Durch Entscheidung des europäischen Gerichtshofs (EUGH) könnte die Rückgabe von „Schrottimmobilien“ an die Bank ohne Abzahlung der Finanzierungskredite endlich Realität werden
Tausende Deutsche sitzen auf „Schrottimmobilien“. Diese überteuerten Eigentumswohnungen wurden im Strukturvertrieb vor allem in der Zeit der Wende bis Mitte der neunziger Jahre mit der passenden Kreditfinanzierung am Wohnzimmertisch an den kleinen Mann gebracht. Gelockt wurde mit angeblichen Steuervorteilen. Heute sind die meisten Anleger enttäuscht, da häufig ein hoher Kredit aufgenommen wurde, die Wohnung aber nicht oder nur schwer vermietet werden kann. Zugleich waren die Wohnungen häufig zu einem völlig unrealistischen Wert verkauft worden. Viele Anleger sind verzweifelt. Rechtsstreitigkeiten verschiedener Art waren die Folge. Den Geschädigten blieben häufig nur noch die finanzierenden Banken als Klagegegner über, da sämtliche andere Vertragspartner inzwischen insolvent waren. Es half daher den Eigentümern der Schrottimmobilie wenig, dass erfolgreich Verkäufer oder Vermittler oder andere Beteiligte verklagt werden konnten. Diese Urteile waren aufgrund der Insolvenz der Beteiligten häufig nicht vollstreckbar. Der einzige Anspruchsgegner, der nicht in die Knie gehen würde, sind und waren die Banken in der Bundesrepublik Deutschland, die aufgrund der Finanzierungen tolle Gewinne einstreichen konnten. Das deutsche Kreditrecht schützt aber eher die Banken. Was tun?
Die erste Hilfe nahte mit dem „Heininger-Urteil“ des EuGH das die deutschen Kollisionsnormen zwischen Haustür- und Verbraucherkreditwiderrufsrecht, die zur beiderseitigen Neutralisierung führte, für europarechtswidrig erklärte und es ermöglichte, den Kreditvertrag wegen des Haustürgeschäfts zu widerrufen. Die Rechtsfolgen waren unvertretbar: Nach § 3 Haustürwiderrufsgesetz a.F. (§ 357 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) sind die Anleger verpflichtet, die Darlehen statt ratenweise sofort zurückzuzahlen. Sie bleiben zudem, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, an den Schrottimmobilien hängen, da diese vom Widerruf mangels verbundenen Geschäfts, wie der Gesetzgeber nun in § 358 Abs.3 BGB nochmals klarstellte, unberührt bleiben. Diese Rechtsauffassung ist sehr stark kritisiert worden und könnte bankenfreundlicher nicht sein: Eine erfolgreiche Klage führt nur dazu, dass der erfolgreiche Kläger die Schrottimmobilie behält und den Kredit sofort zurückzahlen muss. Durch die Ausübung eines Verbraucherschutzrechtes werden die Verbraucher in Deutschland also schlechter gestellt.
Dies führte dazu, dass die Landgericht Berlin, Bremen und Oldenburg der verbraucherfeindlichen Rechtsprechung ihre Gefolgschaft kündigten und den Verbraucher statt zur Kreditrückzahlung nur zur Besitzübergabe der Immobilie verpflichtete unter Rückerhalt des Kaufpreises.
Während viele dieser Urteile vom Bundesgerichtshof aufgehoben wurden, hat das Landgericht Bochum beim Europäischen Gerichtshof angefragt, ob diese Handhabung der Widerrufsfolgen durch den Bundesgerichtshof mit der europäischen Haustürwiderrufsrichtlinie vereinbar sei (Rechtssache C-350/03). Ein Justizkrimi wird deutlich: In zwei „Nichtvorlagebeschlüssen“ belehrt der Bundesgerichtshof das Landgericht Bochum wegen der Eindeutigkeit seiner Rechtsansicht – eine andere Sicht durch den EuGH sei „ausgeschlossen“.
Die Europäische Kommission indes hat in ihrer Stellungnahme dem Bundesgerichtshof vorgeworfen, die Richtlinie und das „Heininger-Urteil“ ihrer Wirkung zu berauben durch eine „formal und mechanische“ Rechtsprechung, „ohne sich auch nur im mindesten an den Gründen des Verbraucherschutzes“ auszurichten, sodass dies vor dem EuGH nachgeholt werden müsse. Zugleich zeigt die Kommission auf, dass das deutsche Recht so ausgelegt werden könne, dass dem Anleger die Rückgewähr der Darlehensvaluta, die an den Verkäufer ging, unmöglich sei, sodass er nur deren Surrogat in Form des Immobilienbesitzes, zurückzugeben habe. Damit ohrfeigt der EuGH den Bundesgerichtshof. Im Ergebnis bedeutet dieses: Die Banken erhalten die Wohnungen, der Anleger sein Geld zurück, der Kredit fällt weg. Angesichts der Bedeutung hunderttausender deutscher Verbraucher hat die Kommission den EuGH um eine schnelle Entscheidung gebeten. Mit diesem Weg würden die endlich die Geschädigten eine Möglichkeit haben erfolgreich gegen Banken vorzugehen und die ungeliebte Immobilie loszuwerden. Diese Entscheidung ist auch sachlich richtig, da die finanzierenden Banken anders als die Geschädigten in den neunziger Jahren sehr wohl wussten oder ahnten, dass die Kunden unter falschen Voraussetzungen teuere Eigentumswohnungen erwerben.