Ein von einem negativen Bewertungseintrag Betroffener hat keinen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Betreiber des Portals.
Das Landgericht München I hat am 03.07.2013, Aktenzeichen 25 O 23782/12, entschieden, dass ein Betreiber eines offenen Bewertungsportals im Internet keine Auskunft über den Urheber einer anonymen Bewertung erteilen muss. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei hier höher zu bewerten als der allgemeine Persönlichkeitsrechtsschutz.
Ist jeder Internetbenutzer heute Meinungsführer und Journalist? Darf und kann jeder bewerten, dadurch herabwürdigen oder sogar beleidigen? Muss dieses Verhalten hingenommen werden? Wo ist der Schutz? Die deutsche Rechtsprechung ist trotz des Urteils zur Auto-Complete-Funktion immer noch recht schwach. Im Rahmen eines Seminars im Bereich „Reputationsmanagement by Law“ in den Räumen der Rechtsanwälte Dr. Schulte und sein Team wurden rechtliche Möglichkeiten diskutiert.
Folgender Fall lag der Entscheidung zugrunde:
In Anspruch genommen wurden die Betreiber eines Bewertungsportals, die über das medizinische Dienstleister, in der Regel Ärzte, bewertet werden konnten. Eine Kinderärztin fühlte sich durch eine negative Bewertung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte von den Betreibern des Portals Auskunft darüber, wer diese negative Bewertung abgegeben habe. Die Portalbetreiber haben die Herausgabe der Kontaktdaten mit Hinweis auf den Datenschutz verweigert.
Die Entscheidung – freie Meinungsäußerung
Rechtsanwalt Dr. Schulte, Internetrechtsexperte erklärt: „Die Entscheidung verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und der allgemeinen Meinungsfreiheit. Die klagende Kinderärztin ist durchaus nachvollziehbar der Auffassung, dass sie sich negative Bewertungen im Internet wehren können müsse. Ob ein Anspruch gegen den Bewertenden tatsächlich gegeben sei, könne in einem entsprechenden Verfahren gegen diesen geklärt werden.
Auf der anderen Seite steht die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit, die natürlich auch im Internet gelte und deren Ausübung auch anonym zulässig sei. Das Landgericht München I hat hier dem Schutz der Meinungsfreiheit den Vorrang eingeräumt. Eine Herausgabe personenbezogener Daten sei nur zulässig, wenn der Autor eingewilligt habe oder die Herausgabe durch zuständige Stellen, insbesondere zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr, also durch Staatsanwaltschaft oder Polizei, verlangt werde.“
Meinungsfreiheit auch anonym
Bereits in der „spickmich“ Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof am 23.06.2009, Az. VI ZR 196/08, geurteilt, dass Meinungsäußerungen auf einem Bewertungsportal auch anonym erfolgen können. Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Seniorpartner der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team, die seit vielen Jahren im Bereich der Online-Reputation tätig ist, weist darauf hin, dass der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung in aller Deutlichkeit und ohne Beschränkung auf den schulischen Bereich darauf hingewiesen hat, dass die Verpflichtung sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, die Gefahr begründet, dass der einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen eine Art Selbstzensur vornimmt und davon absieht, seine Meinung zu äußern. Dies ist aber mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht vereinbar.
„Was im Internet steht, stimmt“ – Das ist im Bewusstsein vieler Internetbenutzer verankert, obwohl das Gegenteil oftmals der Fall ist.
Zudem ist das Recht auf Meinungsäußerung nicht auf objektivierbare allgemeingültige Werturteile beschränkt; vielmehr ist es gerade charakteristisch für eine Meinungsäußerung, dass sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens und damit durch eine eigene, subjektive Einschätzung des Äußernden geprägt ist. Die Rechtsprechung geht ebenfalls davon aus, dass es dem Nutzer einer Bewertungsplattform grundsätzlich bewusst ist, dass die dort befindlichen Bewertungen naturgemäß keinen wissenschaftlichen Standard erfüllen, sondern allein die subjektiven Erfahrungen wiedergegeben, die einzelne Betroffene mit den verschiedenen Ärzten gemacht haben.
Rechtliche Möglichkeiten
Die „spickmich“ Entscheidung des Bundesgerichtshofes erging allerdings für den Fall eines geschlossenen Internetportals, das einen eingeschränkten Zugang aufweist und bei der die Bewertungen nicht über eine Suchmaschine aufzufinden sind. Dennoch gelten, wie Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte verdeutlicht, die Ausführungen des Bundesgerichtshofes zur Meinungsfreiheit über diesen Bereich hinaus. Verschiedene Oberlandesgerichte haben die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil die Frage der Behandlung von allgemein zugänglichen Internetportalen höchstrichterlich bisher nicht geklärt sei. Die Macht des Internets wächst, bis zu einem nachhaltigen Reputationsschutz und einer rechtlich gesicherten Basis ist es noch ein langer Weg.
Bei Reputationsstörung muss technisch und juristisch angemessen reagiert werden
Wegen der doch recht unübersichtlichen Rechtsprechung der Obergerichte bleibt für Betroffene zunächst nur die Möglichkeit, den Portalbetreiber Kenntnis von den Persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerungen zu vermitteln. In der Regel wird eine Stellungnahme zu den Meinungsäußerungen möglich sein. Überlegt werden sollte, ob bei nicht zur Zusammenarbeit bereiten Portalbetreibern oder im Falle außergewöhnlich schlechter Bewertung ein professionelles „Reputationsmanagement und Reputationsmanagement by Law“ angezeigt ist.