Die Idee, Risiken im Zusammenhang mit dem Seehandel zu versichern, gibt es schon lange. Schon die Hansekaufleute taten sich zusammen, um gemeinsam Schiffe zu betreiben. Vorteil war: Wenn ein Schiff unterging, so traf diese Belastung alle gemeinsam und stellte somit keinen Totalverlust dar. Die Devise lautete also Risikostreuung durch gemeinsames Handeln. Klingt schlau, war schlau.
Weshalb floppen dann die heutigen Schiffsfonds mehrheitlich oder ganzheitlich und bedeuten für die schiffs- und kommanditbeteiligten Gesellschafter einen Totalverlust?
Zunächst liegt der Unterschied darin, dass die heutigen Beteiligten in Schiffsfonds einfache Investoren sind, die keine Affinität zur Schiffsbranche und / oder zum Seehandel haben und über keine Expertise im technischen noch wirtschaftlichen Bereich in dieser Branche verfügen. Die heutigen Investoren sind also keine Kaufleute, sondern Privatanleger.
Zweiter Unterschied: Hansekaufleute gründeten aus einer Notwendigkeit heraus Schiffsfonds
Während die Anleger von heute Geld zum Sparen zur Verfügung haben, also ohne Geschäftskalkül agieren. Das Geld liegt daher wohl lockerer in der Tasche, wird generöser ausgegeben. Der Frage, ob die Investition tatsächlich so solide ist, wie sie auf den ersten Blick scheint, wird vielleicht nicht so sehr nachgegangen, wie es der Fall wäre, wenn man tatsächlich aufgrund seiner Geschäftstätigkeit, von der das eigene Einkommen und auch das Einkommen sämtlicher Arbeitnehmer betroffen ist. Mithin Investitionen in Schiffsbeteiligungen sind heute Privatsache zur Aufstockung der Altersvorsorge.
Dritter Unterschied: Schiffsfonds als Steuersparmodell
Dieser Unterschied ist vielfältig und komplex, aber kann grob unter geopolitisch eingestuft werden. In den 2000er-Jahren, also zwischen 2000 und 2010, gab es einen Boom für Schiffsbeteiligungen. Dieser Boom war menschengemacht bzw. politikergemacht, denn wegen steuerlicher Begünstigungen konnten diese Beteiligungen als Steuersparmodell vertrieben werden. Nicht wenige Steuerberater haben ihre Kunden darauf hingewiesen, dass zum Zwecke der Steuerersparnis solche Schiffsfonds gezeichnet werden könnten. Anfängliche Verluste, die jeder Schiffsfonds aufgrund des Schiffskaufs zu verzeichnen hat, ist natürlich eine sehr attraktive Aussicht.
Schöne Zahlen und Renditen – Blick durch die „Steuerspar-Brille“
Rechtanwältin von Bredow von der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team hierzu: „Leider sprechen die Erfahrungswerte nur eine Sprache und bestätigen die Schlussfolgerung, dass viele Anleger nicht daran interessiert sind, ob die Geschäftsidee wirklich gut ist. Denn eine 100%ige steuerliche Absetzung bedeutet schon einmal eine Nivellierung des eingesetzten Kapitals und Gewinns. Wenn im Laufe der Zeit eine minimale Chance besteht, auch noch Gewinne daraus zu erzielen, dann hat sich die Investition ja schon gelohnt.“
Gerade hier liegt dann auch die weitere Folge: Zum einen waren viele Schiffsbeteiligungen nicht gut durchdacht, es wurde nicht so viel Wert darauf gelegt, gute neuwertige Schiffe als Beteiligungsschiff zu halten. Es ging vornehmlich darum, generelle Aspekte zu erfüllen. Ein Schiff muss gekauft werden, es muss für die ersten Jahre ein Chartervertrag bestehen, evtl. mit dem Anschluss einer Charter-Pool-Vereinbarung – und ansonsten ein schicker Prospekt mit einer netten Renditeerwartung. Dass daraus nicht immer qualitativ hochwertige Schiffsfondsbeteiligungen mit einer wirklich soliden Renditeerwartung die Folge sind, liegt auf der Hand.
Rechtsanwältin Julia von Bredow gibt zu bedenken: „Des Weiteren führte diese steuerliche Begünstigung auch dazu, dass Deutschland plötzlich eine Explosion von neu gebauten Schiffen zu vermelden hatte. Denn letztlich konnten die Reeder jährlich neue Schiffsbeteiligungen auf den Markt bringen, jährlich neue Schiffe bauen und die Gewinne einstreichen, ohne darauf zu achten, ob vielleicht in 15 Jahren eine Überkapazität an Schiffen vorliegt. Und genau das ist dann passiert. Ein paar Jahre später gab es sehr viele neue Schiffe, die alle um denselben Markt konkurrierten, und daher sich gegenseitig die Charteraufträge quasi wegnahmen. Diese sog. „Schiffsblase“ wurde dann im Zuge der weltweiten Finanzkrise verschärft, und genau ab diesem Zeitpunkt fingen die ersten Fonds an, in finanzielle Schieflagen zu geraten.“
Die Krise begann mit der Lehmann Brothers Pleite. Was in diesem Zusammenhang betrachtet werden sollte, ist die einschlägige Rechtsprechung nach dem 16.9.2008 (Lehman Brothers Pleite löst den Beginn der andauernden Schifffahrtskrise international aus).
Fazit: Idee der Hansekaufleute war zum Überleben wichtig – Marktausbau bis zur Schiffsfonds-Blase führt zum Totalverlust
Daraus kann letztlich der Schluss gezogen werden: Für die hohe Zahl an gebauten Schiffen gab es keine Marktnachfrage, wohl aber genügend Kapital, das verschwendet wurde. Hansekaufleute hätten in heutige Schiffsbeteiligungen wohl nicht investiert.