Vorschaden am kaputten Auto – muss das der gegnerischen Versicherung gesagt werden – was tun?
Von Valentin Schulte, Kanzlei Dr. Schulte und Team
Bonn im Frühjahr. Ein Opelfahrer kracht am Bertha-von-Suttner-Platz bei Rot auf einen stehenden Renault. Die Verschuldensfrage ist klar. Der Renault soll jetzt auf Kosten der Versicherung des Opelfahrers repariert werden. Kann jetzt der Renaultfahrer Vorschäden einfach mitreparieren lassen? Oder muss er diese Vorschäden aufdecken?
Vorschaden am kaputten Auto – muss das der gegnerischen Versicherung gesagt werden?
Ja. Im Rahmen der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall ist immer wieder die Frage relevant, ob ein Geschädigter verpflichtet ist, Vorschäden seines Fahrzeugs offenzulegen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der rechtlichen Konstellation der Schadensdarlegungspflicht, die maßgeblich durch die §§ 249, 254 BGB und § 119 Abs. 3 VVG geregelt ist. Eine ordnungsgemäße Aufklärung über Vorschäden ist sowohl für die Haftpflichtversicherung als auch für den Schädiger von wesentlicher Bedeutung, um den aktuellen Schaden vom Vorschaden abzugrenzen.
Urteile sind klar – Offenlegung angesagt
Die Rechtsprechung hat hierzu verschiedene Leitentscheidungen getroffen. Das Oberlandesgericht Saarbrücken stellte beispielsweise klar, dass ein Geschädigter verpflichtet ist, Vorschäden und deren fachgerechte Reparatur durch Vorlage entsprechender Nachweise zu belegen, wenn diese in Zusammenhang mit dem geltend gemachten Schaden stehen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 01.10.2024 – 3 W 7/24). Diese Pflicht besteht insbesondere, wenn Vorschäden während der Besitzzeit des Geschädigten entstanden sind.
Rechtsgrundlagen der Offenlegungspflicht
Die Offenlegung von Vorschäden basiert auf der Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen. Nach § 249 BGB hat der Schädiger den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Diese Wiederherstellungspflicht bezieht sich allerdings nur auf den konkreten Schaden, der kausal auf das aktuelle Unfallereignis zurückzuführen ist. Vorschäden, die den gleichen Bereich des Fahrzeugs betreffen, müssen daher offengelegt werden, um eine klare Abgrenzung zu ermöglichen.
Gemäß § 119 Abs. 3 VVG hat der Geschädigte der Haftpflichtversicherung des Schädigers die zur Prüfung notwendigen Informationen und Unterlagen bereitzustellen. Unterlässt er dies, ist die Versicherung berechtigt, die Regulierung auszusetzen. Dies wird durch die Rechtsprechung gestützt, etwa durch das Urteil des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 23.12.2011 – 1 W 61/11), das darauf hinweist, dass eine unzureichende Offenlegung der Vorschäden den Versicherer berechtigt, weitere Nachweise einzufordern.
Die Rolle der Beweislast
Die Beweislast liegt gemäß § 287 ZPO grundsätzlich beim Geschädigten, der darlegen muss, welcher Schaden durch den aktuellen Unfall verursacht wurde. Dies schließt die Abgrenzung von Vorschäden ein. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 09.03.2021 (1 U 72/20) klargestellt, dass der Geschädigte darlegen und beweisen muss, dass der geltend gemachte Schaden nicht bereits durch ein früheres Ereignis verursacht wurde.
Die Beweiserleichterung nach § 287 ZPO ermöglicht es dem Geschädigten, den Kausalzusammenhang zwischen dem aktuellen Schadenereignis und dem geltend gemachten Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Dies entbindet ihn jedoch nicht von der Verpflichtung, Vorschäden und deren Reparatur lückenlos zu dokumentieren, sofern diese die Bewertung des aktuellen Schadens beeinflussen können.
Ein weiteres praktisches Beispiel
Frau K., Eigentümerin eines Mittelklassewagens von Volkswagen, wurde in einen Auffahrunfall in Essen verwickelt, bei dem die Heckpartie ihres Fahrzeugs beschädigt wurde. Bereits vor zwei Jahren hatte dasselbe Fahrzeug einen ähnlichen Heckschaden erlitten, der damals von einer Fachwerkstatt repariert wurde. Nach dem aktuellen Unfall beauftragte Frau K. einen Gutachter, der im Schadensbericht die früheren Vorschäden erwähnte, jedoch keine detaillierten Reparaturunterlagen vorlegte.
Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers lehnte die Regulierung ab und forderte die Vorlage der Werkstattrechnungen zur Reparatur des Vorschadens. Erst nachdem Frau K. die entsprechenden Belege vorlegte, wurde der Schaden anerkannt und reguliert. Dieser Fall verdeutlicht, dass die Offenlegung von Vorschäden und deren fachgerechte Behebung entscheidend ist, um eine reibungslose Schadensregulierung zu gewährleisten.
Konsequenzen bei unterlassener Offenlegung
Unterlässt der Geschädigte die Offenlegung von Vorschäden, kann dies erhebliche Folgen haben. Die gegnerische Versicherung ist berechtigt, die Schadensregulierung bis zur Vorlage der notwendigen Nachweise auszusetzen. Das OLG Stuttgart (Urteil vom 19.12.2023 – 12 U 17/23) hat klargestellt, dass ein Geschädigter die Vorlagepflicht verletzt, wenn er über relevante Dokumente verfügt, diese aber nicht einreicht. Eine solche Unterlassung kann nach § 254 BGB zu einer Kürzung des Schadensersatzes führen, da das Verhalten des Geschädigten als Mitverschulden gewertet wird.
Darüber hinaus kann die Versicherung berechtigt sein, die Klagekosten dem Geschädigten aufzuerlegen, wenn dieser erst im Prozess die erforderlichen Nachweise erbringt. Dies wurde in der Entscheidung des OLG Saarbrücken (Beschluss vom 01.10.2024 – 3 W 7/24) bestätigt, in der die Kosten des Verfahrens dem Geschädigten auferlegt wurden, da er die notwendigen Angaben erst verspätet vorlegte.
Präventive Maßnahmen für Geschädigte
Um Probleme bei der Schadensregulierung zu vermeiden, sollten Geschädigte frühzeitig sämtliche Unterlagen zu Vorschäden und deren Behebung zusammentragen. Hierzu zählen insbesondere Werkstattrechnungen, Gutachten und Reparaturberichte. Diese Dokumente sollten zusammen mit der Schadensmeldung an die Versicherung übermittelt werden.
Es ist außerdem ratsam, bei der Beauftragung eines Sachverständigen darauf zu achten, dass dieser Vorschäden und deren fachgerechte Reparatur im Gutachten eindeutig dokumentiert. Eine klare und transparente Kommunikation mit der gegnerischen Versicherung kann den Regulierungsprozess erheblich beschleunigen.
Zusammenfassung und Empfehlungen
Die Offenlegung von Vorschäden ist ein zentraler Bestandteil der Schadensregulierung bei Verkehrsunfällen. Geschädigte sind verpflichtet, relevante Unterlagen bereitzustellen, um den aktuellen Schaden von früheren Schäden abzugrenzen. Die Nichteinhaltung dieser Pflicht kann zur Verzögerung oder Ablehnung der Regulierung führen. Um solche Probleme zu vermeiden, sollten Geschädigte frühzeitig alle notwendigen Dokumente zusammenstellen und der Versicherung übermitteln. Eine vernünftige Rechtsschutzversicherung hilft immer, wenn dann doch mal der Rechtsanwalt ran muss.
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