Schufa-Scoring- Die geheime Formel, die über Ihr Leben entscheidet - Valentin Schulte

Schufa-Scoring: Die geheime Formel, die über Ihr Leben entscheidet

Schufa-Scoring – wichtige Geheimnisse

Von Algorithmen und Auskunftsrechten: Wie Verbraucher gegen Fehler kämpfen – und warum Transparenz das größte Mysterium bleibt – von Valentin Schulte, Volkswirt B.Sc., stud. jur, Kanzlei Dr. Thomas Schulte, Berlin.

Die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, ist eine der zentralen Institutionen in Deutschland, wenn es um die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern geht. Ihre Rolle ist entscheidend, da sie als Schnittstelle zwischen Verbrauchern und Kreditgebern fungiert. Mit ihrem Scoring-System beurteilt die Schufa die Bonität eines Verbrauchers und erstellt Wahrscheinlichkeitswerte, die voraussagen sollen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kreditnehmer seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt. Diese Bewertungen können jedoch für die Betroffenen erhebliche Konsequenzen haben, von der Genehmigung eines Kredits bis hin zur Verweigerung eines Handyvertrags.

Rechtsgrundlagen wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regeln, welche Daten die Schufa verarbeiten darf und welche Rechte den Betroffenen zustehen. Zudem haben Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die rechtliche Basis für das Handeln der Schufa weiter konkretisiert. Dennoch bleibt die Transparenz der Scoring-Verfahren ein kontroverses Thema, das regelmäßig Gegenstand von Diskussionen ist.

Grundlagen der Schufa-Berechnungen

Die Berechnungen der Schufa basieren auf einem Algorithmus, der aus einer Vielzahl von Datenquellen gespeist wird. Nach § 31 Abs. 1 BDSG ist das Ziel des Scorings, Wahrscheinlichkeitswerte über das zukünftige Zahlungsverhalten von Personen zu erstellen. Diese Werte sollen Kreditgebern wie Banken, Vermietern oder Versicherungen eine Entscheidungsgrundlage bieten. Die einbezogenen Daten umfassen Informationen wie bestehende Kredite, Zahlungsausfälle, Häufigkeit von Kreditanfragen und die Dauer bestehender Geschäftsbeziehungen.

Ein wesentlicher Kritikpunkt am Schufa-Scoring ist die fehlende Transparenz. Die genaue Funktionsweise des Algorithmus, also die sogenannte Score-Formel, wird als Geschäftsgeheimnis geschützt und ist Verbrauchern nicht zugänglich. Der BGH entschied 2014, dass die Schufa nicht verpflichtet sei, diese Formel offenzulegen, solange das Ergebnis für den Verbraucher nachvollziehbar bleibt (BGH, Urteil vom 28. Januar 2014, VI ZR 156/13). Diese Entscheidung führte zu Diskussionen darüber, wie nachvollziehbar ein Ergebnis wirklich sein kann, wenn die genauen Berechnungsgrundlagen unbekannt bleiben.

Rechtliche Grundlage der Datenerhebung

Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Schufa ist nur rechtmäßig, wenn sie im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erfolgt. Diese Vorschrift erlaubt die Verarbeitung, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen notwendig ist und nicht die Grundrechte der Betroffenen überwiegen. Nach § 31 Abs. 2 BDSG ist die Übermittlung negativer Einträge an die Schufa jedoch an strenge Bedingungen geknüpft. Beispielsweise darf eine Forderung nur dann gemeldet werden, wenn der Schuldner bereits zweimal gemahnt wurde und die Forderung nicht bestritten hat. Diese Regelung schützt Verbraucher vor einer unrechtmäßigen Speicherung fehlerhafter oder strittiger Einträge.

Rechte der Betroffenen

Um Verbraucher vor unberechtigten oder falschen Schufa-Einträgen zu schützen, sieht das Datenschutzrecht umfangreiche Rechte vor. Das Auskunftsrecht, das Berichtigungsrecht und das Recht auf Löschung gehören zu den wichtigsten Werkzeugen, die Verbraucher nutzen können, um ihre Daten zu kontrollieren.

Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO und § 34 BDSG ermöglicht es Verbrauchern, eine vollständige Übersicht über die bei der Schufa gespeicherten Daten zu verlangen. Diese Auskunft muss auch Informationen über die Herkunft der Daten und die Empfänger enthalten, an die die Daten weitergeleitet wurden. Verbraucher können diese Auskunft einmal jährlich kostenlos einholen. Zusätzlich bietet die Schufa kostenpflichtige Services an, bei denen Verbraucher ihre Bonitätsdaten regelmäßig überprüfen können.

Das Berichtigungsrecht nach Art. 16 DSGVO ermöglicht den Verbrauchern unrichtige oder unvollständige Daten zu korrigieren. Ein typischer Fall ist, wenn eine Forderung als „offen“ gemeldet wird, obwohl sie bereits beglichen wurde. In solchen Fällen kann der Verbraucher die Berichtigung der Daten verlangen, wobei die Schufa verpflichtet ist, die Korrektur innerhalb eines angemessenen Zeitraums vorzunehmen.

