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Finanzieller Striptease

Letzter Ausweg Eidesstattliche Versicherung – und ein weitgehend unbekannter Trick

 
Soweit ist das Prozedere allgemein bekannt und gefürchtet: Kommt ein Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreiben, die oftmals mit dem unheilvollen Werk des Gerichtsvollziehers endet. Um deutlich zu machen, dass man wirklich über keine Möglichkeiten verfügt, seine Verbindlichkeiten zu begleichen, muss eine vollständige Offenlegung des verbliebenen „Vermögens“ in Form eines amtlichen Vermögensverzeichnisses erfolgen.

Die korrekte Bezeichnung „Eidesstattliche Versicherung betreffend die Vollständigkeit und Richtigkeit der im Vermögensverzeichnis gemachten Angaben“ vermag kaum darüber hinwegzutrösten, dass dieser finanzielle Striptease mit oftmals unangenehmen Folgen einhergeht. Das gilt sowohl für die zukünftige Kreditwürdigkeit, als auch die Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz und die allgemeine persönliche Außendarstellung.
Die Eidesstattliche Versicherung, oftmals auch noch als Offenbarungseid oder lapidar als „Offenbacher“ tituliert, ist aber oft der einzige Weg, um beispielsweise auf dem Wege der Privatinsolvenz eine dauerhafte Entschuldung zu erreichen. Sie soll den Gläubigern eine Übersicht über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners verschaffen, damit sie prüfen können, ob – und gegebenenfalls welche – Vollstreckungsmaßnahmen Erfolgsaussichten haben.
Viele Schuldner sind jedoch nicht freiwillig zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung zu bewegen. Aus diesem Grund kann auf Antrag des Gläubigers gegen einen Schuldner, der zum Abgabetermin unentschuldigt nicht erschienen ist oder die Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung unberechtigterweise verweigert, vom zuständigen Amtsgericht Haftbefehl erlassen werden. Mit dem Haftbefehl geht die Erlaubnis einher, die Wohnung des Schuldners zwangsweise zu betreten und diese nach dem Schuldner zu durchsuchen. Der Gerichtsvollzieher kann den abgabeunwilligen Schuldner verhaften und bis zu sechs Monaten in einer Haftanstalt unterbringen. Gibt der Schuldner die eidesstattliche Versicherung nunmehr ab, ist die Haft sofort zu beenden.
In der Praxis gibt der überwiegende Teil der Schuldner die Eidesstattliche Versicherung bei Vorliegen des Haftbefehls ab, so dass sich die Inhaftierung erübrigt. Die tatsächliche Haftvollstreckung ist bei weit weniger als einem Prozent der ergangenen Haftbefehle erforderlich.
Eine real existente Möglichkeit, wie die drohende Erklärung von professionellen Betrügern umgangen werden kann, ist allerdings weithin unbekannt: Nach dem Begehen einer (vorsätzlichen) Straftat gegen fremdes Vermögen wird das Geld „beiseite geschafft“ und der Täter lässt sich verhaften. Denn sitzt man als Schuldner bereits in Haft, hat man gute Aussichten, die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung zu vermeiden, indem man die Erklärung schlichtweg verweigert. Die Erzwingung zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung durch den Gläubiger läuft ins Leere.
Die Folgen einer solchen Taktik treffen die Geschädigten: Zwar wurde der Täter für seine Tat verurteilt und inhaftiert, der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch wurde vor Gericht erfolgreich eingeklagt – doch die Vollstreckung schlägt fehl. Man muss warten, bis der Täter entlassen wird. Das kann sehr lange dauern. Und selbst dann gibt es wieder das bekannte Problem: Gemäß § 156 StGB wird die Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Eidesstattlichen Versicherung mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Bei Fahrlässigkeit droht immer noch bis zu einem Jahr Arrestierung. Ihre Vermögenswerte haben die Opfer so aber noch lange nicht erhalten. Manchmal kann ein Gang ins Gefängnis also auch eine Investition in die (ferne) Zukunft sein, die sich mit dem erschlichenen Kapital angenehm gestalten lässt.
Der Gläubiger hat also keine Möglichkeit Vermögenswerte über die eidesstattliche Versicherung an das Licht zu bringen. Jemand, der bereits im Gefängnis sitzt, kann nicht gezwungen werden, sein Vermögen zu offenbaren. Ein echter Trick, der in der Rechtspraxis auch genutzt wird.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 193 vom 21. Dezember 2006 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich