Der Bundesgerichtshof verpflichtet die Betreiber von „jameda.de“ nach Beanstandung des bewerteten Arztes zur Überprüfung des Patientenverhältnisses.
Für zahlreiche Internet-User bieten Bewertungsportale immense Vorteile. Im optimalen Fall profitieren auch die bewerteten Unternehmer von den veröffentlichten Rezensionen und gewinnen auf diese Weise neue Kunden. Das dabei neben positiven Bewertungen und konstruktiver Kritik aber auch vernichtende Urteile von Nutzern hochgeladen werden, liegt in der Natur der Sache. Das Entfernen der umstrittenen Beiträge bereitet den Bewerteten dabei oft außergewöhnlich große Schwierigkeiten.
Das Ärztebewertungsportal: jameda.de
Die Provider der Internetseite „jameda.de“ haben sich auf die Bewertung von deutschen Ärzten spezialisiert und sorgten damit zum wiederholten Male für rechtliche Diskussionen. Das Bewertungsportal ermöglicht einen umfangreichen Überblick über Ärzte und die Erfahrungen ihrer Patienten. Registrierte Nutzer können anonyme Bewertungen zu ihren Ärzten abgeben und Schulnoten zu festgelegten Bewertungskriterien verteilen. Dabei handelt es sich um die „Behandlung“, „Aufklärung“, das „Vertrauensverhältnis“, die „genommene Zeit“ und „Freundlichkeit“ sowie optionale Fragen wie zum Beispiel nach Wartezeiten und Parkmöglichkeiten. Diese Noten, versehen mit einem kurzen Kommentar der Patienten, sind dann für jedermann öffentlich zugänglich und bilden gemeinsam mit den Bewertungen anderer Patienten die Gesamtnote eines Arztes.
Ausgangssituation: Löschung und Unterlassung gefordert versus Kommunikationsfreiheit der Portalbetreiber
Bereits im Herbst 2014 ging ein Arzt gegen die Betreiber des Portals vor und forderte sowohl die vollständige Löschung seiner Daten als auch die zukünftige Unterlassung vom Verbreiten weiterer Bewertungen. Der Bundesgerichtshof (BGH VI ZR 358/13) lehnte dies jedoch ab und führte an, dass die Kommunikationsfreiheit der Portalbetreiber die informationelle Selbstbestimmung des Mediziners überwiegt.
Nun bekam es der Bundesgerichtshof (BGH VI ZR 34/15) erneut mit einer juristischen Auseinandersetzung zwischen einem Arzt und dem Ärztebewertungsportal jameda.de zu tun. Im Mittelpunkt stand dabei eine negative Bewertung über den klagenden Zahnarzt. Dieser wurde von einem vermeintlichen Patienten mit der Note 4,8 bewertet, wobei in drei der Bewertungskriterien sogar die Schulnote 6 vergeben wurde. In einer kurzen Anmerkung teilte der anonyme User mit, dass er den betroffenen Zahnarzt nicht weiterempfehlen könne.
Dieser bestritt bereits vor dem Prozess, den User überhaupt behandelt zu haben und verlangte von jameda.de die Löschung der Bewertung. Nach einer kurzzeitigen Entfernung, um sich mit dem User auseinanderzusetzen, wurde der Beitrag im Anschluss wieder im Portal bereitgestellt. Die Antwort des vermeintlichen Patienten wurde nicht an den Arzt weitergeleitet und auch auf Anfrage des Zahnarztes wurden weitere Auskünfte aus datenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt. Die Bewertung wurde nicht gelöscht.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: „zumutbare Prüfungspflichten“ – Risiko Persönlichkeitsverletzungen
Das Gericht stellte zunächst fest, dass es sich bei derartigen Bewertungen nicht um eigene „Behauptungen“ des Providers handelt und sich dieser die Inhalte nicht zu Eigen machen. Eine Haftung sei daher nur möglich, sofern gegen „zumutbare Prüfungspflichten“, die sich aus einer Einzelfallbetrachtung ergeben, verstoßen wird. Maßgebend dafür sei das Gewicht des Verstoßes, die Erkenntnismöglichkeit des Portalbetreibers und der Funktion des angebotenen Dienstes. Allerdings dürfen Prüfungspflichten nur insoweit auferlegt werden, dass das Geschäftsmodell des Providers weder wirtschaftlich gefährdet noch unverhältnismäßig erschwert wird.
Im konkreten Fall habe der Betreiber des Portals aber tatsächlich bestehende Prüfungspflichten verletzt. Schließlich bergen Bewertungsportale ein besonders hohes Risiko für Persönlichkeitsverletzungen. Durch die Möglichkeit Bewertungen anonym abzugeben, werde dieses Risiko einerseits erhöht und andererseits ein Vorgehen gegen den Verfasser des Beitrags erschwert. Daher müsste der Provider des Bewertungsportals die Beanstandung an den User übermitteln und zur genaueren Erläuterung der Hintergründe auffordern, wenn das Arzt-Patienten-Verhältnis angezweifelt wird. Zusätzlich sind Informationen, Unterlagen und Indizien vorzulegen und im rechtlich zugelassen Rahmen an den Arzt weiter zu leiten.
Fazit: Rechte, Pflichten und Haftung für Betreiber von Bewertungsportalen – Bundesgerichtshof verpflichtet bei Beanstandung weitere Überprüfung
Es bleibt also festzuhalten, dass das Bewertungsportal die Beiträge zwar noch nicht vor der Veröffentlichung zu überprüfen hat, aber im Falle einer Beanstandung durch den bewerteten Arzt umfangreich zu prüfen hat, ob eine Behandlung tatsächlich stattfand. In diesem Fall muss also auch der Patient zur Aufklärung beitragen und gegebenenfalls vertrauliche Daten zumindest an den Portalbetreiber übergeben, da sonst die Löschung der Bewertung droht. Anforderungen zur Registrierung oder zur Veröffentlichung von Beiträgen stellt der Bundesgerichtshof jedoch nach wie vor nicht. Das Urteil des Bundesgerichtshofes hat also sowohl für online kritisierte Ärzte bzw. andere Unternehmer als auch für die Verfasser der Bewertungen und die entsprechenden Provider Konsequenzen, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu weiteren Prozessen führen werden.
Im Bereich des Internetreputationsmanagements und insbesondere für Bewertungsportale ergehen derzeit nahezu regelmäßig höchstrichterliche Urteile, die die Haftung sowie die Rechte und Pflichten der Betreiber von Bewertungsportalen immer weiter konkretisieren. Diesbezüglich ist also ein stetiger Wandel zu verzeichnen, den es weiter zu beobachten gilt.