Brief vom 12.07.2019 – Diese Post war ein Schlag in das Gesicht der Anleger
Durch Schreiben vom 12.07.2019 führt der Insolvenzverwalter Frank- Rüdiger Scheffler über das Vermögen der „Erste Oderfelder Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG“ einen schweren Schritt durch. Opfer sind Anleger, die sich aufgrund einer Rückzahlung ihrer eingelegten Gelder bereits auf der sicheren Seite wähnten. Auch diesen droht jetzt die Rückforderung durch den Insolvenzverwalter. Das bedeutet, dass die Geschädigten ihre Gewinne zurückzahlen sollen.
Rechtslage benachteiligt Anleger
Die Erste Oderfelder GmbH & Co. KG, oder auch Lombard Classic 2, hatte in ihren Prospekten und Werbematerialien immer erklärt, dass eine Auszahlung von 7,15 % Gewinnanteilen, bezogen auf die Beteiligungssumme der stillen Gesellschafter, pro Jahr geleistet wird. Zudem sah der Emissionsprospekt vor, dass nach exakt 36 Monaten Laufzeit die Einlagesumme in Höhe von 100 % zurückgezahlt wird. Diese Versprechungen sind bis 2014 auch von der Fondsgesellschaft so praktiziert worden. Viele Anleger haben ihre Gewinnanteile gutgläubig entgegen genommen und sich gefreut, weil diese dachten, sie seien durch die Pleite nicht betroffen. Die Lombard Classic 2 hatte auch Ertragsteuern an das Finanzamt abgeführt, zumindest wurde dies so dargestellt. Viele Anleger haben nach 36 Monaten ihr eingelegtes Geld komplett zurückbekommen, einige davon haben sogar aus lauter Begeisterung eine Folge Beteiligung an der LC2 oder LC 3 gezeichnet. Später ging die Firma pleite. Diese Zahlungen, die zeitlich vor der Pleite lagen, fordert der Insolvenzverwalter jetzt zurück.
Gutes Geld schlechtem hinter werfen – wer will das schon?
Anders als es im vorderen Teil des Prospektes heißt, sieht der Vertrag der stillen Beteiligung diese Zahlungen gar nicht vor. Der Vertrag regelt eindeutig, dass eine Rückzahlung der Einlage nur in dem Umfang erfolgen kann, in welchem die Einlage nicht durch Verluste geschmälert wird. Im vertragsdeutsch heißt das, dass der Stand des Kapitalkontos auszuzahlen ist. Dieser Kapitalkontostand ist aber von den Gewinnen und Verlusten, an denen der stille Beteiligte teilhat, abhängig. Ebenso gewinnabhängig ist die Auszahlung der Gewinnanteile. Diese wurden jedes Jahr im März und September ausgeschüttet, zu einem Zeitpunkt also, als der Jahresgewinn noch gar nicht feststehen konnte. Im Vertragstext gibt es daher einen Vorbehalt, dass die Ausschüttungen nur erfolgen sollen, wenn entsprechende Gewinne voraussichtlich erwirtschaftet werden. Tatsächlich aber, das deutete sich bereits durch die in öffentlichen Registern verbreiteten nachträglich erstellten Jahresabschlüsse der Jahre 2013-2015 an, die der Insolvenzverwalter hat anfertigen lassen, hat die Erste Oderfelder KG zu keinem Zeitpunkt Gewinne gemacht. Somit erfolgten weder die Auszahlungen der Einlage an die scheinbar glücklichen Gesellschafter zu Recht noch die halbjährliche Gewinnauszahlung. Die Anleger hatten schlichtweg keinen Anspruch auf diese Zahlungen. Dies berechtigt jetzt den Insolvenzverwalter, die Zahlungen nach Insolvenzrecht anzufechten, weil sie in diesem Kontext als „unentgeltliche Zahlungen“ zu gelten hätten.
Tipps und Tricks für geschädigte Anleger – Was tun?
