Seit langem machen praxiserfahrene Rechtsanwälte auf eine Rechtslücke aufmerksam, die es Finanzinvestoren unter Umständen ermöglichen könnte, eine Zwangsversteigerung in eine fremdfinanzierte Immobilie zu betreiben und dies unter Umständen auch dann, wenn der Kredit vom Kreditschuldner ordnungsgemäß bedient wird. Tatsächlich gibt es eine Gesetzeslücke im deutschen Kreditsicherungsrecht, die zu einem derart absurden Ergebnis führen kann. Nunmehr wird im Rahmen eines Gesetzesvorhabens im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages diskutiert, ob den Hinweisen aus der Praxis Rechnung getragen werden kann. Im folgenden erläutern wir Ihnen, wie es überhaupt möglich ist, dass gegen den Eigentümer einer Immobilie trotz eines regelmäßig bedienten Kredites die Zwangsversteigerung betrieben wird?
Die Problematik mit den veräußerten Krediten
Regelmäßig kommt es vor, dass ein Hausbauer oder ein Immobilienkäufer sein Haus nicht auf einen Schlag bezahlen kann und er zur Finanzierung einen Kredit aufnimmt. Die Bank lässt sich dafür eine Sicherheit bestellen. Anders als es häufig vermutet wird, sind die meisten Sicherheiten keine Hypotheken. Meist verlangt die finanzierende Bank als Sicherheit der Rückzahlung des Kredites die Eintragung einer Grundschuld im Grundbuch des zu bebauenden Grundstücks. Die Grundschuld berechtigt die finanzierende Bank bei Nichtrückzahlung des Kredites, das Grundstück zwangsweise zu verwerten, d. h. die Zwangsversteigerung zu betreiben.
Während der Laufzeit des Kredites bleibt die Grundschuld uneingeschränkt im Grundbuch eingetragen. Erst nach der Abzahlung des Kredites kann der Hausbauer von der Bank verlangen, dass diese eine Löschungsbewilligung erteilt, damit die Grundschuld im Grundbuch gelöscht werden kann. Diese bisherige Praxis hatte gut funktioniert.
Eine Grundschuld besteht juristisch aber immer in der Höhe des gesamten eingetragenen Betrages, d. h. die Grundschuld wird nicht dadurch sukzessive kleiner, weil der Kredit nach und nach zurückgezahlt wird. Juristen sprechen davon, dass die Grundschuld nicht akzessorisch ist. Sie ist also nicht vom Bestand und auch nicht vom Umfang der gesicherten Forderung abhängig. Außerdem kann die Grundschuld für sich allein übertragen und genutzt werden. Genau dies ist der wesentliche Unterschied zur Hypothek (§§ 1113 und 1191 BGB).
Während die Grundschuld in Deutschland ein altes Sicherungsmittel ist, haben die Banken den weltweiten Verkauf und den Handel mit Grundschulden in großflächiger Zahl erst vor wenigen Jahren für sich entdeckt. Die Bank kann demnach zur Bereinigung ihres Kreditengagements die Grundschuld an einen in- oder ausländischen Finanzinvestorabtreten und der kann ihn an weitere Personen abtreten. Dadurch ist eine neue, komplexe Situation entstanden. Solange sich die Grundschuld mit dem Kredit in einer Hand befunden hat, galt eine Sicherungszweckerklärung dergestalt, dass der Kreditgeber sich verpflichtete aus der Grundschuld nicht vorzugehen, solange das Darlehen ordnungsgemäß bedient wird. Durch die Trennung von Darlehen und Grundschuld erhält der Grundschuldgläubiger (= der Kreditkäufer) jedoch eine andere Rechtsposition. Er kann nun aus der Grundschuld vorgehen und die Zahlung des gesamten Grundschuldbetrages nebst den eingetragenen Zinsen verlangen. Gegenüber dem neuen Grundschuldgläubiger kann der Hausbauer nicht ohne weiteres einwenden, dass der Kredit schon bezahlt sei. Das führt zu dem absurden Ergebnis, dass die Zwangsversteigerung eines Hauses trotz eines regelmäßig bedienten Kredites möglich ist.
Allerdings bleibt dem Kreditnehmer die Möglichkeit, die abtretende Bank auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, wenn die Bank die Grundschuld ohne die Sicherungszweckabrede abgetreten hatte. Dabei ist es aber grundsätzlich vorstellbar, dass die Klage auf Schadensersatz noch vor den Gerichten anhängig ist, während die Immobilie parallel bereits zwangsversteigert wurde. Eine nicht gerade befriedigende Lösung.
Kreditveräußerung mit Folgen
In der Praxis tauchen solche Fälle meist noch nicht beim erstmaligen Verkauf eines Kredites auf. Die verkaufende Bank, die in aller Regel zugleich die Hausbank des Kreditnehmers ist, achtet in aller Regel darauf, die Forderung, die Sicherungszweckerklärung und die Grundschuld in einem Paket abzutreten. Der Käufer ist jedoch in der Regel keine Bank, häufig sogar eine ausländische Nichtbank, die ihrerseits nur die Grundschuld an einen weiteren Käufer, häufig ebenfalls eine Nichtbank veräußert und abtritt. Dieses Geschäft hat die ursprünglich verkaufende Bank jetzt nicht mehr unter Kontrolle und so kommt es in der Praxis dazu, dass ein zweiter oder dritter Käufer rücksichtslos gegen den Schuldner vorgeht, um eine größtmögliche Verwertung zu erzielen. Zwar macht sich in diesem Fall der erste Käufer unter Umständen schadensersatzpflichtig, weil er die von der veräußernden Bank übernommenen Verpflichtungen, nämlich Grundschuld, Sicherungszweckerklärung und Kreditforderung nicht voneinander zu trennen, verletzt hat. Entsprechende Schadensersatzansprüche sind jedoch zumindest gegen den Schädiger nur schwer durchzusetzen, zumal es sich häufig um ausländische Gesellschaften handelt, die ihren Unternehmenssitz auch in Irland, auf den Bermudas, den Bahamas oder den Cayman-Inseln haben können und insofern auch nach dem Recht der dortigen Staaten organisiert sind. Dies hilft dem Kreditnehmer wenig, zumal wenn der Käufer eine Limited ist, deren Stammkapital bei einem Pfund liegt.
Hilft die Politik?
Inzwischen ist auch die Politik auf die Problematik aufmerksam geworden und unternimmt den Versuch, der missbräuchlichen Kreditveräußerung einen Riegel vorzuschieben. Dabei werden unterschiedliche Lösungsansätze vorgeschlagen. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23.01.2008 soll ein SPD Bundestagsabgeordneter vorgeschlagen haben, im Falle des Verkaufs von Krediten zugunsten des Kunden ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht mit Wegfall der Vorfälligkeitsentschädigung einführend zu wollen. Dieser Vorschlag ist jedoch für keinen der Beteiligten zielführend, weil das beschriebene Problem nicht im Verkauf von Krediten an sich steckt, sondern in der Aufspaltung von Sicherungszweckabrede und der eigentlichen Grundschuld beim Veräußerungsgeschäft. Ein Sonderkündigungsrecht würde dem Kreditnehmer gar nichts bringen, weil er den Kredit jetzt in einem Zug zurückzahlen müsste, die zwangsläufige Folge, wenn er den Kredit kündigt. Den Banken würde ein Sonderkündigungsrecht generell die Grundlage zur Veräußerung von Krediten entziehen. Da dies aber ein international übliches Mittel der Risikostreuung des Kreditengagements von Banken ist, führt dies zwangsläufig dazu, dass Kredite für den Kunden und Verbraucher teurer werden; mithin ein sehr bedenklicher, deutscher Sonderweg. Völlig ausreichend wäre eine Regelung, die eine Aufspaltung von Grundschuld und Sicherungszweckerklärung beim Verkauf eines Kredites künftig ausschließt. Ebenso führt der dem Vernehmen nach aus dem Bundesjustizministerium stammende Vorschlag, Kreditinstitute zu verpflichten, Darlehen anzubieten, die nicht abgetreten werden können, im Ergebnis dazu, das Kredite teurer werden.
Man darf gespannt sein, ob und inwieweit es dem Gesetzgeber gelingen wird, durch sinnvolle Maßnahmen die angesprochenen Missstände wirksam zu bekämpfen. Vielleicht wird erst eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes für endgültige Klarheit sorgen. Bis dahin bleibt nur die Möglichkeit, möglichst rasch einen auf diesem Gebiet kompetenten Anwalt aufzusuchen. Denn wenn rechtzeitig gehandelt wird, gibt es auch heute schon die Möglichkeit, sich wirksam zu wehren.
Dr. Thomas Schulte
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