Gefährliche Aktienempfehlungen in WhatsApp-Gruppen: Neue Masche oder alter Betrug im digitalen Gewand?
Die digitale Revolution hat die Art, wie Anleger Informationen austauschen, grundlegend verändert – und bietet leider auch neuen Raum für Missbrauch. Immer häufiger tauchen konkrete Aktienempfehlungen in Messenger-Diensten wie WhatsApp auf, die vermeintlich schnelle Gewinne versprechen. Doch hinter der scheinbar hilfreichen Empfehlung verstecken sich oft betrügerische Absichten und erhebliche Risiken für Anleger. Diese alarmierende Entwicklung blieb auch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht verborgen, die jüngst explizit vor solchen unseriösen Praktiken warnte.
Die rechtliche Einordnung der WhatsApp-Aktienempfehlungen
Grundlage jedweder Aktivität auf dem Finanzmarkt ist in Deutschland das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), welches insbesondere in § 4a WpHG die Anforderungen an Empfehlungen zu Finanzinstrumenten regelt. Hierbei unterscheidet der Gesetzgeber klar zwischen neutralen Informationen und Empfehlungen, die darauf abzielen, den Kurs bestimmter Wertpapiere zu beeinflussen. Der Gesetzeswortlaut des § 4a Abs. 1 WpHG lautet:
„Wer eine Empfehlung mit der Behauptung verbreitet, dass sie neutral oder unabhängig erstellt wurde, muss sicherstellen, dass diese Eigenschaft tatsächlich zutrifft, insbesondere dass keine Interessenkonflikte bestehen.“
Gerade hinter dieser Norm verbergen sich zahlreiche Schutzmechanismen für Anlegerinnen und Anleger, die sicherstellen sollen, dass manipulatives Verhalten auf den Kapitalmärkten nicht unentdeckt bleibt.
Wenn nun innerhalb privater Gruppen in Messengerdiensten wie WhatsApp von angeblichen Finanzexperten konkrete Kauftipps lanciert werden, befinden wir uns schnell in einem Graubereich, der strafrechtlich sowie zivilrechtlich relevante Folgen haben kann. Nicht selten steht hierbei der Verdacht auf Marktmanipulation nach Art. 12 der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) im Raum. In besonders schweren Fällen kann diese sogar nach § 119 WpHG strafrechtlich verfolgt werden.
Prominente Namen für dubiose Zwecke missbraucht
Besonders perfide ist eine Methode, die man im juristischen Sinne als „Identitätsmissbrauch“ bezeichnen kann. Hierbei bedienen sich die Urheber der manipulativen Nachrichten prominenter Persönlichkeiten der Finanzszene, um Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Die Namen dieser Experten werden in gefälschten Profilen verwendet, um ein vermeintlich fundiertes Vertrauen zu erwecken. Für die Geschädigten – sowohl aufseiten der irregeführten Anleger als auch der betroffenen Persönlichkeiten – ergibt sich häufig ein hoher Reputationsschaden.
„Wenn der gute Name eines Experten missbräuchlich verwendet wird, liegt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor“, erklärt Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin. „Unabhängig davon können in solchen Fällen auch zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB geltend gemacht werden.“
Anlocken durch unrealistische Gewinnversprechen
Ein weiteres alarmierendes Warnsignal sind die unrealistischen Renditeversprechen: Gewinne im zweistelligen Bereich innerhalb weniger Tage und Aussagen wie „jetzt kaufen, bevor der Kurs explodiert“ sind typische Merkmale für aggressive Anlagewerbung, die nicht zum regulatorischen Rahmen des europäischen Finanzmarktrechts passt. Nach der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) und deren nationaler Umsetzung unter anderem im § 63 WpHG müssen anlegergerechte Informationen wahrheitsgemäß, verständlich und nicht irreführend sein.
Leider entsprechen diese WhatsApp-Nachrichten aber oftmals nicht einmal im Ansatz diesen Vorgaben. Vielmehr handelt es sich um eindeutig interessengeleitete Inhalte, bei denen der Absender selbst von steigenden Kursen profitiert – Stichwort: „Pump and Dump“-Strategien. Hierbei werden zunächst durch künstlich erzeugte Nachfrage die Kurse von bestimmten Aktien nach oben befördert, nur damit die Initiatoren anschließend ihre eigenen Anteile mit Gewinn verkaufen – mit dem Effekt, dass der Kurs abrupt einbricht und andere Anleger erhebliche Verluste erleiden.
Freiverkehr und exotische Aktien – was Anleger wissen sollten
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass viele der beworbenen Aktien im sogenannten Freiverkehr gehandelt werden. Die Aktien der Canaan Inc. (ISIN: US1347481020) sind beispielsweise in Deutschland zwar an diversen Börsen wie Frankfurt oder Tradegate notiert, doch der Freiverkehr unterliegt einer deutlich geringeren Regulierung als der regulierte Markt.
Noch kritischer wird es bei Aktien ausländischer Unternehmen, wie etwa der Springview Holding (ISIN: KYG837611097) oder Lichen China Ltd. (ISIN: KYG5479G1082), die derzeit zum Zeitpunkt der BaFin-Warnung noch gar nicht auf deutschen Handelsplätzen gelistet sind. „Gerade Aktien mit ISIN-Kürzel KYG, das auf die Cayman Islands verweist, bergen besonders hohe Risiken in sich, weil dort andere Offenlegungsvorschriften gelten und ein effektiver Rechtsschutz kaum durchsetzbar ist“, so Dr. Schulte.
Rechtlicher Schutz durch Information und Aufklärung
Was können Anlegerinnen und Anleger tun, um sich effektiv zu schützen? Zunächst gilt es, sich der Informationsquelle bewusst zu sein. Eine nicht verifizierbare Empfehlung in einem Messenger-Dienst sollte niemals die Grundlage einer Investitionsentscheidung bilden. Der Gesetzgeber hat dies durch die Einführung umfassender Informationspflichten ausdrücklich geregelt. Im § 63 Abs. 6 WpHG heißt es:
„Informationen, die (…) über Finanzinstrumente (…) zur Verfügung gestellt werden, müssen sachlich richtig und nicht irreführend sein.“
Dr. Thomas Schulte ergänzt: „Anleger sollten sich nicht auf einzelne Informationen verlassen, egal wie glaubwürdig sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Die rechtliche Realität ist klar: Wer sich ohne überprüfbare Quellen auf geheime Tipps verlässt, geht erhebliche Risiken ein.“
Aufsichtsrechtliche Einordnung – die Rolle der BaFin
Die BaFin nimmt ihre Aufsichtsfunktion dabei sehr ernst. Sie ist verpflichtet, Missstände auf den Kapitalmärkten aufzudecken und Anleger zu schützen. Auch wenn ihr rechtlicher Handlungsspielraum bei Aktivitäten in sozialen Netzwerken begrenzt ist, zeigt sie durch öffentliche Warnungen wie diese, dass sie sensibilisiert ist für moderne Manipulationsmechanismen.
Dabei handelt es sich keineswegs um eine Panikmache, sondern um gezielte, präventive Maßnahmen. Dr. Schulte weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass laut § 37 Absatz 4 WpHG die BaFin auch verpflichtet ist, die Öffentlichkeit bei Betrugsfällen zu warnen, insbesondere wenn Unternehmen irreführend tätig sind.
Digitale Kommunikation ist kein rechtsfreier Raum
„Viele Nutzer unterschätzen die Tragweite von Nachrichten, die über WhatsApp, Telegram oder andere Plattformen verbreitet werden“, erklärt Dr. Schulte. „Doch auch hier greifen die Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Kapitalmarktrechts. Wer falsche Informationen verbreitet, kann sich strafbar machen.“
Insbesondere § 263 StGB (Betrug) und § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) kommen zum Tragen, wenn durch falsche Angaben über den Wert oder die Ertragsaussichten von Finanzanlagen eine falsche Entscheidung beim Anleger herbeigeführt wird.
Gerade jüngere Anleger, die Sozialen Medien vertraut sind, zählen zur Hauptzielgruppe solcher manipulativer Informationen. „Daher gehört zur Prävention auch die Aufklärung im digitalen Raum“, betont Dr. Thomas Schulte.
Fazit: Besonnenheit siegt – prüfen statt tippen
In einer Zeit, in der Informationen schnell und ungefiltert über private Kanäle geteilt werden, ist es unerlässlich, die rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge hinter einer Empfehlung zu hinterfragen. Nicht jeder Tipp ist gut gemeint, manche fallen unter bewusst irreführende Marktmanipulation.
Der Gesetzgeber hat klare Regelungen geschaffen, um Anleger zu schützen. Es liegt nun auch an jeder Anlegerin und jedem Anleger selbst, mit Bedacht und Weitsicht zu handeln. Wer Zweifel hat, sollte immer eine unabhängige juristische Prüfung in Erwägung ziehen.
Offizieller Link zur BaFin-Warnung
https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2025/meldung_2025_03_28_Aktienempfehlungen_WhatsApp.html