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GmbH-Recht – BGH modifiziert die Rechtsgrundlage

GmbH-Recht – BGH modifiziert die Rechtsgrundlage für eine Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff

Der Bundesgerichtshof (BGH) widmet sich, unabhängig von der geplanten Novellierung des „Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ (GmbHG), aus aktuellem Anlass einem Kernproblem im GmbH-Recht: Die Bundesrichter verdeutlichen in ihrer Entscheidung vom 16. Juli 2007 die bislang eigenständige und nicht zuletzt deshalb unklare Rechtsfigur des „existenzvernichtenden Eingriffs“, und stärken daraus resultierende Ansprüche gegenüber anderen, aus dem GmbH-Gesetz abzuleitenden Erstattungsansprüchen.

Wer als Gesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter die Existenz der Gesellschaft „sittenwidrig und vorsätzlich“ vernichtet, kann persönlich haftbar gemacht werden. Meist ist es der einzige oder ein beherrschender Gesellschafter, der die Pleite der Gesellschaft verursacht oder verstärkt, und wenn dies missbräuchlich, gegen die Interessen der Gläubiger geschieht, dann handelt es sich um einen so genannten existenzvernichtenden Eingriff. Das kann beispielsweise durch Vermögensentnahmen oder auch durch besonders riskante Geschäfte geschehen. Aufgrund solchen Verhaltens kann ein Geschäftsführer oder Mehrheitsgesellschafter persönlich haftbar gemacht werden. Entstanden ist diese Rechtsfigur erst vor sechs Jahren, im Fall der Pleite der Bremer Vulkan-Werft („Bremer-Vulkan“-Entscheidung: BGHZ 149,10).

Der Bundesgerichtshof ließ seiner Erfindung nun eine „kritische Würdigung“ zukommen und vereindeutigte mit dem aktuellen Urteil das Konzept der Existenzvernichtungshaftung im Hinblick auf Anspruchsgrundlage und Berechtigte. Die Richter bestätigen zunächst die Notwendigkeit einer Existenzvernichtungshaftung, koppeln die vormals eigenständige Rechtsfigur aber jetzt eindeutig und ausschließlich als Sonderfall einer „sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung“ gemäß § 826 an das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Somit besteht endlich Klarheit über die Anspruchsgrundlage. Die Kleidung in Gestalt einer „schadensrechtlichen Innenhaftung“ des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft macht deutlich, wer diese Haftung geltend machen kann.

Existenzvernichtende Eingriffe von der Weser bis an die Ostsee

Eingeführt wurde die Figur des existenzvernichtenden Eingriffs mit dem so genannten „Bremer Vulkan“-Urteil des BGH vom 17. September 2001 (II ZR 178/91, BGHZ 149, 10). Damals ging es um die Pleite der Bremer Vulkan-Werft. Der BGH stellte dazu fest: „Der Schutz einer abhängigen GmbH gegen Eingriffe ihres Alleingesellschafters folgt nicht dem Haftungssystem des Konzernrechts des Aktienrechts (§§ 291 ff., 311 ff. AktG), sondern ist auf die Erhaltung ihres Stammkapitals und die Gewährleistung ihres Bestandsschutzes beschränkt, der eine angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der GmbH erfordert. An einer solchen Rücksichtnahme fehlt es, wenn die GmbH infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann. […]“ Die Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff war geboren.

In den folgenden Jahren wurde das Konzept der Existenzvernichtunsghaftung zwar in mehreren Urteilen weiterentwickelt, aber erst der aktuelle Fall eines Hotelbetriebs in Rostock veranlasste den BGH zu einer grundsätzlichen Analyse des Haftungskonzepts, das nun in einigen wesentlichen Punkten geändert wird.

Der Eigentümer des Hotelgrundstückes hat dieses nacheinander an verschiedene Gesellschaften, an denen er selbst erheblich beteiligt war, verpachtet beziehungsweise den Hotelbetrieb an jene übertragen. Der Insolvenzverwalter einer dieser Gesellschaften klagte gegen den Eigentümer auf Zahlung der rund 1,4 Millionen Euro Schulden der Gesellschaft. Der Kläger führte neben Konzernhaftung, Geschäftsführerhaftung und Delikt vor allem den Anspruch aus Existenzvernichtungshaftung ins Feld. Der Grundstückseigner habe zunächst seiner Mutter das Hotel-Inventar als Sicherheit für ein Darlehen in Höhe von 150.000 DM übereignet. Dann habe er aufgrund von Zahlungsausfällen den Pachtvertrag gekündigt und überdies dem Pachtnachfolger ermöglicht, die vereinbarte Umsatzbeteiligung von 40% für die Vorgänger-Gesellschaft in weniger als einem Jahr um mehr als ein Viertel zu kürzen. Damit habe er diese in den Ruin getrieben. Dieser Argumentation folgten sowohl das Landgericht Rostock als auch in nächster Instanz das Oberlandesgericht, wobei letzteres in der Berufung die Haftungsansprüche ausschließlich aus der Existenzvernichtungshaftung begründete. Die Gegenseite meldete Revision an, allerdings hob der BGH an dieser Stelle das Berufungsurteil wegen Verfahrensfehlern auf und verwies den Fall zurück an das Oberlandesgericht Rostock. Hier ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen, und der BGH liefert zur erneuten Beweisaufnahme und Verhandlung gleich eine neue Rechtsgrundlage mit.

Mehr Klarheit für alle, eine Stärkung der Gläubigerinteressen und ein kleines Schlupfloch für haftende Gesellschafter

Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass er das Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur im Zusammenhang mit dem Missbrauch der Rechtsform „GmbH“ aufgebe und die Existenzvernichtunsghaftung stattdessen an „die missbräuchliche Schädigung des im Interesse der Gläubiger zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens“ knüpfe. Bisher wurde diese Haftung meist als so genannte Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgestaltet, – und sie war mit einer Klausel versehen, die diese Haftungsansprüche denen aus dem GmbH-Gesetz unterordnete. Mit der Beschreibung als Innenhaftung stellt der BGH nun klar, dass es sich in jedem Fall um eine Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft handelt, die im Insolvenzfall in der Regel vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird. Die Schadensersatzansprüche aus Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB werden zudem gegenüber den Ausgleichsansprüchen gemäß §§ 31, 30 GmbHG nicht mehr nachrangig behandelt, sondern treten bei Überschneidungen gleichberechtigt in Konkurrenz zu diesen.

Der BGH schafft mit seiner Entscheidung also nicht nur mehr Klarheit in einem schwierigen Kernproblem des GmbH-Rechts, sondern stärkt auch die Position der Gläubiger, die eventuelle Ansprüche aus Existenzvernichtungshaftung bisher nur individuell und außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen konnten. Jetzt kann der Insolvenzverwalter sofort zur Tat schreiten. – Andererseits besteht durchaus die Möglichkeit, die neue Rechtsgrundlage so zu interpretieren, dass an die subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung strengere Kriterien als bisher zu stellen sind. Haftung setzt Sittenwidrigkeit und Vorsatz voraus, (vorgeschobene) Unwissenheit kann hier eventuell vor Strafe schützen. So könnte die ausschließliche Zuordnung zu § 826 BGB womöglich dem einen oder anderen Gesellschafter ermöglichen, seinen Kopf doch noch aus der Schlinge der Existenzvernichtungshaftung zu ziehen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 129 vom 23. Juli 2007 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich