Gerichtsentscheidungen können Internetportale zwingen
Das Oberlandesgericht Oldenburg, Az. 13 W 16/19, Urteil vom 1. Juli 2019 zwingt Facebook einen gelöschten Post wiederherzustellen.
Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat jetzt in einem Eilverfahren Facebook dazu verpflichtet, einen ursprünglich gelöschten Post wieder einzustellen. Das Recht der Meinungsfreiheit werde sonst in unzulässigem Maße eingeschränkt, so die Richter.
Der klagende Facebook-Nutzer hatte auf seinem Account ein Mitglied des Zentralrats der Muslime kritisiert und es als feige bezeichnet, dass dieser bestimmte Informationen aus dem Netz wieder gelöscht hatte. Hintergrund war, dass das Mitglied des Zentralrats sich negativ über eine Islamkritikerin geäußert hatte.
Facebook löschte die Kritik des Klägers. Die aufgestellten Behauptungen seien unwahr und beleidigend. Es handele sich um „Hassrede“.
Nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz müssen Internetplattformen wie Facebook rechtswidrige Kommentare löschen. „Hassreden“ sollen nicht im Netz stehenbleiben dürfen. Auch nach den Geschäftsbedingungen von Facebook sind „Hassreden“ verboten. Dabei kann es aber manchmal schwierig sein, festzustellen, ob ein Kommentar rechtswidrig ist oder nicht.
Das Landgericht wies den Antrag des Klägers, Facebook zur Wiedereinstellung des Beitrags zu verpflichten, zurück. Dagegen zog der Kläger vor das Oberlandesgericht Oldenburg. Nachdem der Kläger die von ihm behaupteten Tatsachen belegt hatte, hatte er Erfolg. Weder die Darstellung richtiger Tatsachen noch die Bewertung einer Handlung als feige seien rechtswidrig. Die Bewertung stelle eine zulässige Meinungsäußerung dar.
Facebook müsse auch bei der Anwendung seiner Geschäftsbedingungen im Einzelfall abwägen, ob das Persönlichkeitsrecht einer Person mehr Gewicht zukomme als der Schutz der Meinungsfreiheit einer anderen Person. Vorliegend sei die Grenze zur „Hassrede“ noch nicht überschritten. Die Sache sei auch dringlich, so dass im Wege einer einstweiligen Anordnung entschieden werden müsse, so der Senat. Denn anderenfalls laufe der Kläger Gefahr, dass Facebook einen nächsten, ähnlichen Post wiederum löschen und damit dem Kläger die Möglichkeit nehmen würde, seine Meinung frei zu äußern.
Youtube muss ebenfalls ein Video wieder zeigen
Nach einer Mitteilung der AfD-Bundestagsfraktion hat diese vor dem Berliner Kammergericht eine wichtige Entscheidung erwirkt – Löschung von Video war rechtswidrig. Das hatte ein Gericht entschieden.
Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag war in einem Rechtsstreit, in dem es um die Löschung eines Videos der Fraktion durch die Videoplattform YouTube ging, vor dem Kammergericht Berlin (10 W 172/18, Beschluss vom 22.03.2019) erfolgreich. Damit wurde YouTube erstmals die Entfernung eines rechtmäßigen Inhalts untersagt. Zweitinstanzlich steht nun fest, dass die Plattform das von der Fraktion veröffentlichte Video nicht löschen durfte. Bei Zuwiderhandlungen gegen die einstweilige Verfügung des Kammergerichts droht YouTube ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft. YouTube hatte die Löschung des Videos und den zeitlich begrenzten Ausschluss der AfD-Fraktion von der Funktion des Livestreaming unter anderem mit dem Verstoß gegen sogenannte Community-Richtlinien begründet, die keine „hasserfüllten Inhalte“ zuließen.
Hass sei gar nicht zu sehen, sagt das Kammergericht
Darauf, so das Kammergericht, könne sich YouTube nicht berufen, da das Video „evident keine ‚Hasserfüllten Inhalte‘ nach der Definition der Antragsgegnerin enthält“. Auch Verstöße gegen die im Netzwerkdurchsetzungsgesetz aufgeführten Straftatbestände seien „ganz offensichtlich nicht erfüllt“.
Rechtliche Einschätzung – wichtige Entscheidungen der Gerichte
Die Meinungsfreiheit ist ein extrem wichtiges Gut (Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes). Diese Meinungsfreiheit verpflichtet aber nicht private Unternehmen. Demos auf der öffentlichen Straße sind zulässig, Demos in privaten Räumen wie Einkaufszentren aber nicht.
Digitales Hausrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat einmal ausgeführt (anderer Zusammenhang): es handelt sich um einen Fall der „mittelbaren Grundrechtsbindung, der auch Private und Privatunternehmen – insbesondere nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung und auf der Grundlage von staatlichen Schutzpflichten – unterworfen sind. Während diese auf einer prinzipiellen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bürger beruht, dient jene dem Ausgleich bürgerlicher Freiheitssphären untereinander und ist damit von vornherein relativ. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirkung der Grundrechte und damit die – sei es mittelbare, sei es unmittelbare – Inpflichtnahme Privater in jedem Fall weniger weit reicht. Je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung kann die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates vielmehr nahe oder auch gleich kommen. Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die – wie die Sicherstellung der Post- und Telekommunikationsdienstleistungen – früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren. Wieweit dieses heute in Bezug auf die Versammlungsfreiheit oder die Freiheit der Meinungsäußerung auch für materiell private Unternehmen gilt, die einen öffentlichen Verkehr eröffnen und damit Orte der allgemeinen Kommunikation schaffen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Folgt man dann dem Bundesverfassungsgericht in diesen Erwägungen spricht vieles dafür, dass ein Beitrag nicht einfach gelöscht werden kann und die Entscheidung von Youtube doch gerichtlich überprüft werden kann.
Wer so wichtig ist in der virtuellen Welt muss sich dort gerichtlich überprüfbaren Regeln unterwerfen. Dabei geht es nicht um die Frage, welche politische Richtung jemand vertritt, sondern um das grundsätzliche Recht auf Meinungsfreiheit.
Tipps und Tricks – juristische Voraussetzungen
die Plattform hat niemand darf irgendwas willkürlich löschen.
die Plattform hat eine große Bedeutung für die Meinungsbildung.
Dann ist eine gerichtliche Überprüfung möglich.
Was war nochmal das Netzwerkdurchsetzungsgesetz?
Ziel des Gesetzes ist die Bekämpfung strafbarer Inhalte, vor allem von Äußerungsdelikten, in sozialen Netzwerken. Das Gesetz richtet sich dabei ausschließlich
und damit verengend an Betreiber großer Netzwerke, denen eine Reihe von sanktionsbewehrten Verpflichtungen bezüglich ihres Kontroll- und Beschwerdemanagements
auferlegt werden; insbesondere müssen „offensichtlich rechtswidriges Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden. Entsprechende Verfahren waren von den Betreibern bis zum 1. Januar 2018 einzuführen.