Ein Promotionsstudium im Ausland wird mit Prestige und einer großen Herausforderung assoziiert. Die, die diesen Schritt wagen, ernten meist Bewunderung. Schließlich erfordert eine wissenschaftliche Arbeit in einem fremden Land und in einer Fremdsprache viel Engagement und Arbeit.
Sollte man meinen, oder? Diese Gedanken hatte auch der Herr M. Nach seinem Medizinstudium in Heidelberg beschloss er an der Staatlichen Universität in Moskau zu promovieren. Drei Jahre lang forschte und schrieb er seine Dissertation.
Diese endlich abgegeben und verteidigt, präsentierte er voller Stolz den mit Schweiß und Mühe erlangten Doktortitel. Neue Visitenkarten mit einem eindrucksvollen „Dr.“ vor dem Namen wurden gedruckt, ein neues Namensschild wurde am Praxisschild und dem Briefkasten angehängt.
Kurz darauf findet er darin ein Schreiben der Staatsanwaltschaft. Dr. M. wird beschuldigt, den Straftatbestand des § 132a StGB (Missbrauch von Titeln) verwirklicht zu haben. Der Grund dafür: Den Doktortitel hatte er stets in Originalform und mit Herkunftsbezeichnung anzugeben. Empört wendet sich Herr M. an einen Rechtsanwalt. Er fühle sich ungerecht behandelt, schließlich hat er wie jeder andere Promotionsstudent in Deutschland hart an seiner Dissertation gearbeitet.
Der Fall des Herrn M. ist leider keine Seltenheit. Gründe für eine strafrechtliche Verfolgung können unterschiedlich sein: entweder wird die Universität, an der der Titel erlangt wurde, nicht anerkannt oder dieser wurde von dem Beschuldigten falsch geführt, sei es weil die Originalform des Hochschulgrades nicht angegeben wurde oder die Herkunftsbezeichnung fehlte.
Die Verpflichtung zur Führung von Titeln in Originalform ergibt sich aus den Regelungen der jeweiligen Hochschulgesetze der Länder, die Ausfluss des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 14.04.2000 über die Grundsätze für die Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade sind. Hier wird in Ziffer 1 geregelt, dass ausländische Hochschulgrade grundsätzlich in Originalform und mit Angabe der Herkunft angegeben werden müssen. Herr M. müsste somit „kandidat medicinskich nauk“ (Staatliche Universität Moskau) auf seinem Praxisschild stehen haben.
Grund für diese Regelungen ist, es zu vermeiden, dass die rechtliche Position, die ein deutscher akademischer Grad vermittelt, durch die Benutzung gleicher oder ähnlicher Bezeichnungen, deren Erwerb aber nicht an gleichwertige wissenschaftliche Qualifikationen geknüpft ist, entwertet wird. Die Allgemeinheit soll die Gewissheit haben, dass auch der Träger eines ausländischen akademischen Grades diesen unter Voraussetzungen erworben hat, die denen im Inland vergleichbar sind (OVG Schleswig- Holstein Az. 3 L 120/93).
Da aber natürlich auch ausländische Grade denen in Deutschland gleichwertig sein können, sieht die Kultusministerkonferenz für in ausgewählten Ländern erlangte Hochschulgrade mit ihrem Beschluss vom 21.09.2001 Ausnahmen vor. So ist es unproblematisch mit Titeln, die innerhalb der Europäischen Union erlangt wurden. Nach Ziffer 1 des Beschlusses dürfen hier die Hochschulgrade in der Originalform und ohne Herkunftsbezeichnung geführt werden. Ziffer 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen auch die Abkürzung „Dr.“ ohne den fachlichen Zusatz angegeben werden kann.
Auch für nicht EU-Staaten gibt es Ausnahmeregelungen. So können bestimmte in Russland erlangte Titel mit der Abkürzung „Dr.“ ersetzt werden. Zu beachten ist aber, dass dies nur für ausgewählte Grade bestimmter Fachgebiete gilt. Diese werden unter Ziffer 3.1. des genannten Beschlusses aufgezählt. Ähnliche Regelungen gelten für Titel die in den USA, Kanada, Australien uä. vergeben werden.
Dr. M. hat Glück. Sein Titel fällt unter die Ausnahmeregelung. Er darf die Abkürzung Dr. führen, muss aber darauf achten, die Herkunft des Titels anzugeben.
Fazit: Bevor ein Promotionsstudium im Ausland geplant wird, sollte umfangreich über die Anerkennung der Universität als auch die Art der Führung des Titels recherchiert werden. Nicht nur die einzelnen Ausnahmeregelungen der Kultusministerkonferenz sollten dabei beachtet werden, sondern auch alle zwischenstaatliche Abkommen der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich und die aktuelle Rechtsprechung.
Der ganze Text auch in polnischer Sprache – übersetzt von Patrycja Mika Referendarin am KG Berlin
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