Die europarechtlichen Anforderungen an die Rechtsnormqualität und die Vorgaben an die inhaltliche Bestimmtheit der Umsetzungsnorm für die Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie – von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte
In der Vergangenheit galt Deutschland schon als Vorreiter beim Gewässerschutz. Im Rahmen einer weiteren Seminarreihe in den Berliner Kanzleiräumen Dr. Schulte und sein Team befassen sich technische Umweltschutzexperten und Juristen mit Fragen rund um das Umweltrecht und speziell dem Gewässerschutz. Rechtsanwalt und Wasserrechtexperte Dr. Thomas Schulte führt aus, dass Deutschland als Vorreiter im Bereich Gewässerschutz aus europäischer Sicht angesehen wird. Geschichtlich kann festgehalten werden, dass vor Erlass der Kommunalabwasserrichtlinie im Jahre 1991 die EG bereits seit 1973 eine Vielzahl von direkt dem Gewässerschutz dienender Richtlinien verabschiedet hatte.
Die Ableitung und Reinigung kommunaler Abwässer war jedoch bis zu diesem Zeitpunkt europaweit nicht geregelt. Dieser Umstand, die wirtschaftlichen und geographischen Ungleichheiten innerhalb der EG und die unterschiedlichen Auffassungen über die Stellung des Umweltschutzes bewirkten, dass die kommunale Abwasserbeseitigungs-Infrastruktur höchst unterschiedlich entwickelt war.
Umsetzung – Zielerreichung – Verantwortung der nationalen Organen
So wurden in der Bundesrepublik bereits Mitte der achtziger Jahre die Vor- und Nachteile einer flächendeckenden Einführung der weitergehend den zu diesem Zeitpunkt erreichten Standard der mechanisch-biologischen Reinigung der kommunalen Abwässer umgesetzt. Zwar konnte der weitere Nährstoffeintrag in die Binnengewässer und in Nord- und Ostsee nicht verhindert werden. Aus diesem Grund waren vielfach die schädlichen Einflüsse der Überdüngung bemerkbar, die die Gewässerqualität beeinträchtigten.
Die „Zielverbindlichkeit“ der Richtlinie lässt sich am besten im Sinne eines Ergebnisses der Richtlinienumsetzung in Form eines rechtlichen, wirtschaftlichen und/oder sozialen Gesamtzusammenhangs deuten, dessen juristische Erreichung in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt wird.
Die „Wahl der Form und Mittel“ zur Zielerreichung wird durch die Bestimmung des EGV geregelt und definiert, dass den nationalen Organen die Umsetzung überantwortet ist. Die Mitgliedstaaten können durch ihre Kenntnis des eigenen Rechtssystems am besten beurteilen, wie das Richtlinienziel am steuerungswirksamsten im nationalen Recht erreicht werden kann.
Konzeption und Rechtsangleichung zum Richtlinienziel
In der Entschließung des europäischen Rates über den Schutz der Nordsee und anderer Gewässer vom 28. Juni 1988 (88/C 209/02) griff die EG die aktuellen Entwicklungen auf. Der Rat nahm hier mit Besorgnis das starke Algenwachstum im Mai und Juni 1988 in Nord- und Ostsee und das ausgedehnte Robbensterben zur Kenntnis. Er wies in diesem Zusammenhang auf die starken Nährstoffeinträge in die Gewässer hin und forderte deshalb die Kommission auf, Vorschläge für Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zur Reinigung von kommunalem Abwasser zu unterbreiten. Hierbei sollten die Ergebnisse des Ministerseminars, das am 27. und 28. Juni 1988 in Frankfurt veranstaltet worden war“, Berücksichtigung finden.
Dabei trifft die Kommunalabwasserrichtlinie auf die Besonderheiten des deutschen Abwasserbeseitigungsrechts: In der Bundesrepublik hat sich im Bereich des Abwasserbeseitigungsrechts ein differenziertes, aufgrund der Gesetzgebungskompetenzen landesrechtlich weit ausgefächertes Rechtssystem herausgebildet, das sich unterschiedlicher Regelungstechniken bedient. Über diese Normenvielfalt hinaus weist das deutsche Wasserrecht als Technikrecht eine typische Regelungsstruktur auf.
Rechtsnormqualität der Umsetzung
Geschichtlich bleibt festzuhalten, dass Ende der 80ziger der Rat den Richtlinienvorschlag gemäß Art. 130s EWGV dem Europäischen Parlament sowie dem Wirtschafts- und Sozialausschuss mit der Bitte um Stellungnahme übermittelte.
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss gab am 25. April 1990 seine Stellungnahme ab“, in der er die Initiative begrüßte, aber zu bedenken gab, dass eine Dreiteilung der Gewässer in „empfindliche, normale und weniger empfindliche“ auf die Dauer dazu führen könne, dass in Küstengewässern auf die biologische Klärung verzichtet werden würde. Vielmehr sei es sinnvoll, durch finanzielle Unterstützung und Streckung der Fristen einen einheitlichen Stand zu erreichen. Entsprechend diesem Konzept regte der Wirtschafts- und Sozialausschuss daneben an, zuerst große Kommunen zu erfassen, zu versuchen, die Abwassermenge zu verringern und ökonomische Instrumente zur Abwasserbeseitigung einzuführen.
Das Europäische Parlament billigte in seiner Stellungnahme vom 13. September 1990 den Richtlinienvorschlag ebenfalls und schlug fünfundfünfzig Änderungen vor. Die Änderungen betrafen im Wesentlichen die Straffung der Fristen und die Erhöhung der Anforderungen. Die Entfernung von Stickstoff und Phosphor sollte in „empfindlichen Gebieten“ erfolgen, für die Einstufung eines Gebietes als „weniger empfindlich“ sollten höhere Anforderungen aufgestellt werden. Die ausschließlich mechanische Reinigung sollte zeitlich befristet werden. Daneben sollten industrielle Direkteinleitungen nur noch dann erlaubt werden, wenn das kommunale Abwasser vergleichbar wäre. Durch die Änderungen wurden die Anforderungen des Richtlinien Vorschlages erheblich verschärft.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte gibt zu bedenken, dass angesichts der Rechtsprechung zu Art. 189 Abs. 3 EGV die jetzige Regelungsstruktur erhalten bleiben kann, zweifelhaft ist, da der EuGH sowohl Anforderungen an die Rechtsnormqualität der Umsetzungsakte als auch an die inhaltliche Ausgestaltung des materiellen Rechts aufgestellt hat. Wie die hohe Zahl an Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinien, denen sich die Mitgliedstaaten ausgeliefert sehen, zeigt, haben die Mitgliedstaaten auch erhebliche Schwierigkeiten, diesen hohen Anforderungen des EuGH zu entsprechen.
Diskussionsgegenstand waren die Anforderungen an den Umsetzungsaufwand und Auswirkungen auf das Umsetzungsermessen bezüglich der Kommunalabwasserrichtlinie. Dies wird im weiteren Verlauf der Untersuchung zu klären sein. Dabei werden zunächst die Anforderungen an die Rechtsnormqualität und im Anschluss daran die Vorgaben an die inhaltliche Bestimmtheit der Umsetzungsnorm erörtert, wobei Überschneidungen nicht zu vermeiden sind.