Interview zwischen Dr. iur. Thomas Schulte und Dr. iur. habil Erik Kraatz, Rechtsanwälte
Dr. Thomas Schulte: Herr Dr. Kraatz, was ist Negativ-SEO?
Dr. Erik Kraatz: Dass Negativ-SEO (negative Suchmaschinenoptimierung) längst zum Alltag gehört, ist spätestens seit Dezember 2011 allgegenwärtig, als der Betreiber der Domain holzspielzeug-discount.de aufgefordert wurde, 5.000,00 € zu zahlen, andernfalls würde seine Internetseite bei Google durch eine massenhafte Spam-Verlinkung derart abgewertet, dass er keine Umsätze mehr mache. Und im Jahr 2013 ging ein Berliner Online-Shop für Zigarren in die Öffentlichkeit, nachdem man dort festgestellt hatte, dass viele schädliche Links auf die Internetseite des Online-Shops gesetzt wurden; hier wurde mithilfe des Googles Penguin-Updates mithilfe von Ankertexten ein geringerer Suchmaschinenrang erzielt. Immer mehr Mandanten – Firmen und Privatpersonen – fragen hier nach Hilfe.
Dr. Erik Kraatz: Das Ranking und damit die Positionierung einer Internetseite, insbesondere eines über das Internet werbenden oder sogar Geschäfte abschließenden Unternehmens, sind von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Der Rang einer Internetseite in einer Suchmaschine wie Google wird maßgeblich durch die Verlinkung der Seite beeinflusst. Unternehmen kaufen daher teilweise Backlinks von gut gerankten, themenrelevanten Seiten ein und erreichen so eine bessere Platzierung ihrer eigenen Internetseite. Möglich und in letzter Zeit vermehrt angeboten wird aber auch das Negativ-SEO d. h., der Einsatz von Maßnahmen, um eine fremde Seite, z. B. die eines Konkurrenten im Ranking absteigen zu lassen. Dies erfolgt etwa durch die Verlinkung der Seite des Mitbewerbers mit minderwertigen Seiten, wie z. B. illegale Glückspielseiten oder Pornografieseiten oder auch über Linkfarmen unter Verwendung des immer gleichen Ankertextes, durch die Erstellung von Duplicaten Contents (auch Content Scraping) durch rufschädigende Seiten oder Manipulation der Autocomplete-Funktion, etwa durch Texte mit der Kombination des Konkurrenten mit dem Wort Betrug oder Gefängnis, durch gefakete Interviews oder Pressemitteilungen, die den anderen diskreditieren, bis hin zum Hacken und Verändern der anderen Seite.
Dr. Thomas Schulte: Also sind diese Aktionen, die gegen Dr-Schulte.de laufen mit den Verleumdungen…. Dr. Schulte ist Porno-Anwalt und so weiter auch Negativ-Seo?
Dr. Erik Kraatz: Na klar; Unlauterer Wettbewerb! Rechtlich kann Negativ-SEO zunächst einen unlauteren Wettbewerb durch herabsetzende Aussagen und gezielte Behinderung i. S. v. §§ 3, 4 Nrn. 8 und 10, 8, 9 UWG (Gesetz zur darstellen. So handelt etwa nach § 4 Nr. 8 UWG i. S. v. § 3 UWG unlauter, wer unwahre Tatsachen behauptet, die objektiv geeignet sind, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit eines Konkurrenten zu schädigen. Nach § 4 Nr. 10 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Behinderung ist dabei jede Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten, wenn der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Ist eine solche Zwecksetzung nicht festzustellen, muss die Behinderung jedenfalls derart sein, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann, was aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles und einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen ist. Zwar liegt alleine bei einer Einflussnahme auf Suchmaschinen zum Abfangen von Kunden noch keine unlautere Behinderung der fremden Seite vor. Anlass ist dies jedoch, wenn hierfür Techniken eingesetzt werden, die nicht mehr als Suchmaschinenoptimierung, sondern als eine nicht mehr tolerable Suchmaschinenmanipulation anzusehen sind. Das ist nach dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urt. v. 18.06.2009, Az. 4 U 53/09, insbesondere dann der Fall, wenn zum einen die Namen von Konkurrenten und anderen Personen für die Suchmaschinenoptimierung eingesetzt werden, zum anderen, wenn für den Nutzer nicht sichtbare Seiten, die für die Suchmaschine sichtbar sind, installiert werden, um in den Suchlisten ein höheres Ranking zu erzielen. Beim Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen dem Betreiber oder Auftraggeber von Negativ-SEO und dem Betreiber der angegriffenen Seite besteht somit ein Unterlassungs- und notfalls auch Schadensersatzanspruch des Geschädigten.
