Geheimnisse der ZPO - Dr. Thomas Schulte

Das Geheimnis des Anerkenntnisse im Sinne der ZPO

Eine Entdeckungstour durch die Zivilprozessordnung – Einfach erklärt für Nichtjuristen 

Stellen wir uns vor: Jemand fährt ein paar Wochen in den Urlaub. Eine bestellte Lieferung kommt nach Hause, mit Rechnungen und ein paar Wochen später eine Mahnung. Alles verdrängt und vergessen im Sommertrubel. Plötzlich läuft ein Gerichtsverfahren und ein Anerkenntnis bietet die Lösung, jetzt schnell und preiswert, die Klage vom Hals zu bekommen. 

Was ist ein Anerkenntnis?

Ein Anerkenntnis ist im rechtlichen Sinne das Eingeständnis einer Partei, dass der gegen sie geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht,  ganz oder teilweise anerkennt. Mit anderen Worten: Der Beklagte gibt zu, dass die Forderung des Klägers berechtigt ist. Diese Prozesshandlung führt in der Regel zu einem Anerkenntnisurteil, ohne dass es einer weiteren Beweisaufnahme bedarf. Doch was genau bedeutet das, und warum sollten Sie als Beklagter – oder überraschenderweise auch als Kläger – einen solchen Schritt gehen? Ein Blick auf § 307 Satz 1 der ZPO klärt die grundsätzliche Regel: „Erkennt eine Partei den gegen, sie geltend gemachten Anspruch an, ist sie ‚dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen‘.“ Die Formulierung „eine Partei“ statt „der Beklagte“ mag auf den ersten Blick verwundern, aber sie spiegelt die Neutralität des Gesetzgebers wider, da auch ein Kläger einem Anspruch aus einer Widerklage zustimmen kann (Einführung zur Widerklage siehe Huber, JuS 2007, 1079).

Doch warum sollte jemand einen Anspruch erst anerkennen, anstatt ihn von vornherein zu erfüllen? Schließlich verleiht das Anerkenntnisurteil dem Gegner einen sofort vollstreckbaren Titel (§§ 704 I, 708 Nr. 1 ZPO). Die Lösung dieses Rätsels ist spannender, als man denkt und verspricht tiefe Einblicke in taktische Erwägungen und rechtliche Überlegungen.

Rechtsnatur des Anerkenntnisses

Gemäß § 307 ZPO handelt es sich beim Anerkenntnis um eine Prozesshandlung, die nur solche Ansprüche betrifft, die rechtshängig sind, also bereits vor Gericht geltend gemacht wurden. Ein Anerkenntnis unterscheidet sich von einem materiell-rechtlichen Rechtsgeschäft, das gegenüber der Gegenpartei erklärt wird. Es ist eine einseitige Prozesshandlung, die gegenüber dem Gericht abgegeben wird und sich nach dem Prozessrecht richtet.

Zeitpunkt und Form des Anerkenntnisses

Ein Anerkenntnis kann in jeder Instanz des Verfahrens abgegeben werden, also auch noch in der Berufungs- oder Revisionsinstanz​​. Wichtig ist, dass das Anerkenntnis gegenüber dem Prozessgericht erklärt wird. Eine Erklärung gegenüber einem beauftragten oder ersuchten Richter genügt nicht. Im schriftlichen Vorverfahren oder im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 und 3 ZPO ist das Anerkenntnis schriftlich zu erklären.

Unbedingtheit der Erklärung

Ein Anerkenntnis muss unbedingt sein, das heißt, es darf nicht unter einer Bedingung stehen​. Eine Bedingung liegt vor, wenn der Beklagte sein Anerkenntnis von einem Ereignis abhängig macht, das in der Zukunft liegt und ungewiss ist. Zulässig ist allerdings ein Anerkenntnis unter dem Vorbehalt der Aufrechnung mit einer Gegenforderung oder der Rechte im Urkundenprozess

Protokollierung des Anerkenntnisses

Das Anerkenntnis muss nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehalten werden​​. Die Wirksamkeit des Anerkenntnisses hängt jedoch nicht von der Protokollierung ab. Kommt es bei fehlender Protokollierung zu einem Streit darüber, ob ein Anerkenntnis abgegeben wurde und welchen Inhalt es hatte, muss eine Beweisaufnahme stattfinden​.

Unwirksamkeitsgründe

Ein Anerkenntnis kann aus verschiedenen Gründen unwirksam sein. Zum einen muss es von einem Prozessbevollmächtigten erklärt werden, wenn Anwaltszwang besteht​​. Zum anderen darf der Beklagte nur insoweit ein Anerkenntnis abgeben, wie er dispositionsbefugt ist, also rechtlich befugt, über den Anspruch zu verfügen. Beispielsweise ist in Ehesachen ein Anerkenntnis ausdrücklich ausgeschlossen​. Zudem darf das Anerkenntnis keine verbotene Rechtsfolge haben oder den guten Sitten widersprechen. Im Grunde ist ein Anerkenntnis die Möglichkeit einer Partei, ihren Parteiwillen zu erklären und entlastet zugleich die Gerichte von weiteren Prüfungsschritten. Rechtsgeschichtlich kannte bereits das römische Recht diese Möglichkeit des Vorgehens eines Beklagten. Richtig haarig werden aber falsche Anerkenntnisse, da streiten dann die Juristen seit den Zeiten des alten Roms, ob so etwas möglich sein kann. 

Beispiel für ein Anerkenntnis

Stellen wir uns folgenden Fall vor: Herr Müller hat von Frau Schneider die Lieferung von 100 Gartenstühlen zum Preis von 5.000 Euro bestellt. Die Lieferung erfolgt pünktlich, jedoch stellt Herr Müller später fest, dass er die Stühle nicht bezahlen kann und Frau Schneider klagt auf Zahlung. Vor Gericht erkennt Herr Müller den Anspruch der Frau Schneider an, indem er erklärt, dass er die 5.000 Euro schuldet und diese Forderung berechtigt ist. Das Gericht erlässt daraufhin ein Anerkenntnisurteil, ohne dass es einer weiteren Beweisaufnahme bedarf. Herr Müller hat damit die Forderung anerkannt und ist verpflichtet, den Betrag zu zahlen. Gegebenenfalls kann zwischen den Parteien zusätzlich eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen werden.

Bedeutung des Anerkenntnisses

Ein Anerkenntnis kann verschiedene strategische Vorteile haben. Für den Beklagten ermöglicht es, einen Rechtsstreit schnell und kostengünstig zu beenden. Es spart Zeit und Prozesskosten, da keine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. Für den Kläger bedeutet ein Anerkenntnis, dass er schnell zu einem vollstreckbaren Titel kommt, der ihm die Durchsetzung seines Anspruchs erleichtert.

Fazit: das Anerkenntnis als Schlüssel zur schnellen und effizienten Streitbeilegung

Im Dickicht der juristischen Auseinandersetzungen kann das Anerkenntnis als Leuchtturm der Klarheit und Effizienz dienen. Als ein wesentliches Instrument im Zivilprozess ermöglicht es sowohl Klägern als auch Beklagten, langwierige Verfahren abzukürzen und direkte Lösungen zu erreichen. Anstatt sich durch die Mühsal einer umfangreichen Beweisaufnahme zu kämpfen, erlaubt das Anerkenntnis den Parteien, ihre Differenzen schnell zu klären und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Die Vorteile eines Anerkenntnisses liegen auf der Hand: Es spart Zeit, reduziert Kosten und minimiert das Prozessrisiko. Durch die Vermeidung eines langwierigen Verfahrens und die direkte Schaffung eines vollstreckbaren Titels können Parteien ihre Ressourcen besser einsetzen und sich wieder auf ihre wesentlichen Angelegenheiten konzentrieren. Jedoch ist Vorsicht geboten, denn die Wirksamkeit des Anerkenntnisses hängt von der Einhaltung formaler Anforderungen ab, und Unwirksamkeitsgründe können das gesamte Verfahren ins Wanken bringen.

Daher ist es unerlässlich, in Erwägung eines Anerkenntnisses den Rat eines erfahrenen Juristen einzuholen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die eigenen Rechte gewahrt bleiben und die bestmögliche Strategie verfolgt wird. In der Balance zwischen rechtlicher Vorsicht und prozessualer Effizienz stellt das Anerkenntnis somit einen mächtigen Hebel dar, der den Zivilprozess entscheidend gestalten kann. Lassen Sie sich von diesem Instrument leiten und navigieren Sie mit klarem Kurs durch die Untiefen der juristischen Auseinandersetzung. 

Anerkenntnisse sind als der Rettungsanker, um Geld zu sparen und eine Abkürzung zu gehen. Das Gericht belohnt durch einen teilweise Niederschlagung von Gerichtskosten. Richtig haarig werden aber falsche Anerkenntnisse, da streiten dann die Juristen seit den Zeiten des alten Roms, ob so etwas möglich ist.  Aber das ist ein anderes Thema. 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 9402 vom 14. August 2024 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich