Das marktbürgerorientierte Rechtssicherheitspostulat In der Gemeinschaft zu einem verträglichen, sicheren und effektiven Gewässerschutz – von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Umweltschutz ist ein noch recht junges Thema und die gezielte Ableitung und großtechnische Abwasserbeseitigung begann erst Mitte des letzten Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit sind die einzuhaltenden Umweltstandards immer weiter verschärft worden. Die Fragen des Umwelt- und Gewässerschutzes werden in einer weiteren Weiterbildungsveranstaltung mit rechtlicher Diskussion erörtert und sind wichtige Themen für die Vorbereitung und Durchführung von Projekten. Wasserrechtsexperte und Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte zeigt am Beispiel des Dümmers (zweitgrößter See in Niedersachsen) welche Auswirkungen zum „Umkippen“ geführt haben; (Diskussionsbeiträge des Herrn der Algen Cordes zur Reinigung des Dümmers mittels Flusskläranlagen)
Reinigung von Gewässern – Wieso?
Geschichtlich ist belegt, dass der Mensch Flüsse aufgrund ihres Selbstreinigungspotentials als Vorfluter für geklärte oder sogar ungeklärte Industrie- und Haushaltsabwässer nutzte. Ihre Aufgabe ist es, durch biologische und chemische Verfahren die Restkonzentrationen an Phosphor, Stickstoff und Schwebstoffen zu eliminieren. Von Phosphor oder Stickstoff hängt nach dem „Minimumgesetz“ von Justus v. Liebig in den meisten Fällen die Intensität des Algenwachstums in dem aufnehmenden Vorfluter ab. Das erhöhte Algenwachstum hat negative Auswirkungen auf die Gewässerqualität (Eutrophierung des Gewässers). Abgestorbene Algen werden durch Bakterien unter Verbrauch von Sauerstoff abgebaut. Dieser natürliche Prozess kann durch die Überdüngung mit Phosphor und Stickstoff so gestört werden, dass im Extremfall entstehender Sauerstoffmangel zum „Umkippen“ des Gewässers führt.
Das marktbürgerorientierte Rechtssicherheitspostulat
Der EuGH erhöht die Anforderungen an den Umsetzungsaufwand, wenn mit der Richtlinie subjektive Rechte für die Marktbürger und/oder strikte Pflichten, wie z.B. die Einhaltung von Umweltgrenzwerten oder Verbote verbunden sind. Einen Schwerpunkt bildet dann die Publizität der Maßnahmen, damit der einzelne sich über seine gemeinschaftlich begründeten Rechte und Pflichten informieren kann. Dazu ist es notwendig, dass eine Veröffentlichung in einem geeigneten Publikationsorgan durchgeführt wird. Wenn die Richtlinie subjektive Rechte des einzelnen begründen will, muss die Umsetzungsmaßnahme daneben zwingender Natur sein, um dem Begünstigten die Möglichkeit zu eröffnen, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen.
Daneben verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass auch in dem Falle, dass Pflichten einzelner begründet werden sollen, durch eine zwingende Rechtsnorm ein großes Maß an Verbindlichkeit erreicht wird. Dieses Kriterium der Rechtssicherheit ist nur gegeben, wenn die subjektiven Rechte und zwingenden Pflichten in einer innerstaatlichen Rechtsnorm unmittelbar verankert sind, die selbst unstreitig unmittelbare Außenwirkung entwickelt. In diesen Fällen hat der EuGH einen Rechtssatzvorbehalt aufgestellt.
Die weitergehenden europarechtlichen Anforderungen
Der EuGH hat weitere Anforderungen an die Umsetzung der Richtlinien in das nationale Recht gestellt. Er hat ein Diskriminierungsverbot des Inhalts ausgesprochen, nach dem einer mitgliedstaatlichen Umsetzungsmaßnahme rangmäßig diejenige Rechtsqualität zugemessen werden muss, die das nationale Recht in dem Rechtsgebiet bisher hatte.
Rechtsanwalt und Wasserrechtsexperte Dr. Thomas Schulte weist darauf hin, dass die geschilderten Anforderungen des EuGH an den Umsetzungsaufwand strikt verfolgt werden. So ist es den Mitgliedstaaten verwehrt, sich bezüglich der mangelhaften Umsetzung der Richtlinien auf interne Probleme seiner Rechtsordnung zu berufen, zu denken ist etwa an die Verzögerungen, die durch die Notwendigkeit eines umfassenden gesetzgeberischen Aktes entstehen. Daneben wurden der häufige Regierungswechsel, die große Zahl der richtlinienbedingten Verpflichtungen, innerstaatliche juristische Kontroversen, Probleme bei der Kompetenzverteilung oder institutionelle Reformen für unbeachtlich erklärt.
Miteinander einen verträglichen Schutz der Gewässer – rechtliche Regelungen
Hieraus folgt, dass die Mitgliedstaaten sich nicht auf Umstände, Übungen oder Bestimmungen der internen Rechtsordnung – auch solche von nationalem Verfassungsrang – berufen können, um damit die Nichtbeachtung von gemeinschaftlichen Pflichten zu begründen. Als Rechtfertigung scheidet daneben die mangelhafte Umsetzung von Richtlinien durch andere Mitgliedstaaten der Gemeinschaft aus. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Richtlinienwirkung keine Auswirkung auf die mitgliedstaatliche Umsetzungsverpflichtung. Selbst wenn die Richtlinie unmittelbare Wirkung entfaltet, sind die Mitgliedstaaten nicht von der Notwendigkeit der korrekten Umsetzung entlastet. Nach Auffassung des Gerichts stellt die unmittelbare Wirkung von Richtlinien eine Mindestgarantie zugunsten der durch die mangelnde Umsetzung benachteiligten Marktbürger dar, die jedoch nicht die Verletzung des Art. 189 Abs. 3 EGV heilen kann.
Effektivität und Rechtssicherheit
Als Ergebnis dieser Betrachtung ist festzuhalten, dass durch die Rechtsprechung des EuGH an die Rechtsform des Umsetzung Aktes je nach seinem Inhalt unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Neben dem Grundsatz der Effektivität und der Rechtssicherheit stehen die weiteren europarechtlichen Anforderungen, die Nichtdiskriminierung und der Grundsatz der Unbeachtlichkeit innerstaatlicher Rechtfertigungsgründe. Das genannte Rechtssicherheitspostulat wird marktbürgerorientiert aufgewertet, so dass die Gebote der Publizität und der Verbindlichkeit höheren Anforderungen unterliegen, wenn die Richtlinie die Begründung subjektiver Rechte einzelner oder die Auferlegung konkreter Pflichten erforderlich macht. In diesem Falle wurde ein Rechtssatzvorbehalt aufgestellt.