Dr. Thomas Schulte: Herr Dr. Kraatz, wenn man einen anderen zerstört und ihn öffentlich als Verbrecher verleumdet und sich Gemeinheiten der härtesten Art ausdenkt, dann soll das ein wenig „unlauterer Wettbewerb“ sein?
Dr. Erik Kraatz: Nun ja, das ist eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
Ein deliktischer Schadensersatzanspruch des Geschädigten ergibt sich hierbei insbesondere aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch i. S. e. vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Denn der „Angreifer“ greift bewusst in die Geschäftsbeziehungen eines anderen oder den guten Ruf eines anderen ein um dessen wirtschaftliche Beziehungen zu behindern oder sogar zu zerstören. Dieses Verhalten ist sittenwidrig.
Dr. Schulte: Was ist mit Verleumdung und Beleidigung im Sinne von §§ 185, 186 StGB?
Dr. Erik Kraatz: Strafrechtlich wird Negativ-SEO maßgeblich verfolgt, wenn es mittels beleidigender oder verleumderischer Aussagen im Internet betrieben wird, sei es durch Blockeinträge oder sei es durch eigene verleumderische Internetseiten. Zwar sind Internetbeiträge grundsätzlich von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt, die Grenzen sind jedoch dort erreicht, wo unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen getätigt werden (§ 186 StGB) oder wo Meinungsäußerungen die Grenze zur Schmähkritik überschreiten, weil sie bewusst darauf abzielen, die Persönlichkeit des anderen herabzusetzen und zu diffamieren. Vor diesem Hintergrund zulässig ist etwa noch die Bewertung im Internet, der Geschäftsinhaber betreibe einen „miserablen Service“ (LG Köln, Urt. v. 08.05.2013, Az. 28 O 452/12). Unzulässig sind demgegenüber Aussagen, die das Maß überspannen, wie die Bewertung „VORSICHT!!!! beide Steuergeräte defekt Vorsicht lieber woanders kaufen!“ (AG Bonn, Urt. v. 09.01.2013, Az. 113 C 28/12), oder bewusste ehrverletzende Aussagen, wie, dass etwa ein Anwalt einen Schadensfall selbst herbeigeführt habe, „Porno-Anwalt“ sei, bald seine Zulassung verliere, „Schattenvorstand“ einer Betrügerbude sei oder die Betitelung bspw. eines Anwalts oder einer Anwaltskanzlei mit „Mister Mandantenabzocker“, „Mister Mandantenfang“ oder dass jemand als Anwalt „einfach eine Schande sei“. Gleiches gilt, wenn i. S. eines Identitätsdiebstahls ein vermeintliches Interview mit dem Geschädigten getätigt und ihm hierbei bestimmte Aussagen in den Mund gelegt werden.
Dr. Schulte: Was ist mit Computersabotage?
Dr. Kraatz: Bei bestimmten Negativ-SEO-Additionen wird sogar das Computernetzwerk des Betroffenen zum Absturz gebracht, so z. B. durch eine DDoS-Attacke über ein sog. „Botnetz“, was dann als Computersabotage nach § 303b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 StGB strafbar ist. So verurteilte das LG Düsseldorf am 22.03.2011, Az. 3 KLs 1/11, einen computerbegeisterten Täter, der bewusst einzelne Webseiten lahmzulegen drohte, verbunden mit einer Zahlungsaufforderung und im Falle der Nichtzahlung tatsächlich lahmlegte, mit 2 Jahren und 10 Monaten Freiheitsentzug.
Fazit: Die Schädigung von Konkurrenten mittels Negativ-SEO ist ein neuer Trend, der jedoch zuweilen den rechtlich zulässigen Rahmen überschreitet und nicht nur zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich zieht, sondern sogar Strafbarkeiten. Dies zeigt, dass Negativ-SEO keineswegs ein normaler Geschäftsbetrieb, sondern vielmehr ein strafrechtlich relevantes Tun.
Dr. Schulte: Wie kann man rechtlich und technisch vorgehen gegen Negativ-Seo?
Dr. Erik Kraatz: Hier kann nur eine starke IT Firma und ein qualifizierte rechtliche Begleitung. Wir helfen gerne. Das dauert zwar, ist aber effektiv.