Intensivseminar zum Reputationsrecht bei den Rechtsanwälte Dr. Schulte und sein Team mbB in Berlin – von Dr. Thomas Schulte und Team, Fachanwalt in Berlin
Im Rahmen einer Weiterbildungsveranstaltung zum Thema: Internetrecht und Persönlichkeitsrechte referierte Privatdozent Dr. iur habil. Erik Kraatz vor interessierten Juristen. Dr. Erik Kraatz: „Die meisten sich süchtig den eigenen Namen zu googlen“. Rechtsfragen rund um Google-Ergebnisse sind die Folge. Man denke nur an hässliche Kritik oder Nacktbilder, die auf einmal auftauche.
Rechtsfragen rund um Google.com und Google.de
Die Suchmaschine Google ist absoluter Marktführer und kann durch die Anzeigeergebnisse auf Seite 1 oder 2 die Reputation vernichten oder verbessern.“
Tipps und Tricks zum Umgang mit der Reputation im Internet
Dr. Kraatz hierzu: Tipps und Tricks hierzu: Grundsatz „Eigenkontrolle durchführen“. Dr. Erik Kraatz: „Programme wie Sistrix.de oder andere Anbieter geben Firmen und Privatpersonen die Möglichkeit die Veränderungen im Suchindex zu kontrollieren und schnell zu reagieren“
Nicht selten führt dies zu überraschenden Ergebnissen und Links auf Seiten, die der eigenen Reputation nicht förderlich sind, wie etwa Hasstiraden oder negative Berichte über das eigene Geschäftsgebaren. Da in der heutigen Welt auch viele Geschäftsleute den Namen ihres künftigen Geschäftspartners vorher googeln, ist es elementar wichtig, dass hier nicht durch unwahre Tatsachen, Behauptungen oder ehrverletzende Äußerungen im Internet einen der eigene gute Ruf beeinträchtigt wird.
Angesichts der Bedeutung von Google als Suchmaschinenbetreiber kommt es damit maßgeblich darauf an, welche Seiten mit welchen Textausschnitten bei Google angezeigt werden. Befindet sich auf den Seiten, auf die verwiesen wird, rechtswidriger Content, sollte Google hierauf hingewiesen werden.
Grundsatz: Meldungspflicht Es scheint sich durchzusetzen in der Rechtsordnung, dass nicht derjenige, der handelt Prüfungspflichten hat, sondern das Opfer hinweisen muss.
Erik Kraatz: „Offenbar scheint im Moment allen Juristen vom Amtsgericht bis zum Europäischen Gerichtshof die Idee, dass Handelnde wie Google, technische Betreiber und andere wie Forenbetreiber selber aufpassen müssen, nicht vorstellbar; eine derartige Pflicht sei unzumutbar!“ Also lautet der Tipp: Verstoß melden und dokumentieren sowie Zustellung nachweisen!
Grundsatz: Übertragungsgrundsatz des deutschen Presserechts
Bei Ehrverletzungen im Internet gilt der sogenannte Übertragungsgrundsatz, d.h., die Rechtsregelungen der realen Welt sind grundsätzlich zu übertragen, wenngleich die Besonderheiten des Internets einzubeziehen sind. Nagelprobe: Wie wird die Rechtsfrage offline beantwortet? Hier ist grundsätzlich ein Parallelfall zu bilden, etwa, wie die entsprechende Rechtsaussage in einem Meinungsforum zu bewerten wäre, wenn sie in einer Zeitung oder im Fernsehen im Rahmen einer Diskussion geäußert worden wäre.
Insbesondere bei ehrverletzenden Äußerungen im Internet ist grundsätzlich – wie sonst auch – die Meinungsfreiheit des Einzelnen gegen die geschützten Rechte Dritter (insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die eigene Ehre sowie das Recht am eigenen Bild [Foto] etc. beinhaltet) abzuwägen. Die hier in der realen Welt festgelegten Grenzen der freien Rede gelten auch im Internet: So unterfallen falsche, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen (z.B. die Aussage „Herr Müller greift immer in die Kasse und veruntreut Geld!“) dem Straftatbestand der üblen Nachrede (§ 186 des Strafgesetzbuchs) und sollten daher unterbleiben. Dies gilt generell für ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, da hier derjenige, der die Äu¬ße¬rung trifft, die materielle Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsache trägt und somit das volle (Verurteilungsrisiko) trägt, wenn der Beweis der Wahrheit der Tatsachenaussage vor Gericht (aus welchem Grund auch immer) nicht erbracht werden kann.
Beispielfall: Müller greift in die Kasse
In unserem Beispielsfall des angeblich in die Kasse greifenden Herrn Müller muss also positiv nachgewiesen werden, dass a) Tatsächlich Geld aus der Kasse verschwindet und b) Herr Müller derjenige ist, der sich das Geld nimmt. Scheitert ein Beweis, dann hat sich der Beschuldigende strafbar gemacht. In der anonymen Welt des Internets ist es leicht falsche Beschuldigungen auszusprechen, es ist aber schwer, falsche Beschuldigungen wieder aus dem Internet zu entfernen. Denn das Internet vergisst im Zweifel nichts.
Eine weitere Grenze der freien Rede stellt der Beleidigungs-Tatbestand dar (§ 185 Strafgesetzbuch), der Angriffe auf die innere Ehre (sog. Selbstwertgefühl) oder/und die äußere Ehre (der gute Ruf) unter Strafe stellt. Zwar sind Werturteile grundsätzlich vom Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt, jedoch nur soweit sie nicht darauf gerichtet ist, die Persönlichkeit des anderen herabzusetzen, so dass nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des anderen im Mittelpunkt steht – der andere wird also bewusst „durch den Dreck gezogen“. Beispiel: Herr Schulze als Geschäftsführer einer Gesellschaft wird als „unfähiger Taugenicht, ein elender Wurm und Halsabschneider“ bezeichnet. Derartige Äußerungen sind nach dem Übertragungsgrundsatz gleichfalls im Internet strafbar. Zivilrechtlich kann deren Unterlassung und Beseitigung verlangt werden.
Es gilt wiederum der Grundsatz: Was im „echten Leben“ strafbar ist, ist auch im Internet nicht folgenlos. Es ist die Kennzeichnung und Durchsetzung, auf die es ankommt. Der Geschädigte ist also gefragt.
Grundsatz der faktischen Wiederholung
Hierzu muss jeder Betroffene jedoch eine Verletzung eigener Rechte melden, so Dr. Kraatz im Vortrag zum Reputationsrecht. Reagiert Google auf das Löschungsbegehren nicht unverzüglich (d.h. innerhalb weniger Stunden!) und löscht nicht die entsprechenden Ergebnisse in der Ergebnisanzeige, so greift der von der Rechtsprechung bereits im Presserecht entwickelte Grundsatz der faktischen Wiederholung: So ist bei Funk und Fernsehen lange anerkannt, dass die sog. mediale Privilegierung für rechtsverletzende Meinungsäußerungen in Live-Sendungen sich nicht auf Wiederholungen erstreckt, da dem Veranstalter hier die Möglichkeit offen steht, die durch eine Wiederholung erfolgende erneute Verbreitung von ihm bekannten ehrverletzenden Äußerungen Dritter während der Sendung durch eine Zensur zu verhindern; erfolgt dies nicht, so haftet der Veranstalter. Diese gleichen Grundsätze sind ins Internet übertragbar: Dies bedeutet, dass wenn Google den Eintrag nicht löscht und damit weiterhin zu seiner Verbreitung beiträgt, dass dies angesichts der ständigen Abrufbarkeit des Internets mit einer eigenen Wiederholung des fremden ehrverletzenden Beitrags verbunden ist. Insoweit haftet dann Google Inc. als Betreiber der Seite, als wenn sie selbst diese Äußerung getätigt hätte. Dies kann neben einer Abmahnung durchaus Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
Google selbst könnte also haften. Nur, was nützt es, im Zweifel einen Prozess mit hohen Vorlaufkosten in den USA zu führen? Hier ist der deutsche Gesetzgeber gefragt. Klare Regelungen für klare Sachverhalte helfen Richtern, klare Entscheidungen zu fällen und geben den Betroffenen Rechtssicherheit.
Oberlandesgericht Hamburg hilft zu Aktenzeichen 7 W 5/10
Diesbezüglich Aufsehen erregt hat ein Beschluss des Oberlandesgericht Hamburg bereits aus dem Jahr 2010 (Aktenzeichen 7 W 5/10), der leider vielen nicht bekannt ist: Da sich nicht nur die Seite www.google.de, sondern auch die Suchmaschinenseite www.google.com grundsätzlich an das deutsche Publikum richte, besteh der Löschungsanspruch selbstverständlich auch für die Seite www.google.com. Auch hierauf sollten Betroffene dringen, um sicherzustellen, dass ihr guter Ruf auch im Internet besteht. Juristisch korrekt: der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts, 7. Zivilsenat vom 19.03.2010 bezieht sich auf § 823 Abs. 1, § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch. Diese Entscheidung verlangt die Löschung nicht nur bei Google.de, sondern auch bei Google.com. Ausgehend von dem Landgericht Hamburg zu Az. 325 0 340/09.
Zusammenfassung – Löschungsanspruch gegen Google.de und Google.com
Der Einzelne ist gefragt, massiv Druck auf die Suchmaschinen im Internet auszuüben und im Zweifel seine Rechte auch gerichtlich durchzusetzen. Wenn Herr Müller aus unserem Beispiel nicht in die Kasse gegriffen hat, dann muss er gegen diese falsche Behauptung vorgehen, dies muss ihm aber auch erst möglich gemacht werden. Er darf nicht darauf hoffen, dass bspw. Google selbständig seine Suchergebnisse auf mögliche Straftaten checkt. Wenn der Geschäftsführer Schulze diffamiert wird und seine Firma deshalb Kunden verliert, hat er ein Recht, dass die ehrverletzenden Äußerungen aus dem Internet gelöscht werden. Er hat auch einen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger. Wenn google oder eine andere Suchmaschine trotz der Aufforderung zum Entfernen nicht tätig wird, haftet möglicherweise auch google.