„Das Insolvenzrecht gibt dem Verwalter eine starke Rechtsposition. Die Insolvenzmasse ist schützenswerter als die Einzelinteressen der Gläubiger. In der Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof die Anfechtung von derartigen Scheingewinnen bei Schneeballsystemen regelmäßig zugelassen und dem Insolvenzverwalter Recht gegeben. In zwei Entscheidungen aus dem Jahre 2017 und 2018 wird die Anfechtbarkeit jedoch abgelehnt, wenn die Auszahlungen zwar nicht durch Gewinne gedeckt waren, der spätere Insolvenzschuldner jedoch irrtümlich glaubte, diese Zahlungen leisten zu müssen. Wichtig ist, ob die Zahlungen mit Absicht ohne Rechtsgrund geleistet wurden oder irrtümlich. Die betroffenen Anleger sollten in jedem Falle ihre Rechtsposition sorgfältig mit einem spezialisierten Rechtsanwalt abwägen. Weder empfiehlt sich eine unbedingte und sofortige Zahlung, noch kann pauschal gesagt werden, dass der Insolvenzverwalter keine Ansprüche geltend machen kann“, meint der Berliner Rechtsanwalt Christian H. Röhlke, der eine Vielzahl geschädigter Lombardium-Opfer vertritt.
Anwalt Röhlke hat bereits seit Monaten auf das drohende Risiko der insolvenzrechtlichen Anfechtung der Zahlungen durch den Insolvenzverwalter hingewiesen.
Idee – Schadenersatzansprüche dagegen
In dem Emissionsprospekt des LC 2 findet sich keinerlei Hinweis auf eine mögliche Rückforderbarkeit der unterjährig ausgezahlten Gewinne. Ebenso findet sich, mit Ausnahme des Vertragsteiles, kein Hinweis auf die komplizierten Regeln zur Errechnung des Auseinandersetzungsguthabens und dessen Auszahlung, die sich tatsächlich über viele Monate hinziehen kann. Denn in jedem Falle muss vor Auszahlung des Guthabens der Jahresabschluss erstellt werden, wofür die Gesellschaft sich sechs Monate Zeit im Vertrag ausbedungen hat.
„Es zeigt sich damit, dass die Darstellung im Emissionsprospekt zur Frage der Gewinnauszahlung und des Auseinandersetzungsguthabens widersprüchlich bzw. grob falsch ist. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit hat das Landgericht Leipzig in einem von uns geführten Verfahren den Emissionsprospekt des Lombard Classic 2 gegenüber dem Insolvenzverwalter für fehlerhaft erachtet, sodass die Anleger Schadensersatzansprüche zu Insolvenztabelle anmelden können. Der Insolvenzverwalter selbst hatte vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass Ansprüche auf Auszahlung der Guthaben infolge der jahrelangen Verluste der Gesellschaft keine Berücksichtigung finden können, derartige Schadensersatzansprüche dagegen schon. Ob solche Schadensersatzansprüche im Insolvenzverfahren dem jetzigen Rückzahlungsanspruch entgegengehalten werden können, ist noch zu prüfen. Wir prüfen für unsere Mandanten in jedem Falle Schadensersatzansprüche gegenüber den Kapitalanlagenberatern. Für viele Anleger dürfte sich der Schaden erst jetzt manifestieren: denn erst jetzt tritt möglicherweise ein Vermögensabfluss ein. Hiervon hätte der Anlageberater freizustellen,“ teilt Rechtsanwalt Röhlke mit, der bereits eine Vielzahl von Klagen gegen Anlageberater im Zusammenhang mit dem Lombardium-Skandal führt.
Vermittlerhaftung als Rettungsanker
Ein Kapitalanlagenberater hat vor Abgabe einer Empfehlung zum Abschluss einer Kapitalanlage die Prospekte und Vertriebsunterlagen einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen und dem Anleger erkennbare Plausibilitätslücken mitzuteilen. Möglicherweise war dem Berater die insolvenzrechtliche Einkleidung des Rückforderungsproblems, die es jetzt erfahren hat, nicht bewusst. Nach Röhlkes Ansicht hätte ein Berater aber die Diskrepanz zwischen den Darstellungen im vorderen Teil des Emissionsprospektes bezüglich der Frage der Zahlung der Gewinne und der Rückzahlung der Einlage zu 100 % nach 36 Monaten zu den hiervon deutlich abweichenden Darstellungen im hinteren Teil des Prospektes, dem Vertragsteil, erkennen müssen. Die Widersprüchlichkeit der Angaben macht den Prospekt unplausibel, was der Berater hätte erkennen können und dem Anleger hätte mitteilen müssen.
„Da dies in keinem hier bekannt gewordenen Fall erfolgte, bestehen gute Chancen auf Schadenskompensation durch die Vermittler“, teilt der Anwalt mit. Er empfiehlt den Anlegern in jedem Falle die Einholung kompetenten anwaltlichen Rat.