„Mach doch auf Macke“ – Hilft der so genannte Ausmusterungsberater wirklich? Welche Risiken drohen?
Gründe, den Wehrdienst nicht absolvieren zu wollen gibt es viele, und auch viele gute. Der Wehrpflichtige junge Proband oder dessen Eltern, die bei einem selbsternannten Ausmusterungsberater vorsprechen, berufen sich meist auf folgende Begründungen, um keinen Wehr- oder Ersatzdienst leisten zu müssen. Es geht darum, den Job nicht zu verliert, auch wenn dieser gesetzlich geschützt ist, sein Kind versorgen oder unterbrechungsfrei studieren zu können, oder weil Junior das Essen in der Kantine nicht verträgt. All dies sind aber – neben vielen anderen – nicht nur gute, sondern auch anerkannte Gründe, ausgemustert beziehungsweise freigestellt zu werden. Hier „auf Macke machen“ zu wollen, ist nicht nur gelogen, sondern in den meisten Fällen schlicht überflüssig.
Um dem Wehrdienst zu entgehen, muss man heute nicht unbedingt schwer krank oder Kriegsdienstverweigerer sein. Nach den aktuellen Einberufungsgrundsätzen, die seit Herbst 2004 im Wehrpflichtgesetz geregelt sind, werden größere Gruppen von Wehrpflichtigen per se nicht einberufen, darunter auch mit der Tauglichkeitsstufe T3 gemusterte. Freigestellt werden auch Verheiratete und Väter mit Sorgerecht oder junge Männer, die Angehörige pflegen. Auch wird in der Regel frei- bzw. zurückgestellt, wer seit mindestens einem Jahr einen eigenen Gewerbebetrieb hat, sich in der Ausbildung befindet oder nachweislich seinen Arbeitsplatz verlieren würde. Wenn man bereits das 23. Lebensjahr vollendet hat, wird man sowieso nicht mehr einberufen. Zur Musterung und Erfassung muss man diesen Fällen aber trotzdem, da man eben nicht als untauglich gilt – es gibt ja noch die Wehrpflicht im Verteidigungsfall. Wer da auf Nummer sicher gehen will, muss zeitlich unbeschränkt als voll untauglich eingestuft werden.
Hier versprechen so genannte Ausmusterungsberater schnell und vor allem erfolgreiche Hilfe. Diese lassen Sie sich natürlich gut bezahlen, z.B. in dem man ein einzigartiges Servicepaket bestellt.
Wer dagegen „nur“ dem Grundwehrdienst entgehen will, der muss sich keine Depression oder eine andere psychische Erkrankung bescheinigen lassen, schon gar nicht, wenn er sie – zum Glück – nicht hat. Bevor man also Symptome von Depressionen oder Zwangsstörungen auswendig lernt, sollte man lieber klären, ob nicht ein oder mehrere der zahlreichen anderen Gründe für eingeschränkte Tauglichkeit nach T3, Freistellung oder wenigstens Zurückstellung zutreffen.
Mittlerweile werden nicht einmal mehr die Hälfte aller jungen Männer, die für eine Einberufung in Frage kommen, überhaupt noch zum Wehrdienst herangezogen. Und diese Tatsache eröffnet neue, verfassungsrechtliche Möglichkeiten, gegen eine Einberufung vorzugehen, widerspricht sie doch dem so genannten Grundsatz der „Wehrgerechtigkeit“.
Zur Wahrung dieser „Wehrgerechtigkeit“ hat die Bundeswehr einen guten Grund, die Ausmusterung aufgrund von Untauglichkeit einer Freistellung etwa wegen Kindererziehung oder Ausbildung vorzuziehen. Denn Wehrgerechtigkeit meint, dass die Last des Wehrdienstes möglichst gerecht auf allen (tauglichen) männlichen Schultern im Alter von 18 bis 23 Jahre verteilt werden soll. Das bedeutet, möglichst viele der wehrtauglichen jungen Männer müssen auch eingezogen werden, sei es zum Wehr- oder zum Zivildienst. Totalverweigerer sind genauso wie die Gruppe der mit T3 als noch eingeschränkt tauglich Eingestuften schlecht für die Statistik. Die Wehrgerechtigkeit ist verfassungsrechtlich notwendige Voraussetzung für die Grundrechtsreinschränkung, die die Wehrpflicht dem Einzelnen gegenüber beinhaltet. Sollte das Bundesverfassungsgericht jemals Wehrungerechtigkeit feststellen, stehen die Chancen gut, sich aus der Wehrpflicht herauszuklagen. Erste Verfahren in diese Richtung gibt es bereits, denn es ist für junge Männer eben nicht mehr der Normalfall „zum Bund“ zu müssen.
