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Muss Pippi Langstrumpf jetzt von Hartz IV leben?

 

Kein Urheberrechtsschutz vom Bundesgerichtshof, Anspruch der Erben von Astrid Lindgren wurden zurückgewiesen – von Rechtsanwalt Dr. Schulte. Verkaufsprospekte für Karnevalskostüme einer großen Einzelhandelskette, in denen Fotografien von als Pippi Langstrumpf verkleideten Personen dargestellt waren, stellen keine Urheberrechtsverletzung dar.

Trotz eindeutiger Assoziation weist der Bundesgerichtshof einen Anspruch der Erben von Astrid Lindgren zurück.

Was war passiert?

Eine große Einzelhandelskette hatte als Werbung für Faschingskostüme in ihren Verkaufsprospekten Fotografien eines Mädchens und einer jungen Frau abgebildet, die als Pippi Langstrumpf verkleidet waren: Beide trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünen Ringelmuster. Bereits auf den ersten Blick war zu erkennen, welche literarische Figur dort dargestellt sein sollte. Folgerichtig hatten sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Köln den Anspruch aus Verletzung der Urheberrechte zuerkannt. Diese Entscheidungen hat nunmehr der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17.07.2013, Aktenzeichen: I ZR 52/12, aufgehoben und die Klage wegen Ansprüchen aus dem Urheberrecht abgewiesen.

Pippi Langstrumpf als Gegenstand des Urheberrechts

Rechtsanwalt Dr. Schulte, Experte für Urheber- und Medienrecht der Berliner Kanzlei Dr. Schulte und sein Team, erläutert die rechtlichen Hintergründe: „Auch der Bundesgerichtshof geht wie die Vorinstanzen davon aus, dass die von Astrid Lindgren geschaffene Figur der Pippi Langstrumpf als sogenanntes Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz Schutz genießt. Schutzvoraussetzung für solche fiktiven Charaktere ist es, dass der Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verliehen wurde. Im Falle von Pippi Langstrumpf betrifft dies bereits die äußeren Merkmale, die ersichtlich aus dem Rahmen fallen (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten sind, Kartoffelnase, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu große Schuhe). Hinzu kommen ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz schwieriger Familienverhältnisse ist sie stets fröhlich, furcht- und respektlos, besitzt Fantasie und Wortwitz und verfügt über übermenschliche Kräfte.“

Urheberrecht – verbotene Bearbeitung oder erlaubte freie Benutzung?

Dennoch erkennt der Bundesgerichtshof trotz der offensichtlichen Zielrichtung der Darstellung keine Urheberrechtsverletzung. Er geht davon aus, dass bei den in den beanstandeten Werbeprospekten verwandten Figuren nur wenige Merkmale übernommen worden seien, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf maßgeblich seien. Der Schutz als ein Sprachwerk komme in Betracht, wenn diese Figur durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben sei. Es reiche jedoch nicht aus, dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen wurden, die für sich genommen, den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass das Oberlandesgericht Köln festgestellt habe, das für die Figuren in den angegriffenen Fotografien lediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und – ganz allgemein – der Kleidungsstil der Pippi Langstrumpf übernommen worden sei. Dies möge zwar ausreichen, um Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu erwecken und um zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln solle. Das genüge aber nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu begründen und nehme daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.

Überraschungsurteil aus Karlsruhe?

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Seniorpartner der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team, die seit vielen Jahren im Bereich der Onlinereputation tätig ist, beschreibt das ungläubige Staunen in Juristenkreisen: „Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist für den Laien nicht ganz einfach zu deuten. Schließlich könnte jeder, der die Geschichten von Pippi Langstrumpf kennt, herunterbeten, dass rote abstehende Zöpfe, Sommersprossen und ein ganz bestimmter Kleidungsstil unzweifelhaft Pippi Langstrumpf darstellen. Angesichts dessen hatten auch die Vorinstanzen die nur leichten Veränderungen an den Faschingskostümen als Bearbeitung des Werkes gemäß § 23 Urheberrechtsgesetz eingeordnet und wegen der fehlenden Zustimmung der Rechteinhaber den Anspruch bejaht. Der Bundesgerichtshof legt nun aber einen strengen Maßstab an, sodass eine Ähnlichkeit, auch wenn einige äußere Merkmale direkt übernommen werden, nicht ausreicht.“

Eine Sorge kann den Fans von Pippi Langstrumpf jedoch genommen werden: Der Bundesgerichtshof hat zwar die Klage wegen urheberrechtlicher Ansprüche abgewiesen, sie aber zur Prüfung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es ist davon auszugehen, dass das OLG Köln einen solchen Anspruch bejahen wird. Am Hungertuch muss also niemand nagen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 1028 vom 13. August 2013 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich