Speicherungsfrist bei den Auskunfteien nach Beendigung des Insolvenzverfahrens – unverhältnismäßig? Die Rückkehr ins wirtschaftliche Leben wird durch unterschiedliche Speicherungsfristen erschwert – Gesetzgeber ringt um eine gerechte Lösung, von Valentin Schulte, Berlin
Ist ein Schuldner nicht mehr zahlungsfähig wird er als insolvent bezeichnet. Das hat verschiedene Folgen, die häufig auch den guten Ruf beschädigen.
Das Insolvenzrecht kennt hierbei drei Gründe, die eine Insolvenz verursachen.
- Zahlungsunfähigkeit: Gemäß § 17 Insolvenzordnung (InsO) ist die Zahlungsunfähigkeit der allgemeine Eröffnungsgrund eines Insolvenzverfahrens. Hierbei schreibt die Norm vor: “Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.” § 17 Absatz 2 InsO.
- Drohende Zahlungsunfähigkeit § 18 InsO: Ist es für den Schuldner abzusehen, dass eine Zahlungsunfähigkeit droht, kann er diese als Eröffnungsgrund des Insolvenzgrundes vorbringen.
- Überschuldung § 19 InsO: Ein weiterer Eröffnungsgrund kann die Überschuldung sein. § 19 InsO wird allerdings nur auf juristische Personen angewandt. Eine Überschuldung liegt vor, “wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.” § 19 Abs. 2 S. 1 InsO.
Parallel kann von natürlichen Personen ein Restschuldbefreiungsverfahren durchgeführt werden. Dies hat zur Folge, dass sich der Schuldner nach einigen Jahren von nicht bezahlbaren Schulden befreien lassen kann. Der Restschuldbefreiung geht eine Wohlverhaltensphase voraus. Hintergrund ist eine Wiedereingliederung der vorherigen Insolvenzschuldner in das wirtschaftliche Leben.
Aus diesem Grund ist es wichtig und auch richtig, die Insolvenzdaten, die vom Bundesamt für Justiz veröffentlicht werden, sechs Monate nach Erteilung der Restschuldbefreiung automatisch zu löschen. Dem Schuldner wird erst dadurch der Einstieg in das Wirtschaftsleben wieder ermöglicht. Doch dann wartet meist das böse Erwachen. Die Daten sind zwar von Seite des Staates gelöscht, die Auskunfteien wie die Schufa Holding AG speichert dies allerdings noch viel länger.
Warum ist das so? Staatliche Speicherfristen kürzer als Schufa-Frist
Wir haben den renommierten Schufa Anwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin zu den Speicherfristen der Auskunfteien befragt.
Interviewer: “Hallo Herr Dr. Schulte. Vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben, um mit uns über die Speicherfristen von beendetem Insolvenzverfahren bei den sogenannten Auskunfteien zu sprechen. Wie kann es sein, dass hier so ein eklatanter Unterschied zwischen dem Vorgehen des Staates und den privaten Auskunfteien wie der Schufa gibt?”
DRS: “Guten Tag, das ist eine sehr interessante Frage. Ich darf auf die Kleine Anfrage an die Bundesregierung (Drucksache 19/21916) verweisen, bei der von Seiten der FDP-Fraktion eine ähnliche Frage gestellt wurde. Es scheint, dass hier in der Tat ein Missverhältnis vorliegt. Aktuell wird das also politisch diskutiert.”
Interviewer: “Können Sie uns mitteilen, was die Bundesregierung auf die Anfrage geantwortet hat?”
DRS: “Die Bundesregierung beruft sich auf Stellungnahme von verschiedenen von diesem Thema berührten Verbänden. Hierbei sind unter anderem der Bankenfachverband e.V., Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen und Die Wirtschaftsauskunfteien e.V. zu nennen. Die Verbände scheinen das Ziel zu verfolgen, die Speicherfrist bei privaten Auskunfteien unter keinen Umständen weiter zu verkürzen. Eine Verkürzung würde die sorgfältige Bonitätsprüfung unmöglich machen und als Folge die Kreditkosten für alle Kreditnehmer erhöhen.”
Interviewer: “Inwiefern müssten die Kreditkosten für alle Kreditnehmer erhöht werden?”
DRS: “Die eben genannten Verbände gehen davon aus, dass eine nicht sorgfältige Bonitätsprüfung zu einer höheren Gesamt Ausfallwahrscheinlichkeit der Kreditnehmer führt. Dieses Risiko muss eingepreist werden und erhöht somit die Kreditkosten für alle Kreditnehmer.”
Interviewer: “Wie verträgt sich die Speicherung von Insolvenzdaten mit dem Artikel 17 der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO), der ein Recht auf Vergessenwerden einräumt?”
DRS: “Die Schufa beruft sich bei der Datenverarbeitung entweder auf eine persönliche Einwilligung des Betroffenen oder auf Artikel 6 der DSGVO. Hierbei wird insbesondere auf Punkt f) verwiesen, in dem es heißt: “die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen”. Ob ein Recht auf Vergessen gemäß Artikel 17 in Betracht kommt, ist somit immer vom Einzelfall abhängig.”
Interviewer: “Denken Sie, dass diese Ungleichheit zwischen den Speicherfristen der staatlichen und der privaten Stellen in naher Zukunft angeglichen werden wird?”
DRS: “Der Gesetzgeber möchte diese Situation noch einige Zeit beobachten und dann entscheiden, ob die Gesetzeslage angepasst wird. Angesichts der starken Lobbyverbände, die einem solchen Gesetz entgegenstehen und der langen Zeit, die ein solches Verfahren benötigt, gehe ich nicht davon aus, dass das Gesetz in der nächsten Zeit im Sinne der Insolvenzschuldner angepasst wird.”
Interviewer: “Vielen Dank.”
V.i.S.d.P.
Valentin Markus Schulte
Volkswirt
Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte
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