So jedenfalls sieht es das Verwaltungsgericht Köln, das im April 2005 drei Verfahren ausgesetzt hatte, in denen Wehrpflichtige gegen ihre Einberufung geklagt hatten. Die neuen Einberufungsregeln verstoßen gegen den im Grundgesetz verankerten Grundsatz der Wehrgerechtigkeit, so lautete das Kölner Urteil (Aktenzeichen 8 K 8564/04). Eine Frage, über die man offensichtlich streiten kann, kam doch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu einer anderen Entscheidung. Ob die zu Grunde liegenden Bestimmungen im Wehrpflichtgesetz der Verfassung entsprechen oder nicht, diese Frage kann letztendlich nur das Bundesverfassungsgericht beantworten. Die Kölner Richter haben eine entsprechende „Richtervorlage“
nach Karlsruhe geschickt – die Entscheidung der Bundesrichter wird für 2008 erwartet. Bis dahin allerdings, so das Bundesverfassungsgericht, habe das Interesse des Einzelnen „gegenüber dem staatlichen Vollzugsinteresse“ zurückzutreten. Klagen und Anträge von eingezogenen Wehrpflichtigen, für die das Kölner Verwaltungsgericht zuständig ist, werden daher abgewiesen, wenn sie sich auf das schwebende Verfahren am Bundesverfassungsgericht stützen.
Von wissentliche Falschangaben bei der Musterungsuntersuchung und der Erfindung angeblich nicht nachzuweisender Krankheiten kann aus sich des Autors nur abgeraten werden. Dies sind kein Kavaliersdelikt, mal ganz abgesehen von möglichen Folgen.
Bei Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherungen aber auch bei Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen droht nämlich bisher die Kündigung bei falschen Angaben zum Gesundheitszustand des Versicherten. Werden also bei Antragstellung Angaben verschwiegen, die man z.B. gegenüber dem behandelnden Arzt oder bei der Musterung gemacht hat, dem Versicherer unterschlagen, ist dieser, bei Kenntniserlangung zur Vertragskündigung berechtigt. Die Leistungspflicht entfällt dann. Beiträge müssen unter bestimmten Umständen nicht erstattet werden.
Auch der eigenen Karriere kann eine angebliche Macke später abträglich sein. Es ist allgemein üblich, den Wehr- oder Ersatzdienst im Lebenslauf aufzuführen. Fehlt dieser, interessieren sich Arbeitsgeber besonders bei jungen Menschen nun mal für die Gründe. Bestimmte Berufe beziehungsweise Tätigkeiten sind für „amtlich“ psychisch kranke Menschen beispielsweise aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht mehr zugänglich. Auch für einen angehenden Richter wird sich eine ausgewachsene psychische Störung, und die braucht es schon für die Einstufung T5, eher nachteilig auf die Karriere im Staatsdienst auswirken – wissentlich Falschangaben bei der Musterung gemacht zu haben sowieso, vorausgesetzt dies kommt später heraus.
So kann aus einer Lüge bei der Musterung leicht einen Rattenschwanz an lebenslangen Folgelügen werden.
Eine verbindliche Rechtsberatung bekommt man nur bei entsprechend ausgebildeten Juristen. Diese haften für ihre Auskunft und Beratungsleistung auch, da sie gesetzlich zur Unterhaltung einer Haftpflichtversicherung verpflichtet sind. Diese wird der selbst erkorene Ausmusterungsexperte in der Regel nicht unterhalten.
Wenn man die Angebote dieser Pseudo-Rechtsberater einmal unter die Lupe nimmt, kommt sicherlich auch der Tatbestand der unerlaubten Rechtsberatung in Betracht, denn Rechtsberatung ist weiterhin dem ausgebildeten und versicherten Rechtsanwalt vorbehalten. Aus diesem Grund ist ein auf Wehrdienst und Wehrrecht spezialisierter Anwalt ist im Zweifelsfall sicherlich der bessere Berater.