Die Auseinandersetzung der Religionen nimmt zu. In Syrien ist der IS weiter auf dem Vormarsch und hat jüngst die Oasenstadt Palmyra eingenommen und kontrolliert damit 95.000 Quadratkilometer und damit die Hälfte Syriens. Aber auch rein verbal nimmt die gegenseitige Hetze zu, alles im Namen der Religion.
„Wir haben Besuch“
Über eine derartige Auseinandersetzung hatte jüngst das Landgericht Stuttgart (Aktenzeichen: 17 O 1450/14) zu befinden: In seinem Bühnenprogramm am 25. Oktober 2014 in der Osnabrückhalle kommentierte er die ca. 30 muslimischen Demonstranten vor der Halle mit „Wir haben heute Besuch. Sie haben es vielleicht gemerkt“ und auch im weiteren Programm mit Sätzen wie „An allen bewaffneten Konflikten auf dieser Welt – die Ukraine mal ausgenommen – sind Islamisten beteiligt. Und das liegt am Alkohol. Denn wer trinkt, der sagt: Ach, spreng du dich doch mal in die Luft, ich habe noch was im Glas“ immer wieder ein. Daraufhin wurde er von Erhat Toka, Chef einer Kampfsportschule in Osnabrück, als „Hassprediger“ bezeichnet und strafrechtlich angezeigt worden.
Neben diesem Strafverfahren, bei dem es um den (relativ unbekannten) Straftatbestand der „Beschimpfung von Religionsgemeinschaften“ (§ 166 Strafgesetzbuch), der mangels Beschimpfens (verlangt eine aggressive Tendenz mit der Eignung zur Friedensstörung) vorliegend nicht gegeben ist (ausführlich hierzu https://www.dr-schulte.de/2692-166-strafgesetzbuch-beschimpfung-von-religionsgemeinschaften-rechtlich-ohne-bedeutung), lief auch ein Zivilverfahren: Dieter Nuhr versuchte mittels einstweiliger Verfügung es Erhat Toka zu verbieten, Dieter Nuhr im Internet als „Hassprediger“ zu bezeichnen und hierneben eine Bildmontage mit einem Stoppschild und einem Porträtfoto von Dieter Nuhr abzubilden.
Rechtliche Grenzen im Internet
Die Infrastruktur des Internets liegt in privaten Händen, eine staatliche Eingriffsverwaltung sowie auf den Meinungsaustausch im Internet ausgelegte Rechtsregelungen existieren in Deutschland nicht. Dies bedeutet jedoch keine grenzenlose Freiheit, die auf der Kehrseite mit einer entgrenzten Schutzlosigkeit der Opfer verbunden wäre, sondern es gilt der sog. Übertragungsgrundsatz, d.h. die Rechtsregelungen der realen Welt sind grundsätzlich zu übertragen.
Insbesondere bei ehrverletzenden Äußerungen im Internet ist grundsätzlich – wie sonst auch – die Meinungsfreiheit des Einzelnen gegen die geschützten Rechte Dritter (insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die eigene Ehre sowie das Recht am eigenen Bild [Foto] etc. beinhaltet) abzuwägen. Die hier in der realen Welt festgelegten Grenzen der freien Rede gelten auch im Internet: So unterfallen falsche, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen (z.B. Herr Müller greift immer in die Kasse und veruntreut Geld) dem Straftatbestand der üblen Nachrede (§ 186 des Strafgesetzbuchs) und sollten daher unterbleiben. Dies gilt generell für ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, da hier derjenige, der die Äu¬ße¬rung trifft, die materielle Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsache trägt und somit das volle (Verurteilungsrisiko) trägt, wenn der Beweis der Wahrheit der Tatsachenaussage vor Gericht (aus welchem Grund auch immer) nicht erbracht werden kann.
Eine weitere Grenze der freien Rede stellt der Beleidigungs-Tatbestand dar (§ 185 Strafgesetzbuch), der Angriffe auf die innere Ehre (sog. Selbstwertgefühl) oder/und die äußere Ehre (der gute Ruf) unter Strafe stellt. Zwar sind Werturteile grundsätzlich vom Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt, jedoch nur soweit sie nicht darauf gerichtet ist, die Persönlichkeit des anderen herabzusetzen.
„Hassprediger“
Entscheidend für den Umfang des Schutzes des Persönlichkeitsrechts ist es daher zunächst, ob es sich bei der in Rede stehenden Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder um eine grundrechtlich besonders geschützte Meinungsäußerung handelt. Während eine Tatsachenbehauptung „wahr“ oder „unwahr“ sein kann, enthält eine Meinungsäußerung ein Werturteil, welches – gemessen an der objektiven Wirklichkeit – gerade nicht als „wahr“ oder „unwahr“, sondern allenfalls als „zutreffend“ oder „unzutreffend“ bzw. „vertretbar“ oder „nicht vertretbar“ bewertet, geteilt oder abgelehnt werden kann. Meinungsäußerungen sind durch das Element des Dafürhaltens oder Meinens, d. h. der subjektiven Einschätzung des Mitteilenden geprägt (grundlegend Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 8.10.1956 – 1 BvR 190/56, BVerfGE 6, 1 [7 ff.]). Ob in diesem Sinne eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinung einzustufen ist, ist aus dem Gesamtkonzept heraus zu beurteilen, in dem sie gefallen ist und damit letztliche eine Frage des Einzelfalles.
„Hassprediger“ als Tatsachenbehauptung
In einem Fall, in dem im Jahre 2005 in der Sendung „Frontal21“ ein Bericht über den Berliner Imam J.T. in der Kreuzberger Meclana-Moschee lief und auch im Internet unter Verweis auf Mitschnitte einer Predikt der Imam („Es gibt Deutsche, die auch gut sind. Aber sie sind und bleiben doch Atheisten. Wozu nutzen sie also? Haben wir jemals einen Nutzen von ihnen gehabt. Auf der ganzen Welt noch nicht. Weil Gott mit ihnen Mitleid hatte, gab er ihnen Freuden im Diesseits. Aber im Jenseits kann der Deutsche wegen seiner Ungläubigkeit nur das Höllenfeuer erwarten. […]Diese Deutschen, diese Atheisten, rasieren sich nicht unter den Armen, ihr Schweiß verbreitet einen üblen Geruch und sie stinken. Sie benutzen daher Parfüm und haben deshalb eine ganze Parfümindustrie aufgebaut“) als „Hassprediger“ bezeichnet wurde, erblickte das Landgericht Potsdam (Urteil vom 8.5.2006, Aktenzeichen 2 O 221/05, ZUM-RD 2006, 473) eine „Tatsachenbehauptung“, da sich eine Kontrollüberlegung anstellen lasse, ob bei vollständiger Kenntnis des Sachverhaltes zweifelsfrei entscheidbar ist, ob die Behauptung wahr sei. Subsumiere man die gesamte Predikt und nicht nur die verkürzte Fassung im „Frontal21“-Bericht, so sei der Straftatbestand des § 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung) nicht erfüllt. Dem Imam stehe daher ein Anspruch auf Unterlassung gegen die Bezeichnung als Hassprediger zu (§§ 823 Absatz 2, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch).
„Hassprediger“ als Meinungsäußerung
Im Fall „Dieter Nuhr“ erblickte das Landgericht Stuttgart den Ausdruck „Hassprediger“ nach den Umständen dagegen als bloße „Meinungsäußerung“, was durchaus nahe liegt, will doch niemand behaupten, sein Monolog sei einer religiösen Predigt vergleichbar. Als reine Meinungsäußerung sei der Ausdruck aber von der Meinungsfreiheit gedeckt (Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz), solange die Grenze zu einer Schmähkritik nicht überschritten ist. Dabei macht selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Die Zulässigkeitsgrenze wird vielmehr erst dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (so etwa Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2006 – 15 U 180/05, BeckRS 2006, 05354). Erhat Toka ging es ersichtlich um eine Auseinandersetzung mit den Äußerungen Dieter Nuhrs während seines Auftritts, so dass die Grenze zur Schmähkritik noch nicht überschritten und das Landgericht Stuttgart zu Recht diesbezüglich einen Unterlassungsanspruch Dieter Nuhrs verneint hat.
Bild-Montage und Kosten
Anders sieht es bei der Bildmontage aus. Dies sei eine bewusste Abwertung Dieter Nuhrs und die Montage daher (unter Androhung eines Ordnungsgeldes) zu unterlassen. Die Kosten des Verfahrens hätten sich beide daher halbe-halbe zu teilen. Insoweit ein salomonisches Urteil, das hoffentlich ein wenig Frieden in diese Auseinandersetzung bringt.