener Immobilienfonds beschäftigt, bleibt auch heute relevant. Die grundlegenden Prinzipien der Haftung und der Beweisführung haben sich nicht grundlegend verändert, jedoch gibt es einige wichtige Entwicklungen und Klarstellungen, die berücksichtigt werden sollten.

Aktuelle Rechtslage

Allgemeine Anpreisungen: Der BGH hat in seinen Entscheidungen klargestellt, dass allgemeine Anpreisungen von Kapitalanlagen nicht ausreichen, um eine Haftung zu begründen. Diese Anpreisungen werden oft als subjektive Werturteile betrachtet, die nicht automatisch zu einer Täuschung führen, solange sie nicht durch konkrete, nachprüfbare Informationen untermauert sind. Dies gilt weiterhin und ist entscheidend für die Bewertung von Haftungsansprüchen.

Schriftliche Unterlagen: Seit der Einführung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) sind für fast alle Kapitalanlagen schriftliche Unterlagen erforderlich. Diese Unterlagen müssen detaillierte Informationen über die Anlagebedingungen, Risiken und Chancen enthalten. Anleger können sich somit auf diese Dokumente stützen, um ihre Ansprüche zu untermauern.

Beweisbarkeit von Äußerungen: Die Beweisbarkeit zusätzlicher Äußerungen Dritter hat sich durch die Verbreitung digitaler Kommunikation verbessert. E-Mails, SMS oder Nachrichten über WhatsApp können als Beweismittel dienen und die Ansprüche der Anleger stärken. Dies steht im Einklang mit dem Grundsatz von Goethe: „Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ Schriftliche Nachweise sind entscheidend für die Durchsetzung von Ansprüchen.

Zusammenfassung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Haftung von Banken und Vermittlern im Bereich geschlossener Immobilienfonds haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Während die grundlegenden Prinzipien unverändert bleiben – insbesondere hinsichtlich der Unverbindlichkeit allgemeiner Anpreisungen – bieten neue gesetzliche Vorgaben und verbesserte Beweismöglichkeiten den Anlegern bessere Chancen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Daher ist es für Anleger wichtig, alle verfügbaren schriftlichen Informationen sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 170 vom 22. Februar 2007 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich