Lichthersteller Nordeon springt als neuer Investor in die Bresche, wie geht es mit der Hess AG nun weiter? – von Rechtsanwältin Helena Winker.
Monate lang mussten zahlreiche Anleger, die in die Aktie der Hess AG aus der Lantwattenstraße 22, 78050 Villingen-Schwennigen viel Geld investiert hatten, bangen wie es mit dem Leuchtenhersteller weitergeht. Als dem Unternehmen im Februar 2013 nach einem euphorischen Börsengang nur vier Monate später bildlich gesprochen die Lichter ausgingen und es Insolvenz anmelden musste, sahen viele Anleger ihr Geld dahin schwimmen.
Denn nachdem aller Wahrscheinlichkeit nach die Vermögenslage des Unternehmens durch gefälschte Umsatzzahlen bewusst in die Höhe getrieben und den geprellten Anlegern auf diesem Wege viel Geld aus der Tasche gezogen wurde, konnte niemand für eine Entschädigung dieser garantieren. Ehemaliger Vorstandschef war Christoph Hess. Der neue Chef der Hess AG, Till Becker, versuchte die Fehler seines Vorgängers auszubaden. Es blieb die Hoffnung für die Privatanleger diesem betrügerischen Verhalten Haftungsansprüche gegen die Verantwortlichen entgegensetzen zu können.
Eine solche Entschädigung erschien zwar möglich, da auch die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen den Leuchtenhersteller wegen Bilanzmanipulation, Untreue (§ 266 Strafgesetzbuch) und Betrug (§ 263 Strafgesetzbuch) erfolgsversprechend zu ermitteln erschien, wäre angesichts der erheblichen Investitionen jedoch nur ein kleines Trostpflaster.
Kann Nordeon die Hess AG neu beleuchten?
Doch nun die bahnbrechende Neuigkeit, welche die Anlegerherzen vermutlich höher schlagen lässt: der Lichthersteller Nordeon springt als neuer Investor in die Bresche und zieht in letzter Sekunde die Reißleine eines hoffentlich rettenden Fallschirms.
Doch wer oder was verbirgt sich hinter dem neuen Investor? Der innovative Lichthersteller wurde im Oktober 2012 in Deutschland gegründet und scheint nach Erweiterung des Unternehmens in Frankreich und der im März 2013 erfolgten Übernahme der Vulkan GmbH, die zum damaligen Zeitpunkt auch der Hess AG angehörte, mit rund 400 Beschäftigten weiter auf Wachstumskurs zu sein. Mit der Spezialisierung auf Innenbeleuchtung scheint ein perfekt harmonierender Partner für die auf Außenbeleuchtung spezialisierte Hess AG gefunden zu sein.
Doch können Anleger wirklich aufatmen?
Mit großem Interesse und kritischem Blick beobachtet auch die aus Villingen-Schwenningen stammende Rechtsanwältin Helena Winker von der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team von Berlin aus das Treiben der in der süddeutschen Stadt ansässigen Hess AG. Nicht nur aus Verbundenheit zur Heimat, sondern auch im Interesse der zahlreichen Anleger verfolgt sie stets die neuesten Entwicklungen des Unternehmens. Sie zeigt sich zwar erfreut über den neu gefundenen Investor und die gelungene Rettung der rund 180 Arbeitsplätze, rät aber zugleich zu Vorsicht.
So erklärt die auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwältin: „Ich freue mich über die neusten Entwicklungen und die damit verbundenen Hoffnungen, dass zahlreiche Anleger nun doch wieder über werthaltige Aktien verfügen. Doch sollte trotz alledem das betrügerische Verhalten der Verantwortlichen der Hess AG nicht aus dem Auge verloren werden. Eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Verantwortlichen scheint durchaus erfolgsversprechend. Auch sollten die Anleger sich überlegen, ob eine anwaltliche Beratung, inwiefern weiterhin in das Unternehmen investiert werden sollte, womöglich sinnvoll wäre, nicht zuletzt um endlich wieder ohne flaues Gefühl im Magen die Nachttischlampe ausschalten zu können.“
Auch Dritte haften den Anlegern
Die Emission der Hess Aktien wurde durch Banken begleitet. Möglicherweise hätten diese die Bilanzmanipulation bereits erkennen müssen. Die Staatsanwalt Mannheim soll schließlich wegen des Verdachts der Bilanzfälschung und des Kapitalanlagebetruges durch falsche Prospektangaben ermitteln. Außerdem wird für zahlreiche Anleger besonders enttäuschend sein, dass die Aktien durch die sonst so vertrauenswürdigen Sparkassen vermittelt worden sein sollen. Die Anleger wollten völlig zu Recht ihr mühsam Erspartes und ihren ehrlich erarbeiteten Lohn nicht nur sicher angelegt wissen, sondern gleichzeitig damit ein regionales Traditionsunternehmen unterstützen. Nicht nur das Vertrauen in die Villinger Hess AG war groß, sondern auch das in die beratenden Bankmitarbeiter. Sollte hier eine Falschberatung stattgefunden haben, so könnten auch Schadensersatzansprüche gegenüber den am Rande tätigen Protagonisten dieses Schwarzwälder Wirtschaftskrimis in Betracht kommen. Die Bond-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (XI ZR 12/93) legt klare Kriterien für die ordnungsgemäße Anlegerberatung fest.
„Erst vor kurzem hat unsere Kanzlei Dr. Schulte und sein Team für einen unserer süddeutschen Mandanten ein Urteil vor dem Landgericht Coburg gegen die beratende Sparkasse Lichtenfels-Coburg erstritten. Zwar ist das Urteil vom 23.07.2013, Az. 23 O 651/12, noch nicht rechtskräftig, aber das Landgericht entschied in diesem Fall, dass die Sparkasse unseren Mandanten über sogenannte Rückvergütungen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat und deshalb zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist. Es handelte sich dort zwar um die Beteiligung an einem Schifffonds, allerdings bestehen strenge Beratungspflichten des Bankmitarbeiters gegenüber dem Anleger hinsichtlich jeder Form von Kapitalanlage.“, so Rechtsanwältin Winker.
Wie geht es nun weiter?
Nach Aussage des Insolvenzverwalters Dr. Grub plant dieser für November eine größere Pressemitteilung. Zum Inhalt der Pressemitteilung und den Fortgang der Hess AG hielt sich der Insolvenzverwalter jedoch bedeckt.
Eine unerfreuliche Nachricht wäre eine mögliche Liquidation der Gesellschaft. Es bleibt daher zu hoffen, dass der finstere Tunnel der Hess AG auch noch im November tatsächlich ein Ende hat und durch den neuen Investor mit frischem Wind aus dem Norden und ehrlicher Unternehmensführung viel Licht ins Dunkle gebracht wird.