Das Recht auf Löschung, das in Art. 17 DSGVO und § 31 Abs. 2 BDSG geregelt ist, gilt für Fälle, in denen die Daten nicht mehr erforderlich oder unrechtmäßig gespeichert wurden. Besonders relevante Beispiele sind Einträge über erledigte Forderungen oder Restschuldbefreiungen, die nach einer bestimmten Frist gelöscht werden müssen. Der EuGH hat in einem Urteil von 2023 klargestellt, dass Einträge über eine Restschuldbefreiung spätestens nach sechs Monaten gelöscht werden müssen (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023, C-634/21).

Das Schufa-Dilemma: Wenn eine Mobilfunkrechnung zum Kreditkiller wird

Stellen Sie sich vor: Herr Müller, ein ehrlicher Bürger, steht in der Bank und beantragt einen Kredit, um endlich sein Traumauto – einen schnittigen roten Flitzer – zu finanzieren. Doch anstatt eines freundlichen Lächelns bekommt er nur ein Kopfschütteln vom Bankberater. Der Grund? Ein Schufa-Eintrag behauptet, Herr Müller habe eine Mobilfunkrechnung nicht bezahlt. Herr Müller ist perplex – die Rechnung? Die hat er doch längst beglichen! Oder etwa nicht?

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Der erste Schock verwandelt sich in Aktionismus: Herr Müller fordert eine Schufa-Auskunft an, die wenig später ins Haus flattert. Und tatsächlich, da prangt sie schwarz auf weiß: Die ominöse Mobilfunkrechnung steht immer noch als „offen“ in den Daten. Ärgerlich – denn das hat Müller längst erledigt, und das Porto für die Überweisung hat ihn damals fast genauso geärgert wie die überteuerten Handygebühren.

Mit Optimismus bewaffnet ruft er bei der Schufa an und verlangt eine Korrektur. Doch dort winkt man freundlich ab: „Das müssen Sie mit Ihrem Mobilfunkanbieter klären.“ Der Anbieter wiederum ist weder besonders schnell noch besonders motiviert, den Fehler zu beheben. Ein paar Wochen ziehen ins Land, und Herr Müller bleibt nicht nur ohne Kredit, sondern auch ohne den roten Flitzer.

Was tun? Herr Müller, inzwischen ein Experte in Sachen Datenschutz, sucht sich Unterstützung beim erfahrenen Rechtsanwalt, der beruft sich auf Artikel 16 der DSGVO und reicht Klage ein. Das Gericht entscheidet: Herr Müller hat recht. Die Schufa wird verpflichtet, den fehlerhaften Eintrag sofort zu löschen. Und was lernen wir daraus? Dass ein kleiner Datenfehler reicht, um große Träume zu zerschlagen – oder um zu zeigen, dass es sich lohnt, hartnäckig für seine Rechte zu kämpfen.

Doch während Herr Müller jetzt endlich seinen Flitzer hat, fragt man sich: Wie viele andere stecken wohl noch im Bürokratie-Dschungel zwischen Schufa und Co.?

Automatisierte Entscheidungen und der Einfluss des EuGH

Automatisierte Entscheidungen, die erhebliche rechtliche oder wirtschaftliche Auswirkungen haben, stehen zunehmend in der Kritik. Nach Art. 22 Abs. 1 DSGVO sind solche Entscheidungen nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Der EuGH hat in einem Urteil entschieden, dass Scoring-Verfahren, die rein automatisiert ablaufen und ohne menschliche Überprüfung eingesetzt werden, gegen die DSGVO verstoßen können. Dieses Urteil zwingt die Schufa und andere Anbieter, ihre Prozesse transparenter zu gestalten und sicherzustellen, dass Betroffene bei Bedarf eine manuelle Überprüfung der Entscheidungen anfordern können.

Die Auswirkungen fehlerhafter Scorings

Ein fehlerhafter Schufa-Eintrag kann weitreichende Folgen haben. Neben der Ablehnung eines Kredits können auch Mietverträge oder Mobilfunkverträge betroffen sein. Verbraucherschützer kritisieren, dass die Schufa häufig zu langsam bei der Berichtigung von Fehlern ist und dass Verbraucher oft in der Beweispflicht stehen, um unberechtigte Einträge zu entfernen. Dies führt zu finanziellen Nachteilen und erheblichen Unannehmlichkeiten.

Weitere Infos z.B hier.

Die Schufa und ähnliche Institutionen stehen seit Jahren unter Druck, mehr Transparenz zu schaffen. Verbraucherschutzorganisationen fordern eine vollständige Offenlegung der Scoring-Algorithmen, damit Verbraucher die Gründe für ihre Bonitätsbewertung besser verstehen können. Zudem wird die Praxis, Daten über längere Zeiträume hinweg zu speichern, kritisch hinterfragt. Die Bundesregierung plant, mit einer Reform des Datenschutzrechts strengere Regeln für Scoring-Verfahren einzuführen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 10095 vom 19. Januar 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich