In Bulgarien wird derzeit eine umfassende Justizreform angestrebt, worüber im Parlament heftig gestritten wird. Hierbei wird es auch einmal wieder um die Verwaltungsverfahrensordnung (APK) gehen, die seit ihrem Inkrafttreten im Juli 2006 insgesamt neunmal geändert wurde.
Der Leser fragt sich nun: Was hat dies mit der Korruptionsbekämpfung zu tun? Ganz einfach: Ausgangspunkt war eine Anfrage der bulgarischen Regierung an die UNO aus dem Jahre 2001 mit der Bitte um Beurteilung der Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und weitere Empfehlungen auf diesem Gebiet. Neben Zielen wie: Verbesserung der Arbeitsqualität der Verwaltung und Erleichterung des Rechtsschutzes für den Bürger durch Konsolidierung der einschlägigen Rechtsnormen in einem Gesetzbuch, Verfestigung des Gesetzesvorrangs, effektivere Kontrolle über die Verwaltung, Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens, stellt sich nun der Gesetzesentwurf als ehrgeizige Aufgabe „die Beseitigung der Bedingungen und Voraussetzungen für Korruption“ (Motive, S. 1 f).
Das Ergebnis dieser Bemühungen heißt „Administrativ-prozessualer Kodex“ (im Folgenden: APK) und wurde am 11. April 2006 im bulgarischen Gesetzesblatt verkündet. Größtenteils tritt das Gesetz am 12. Juli 2006 in Kraft, lediglich der Teil über das Gerichtsverfahren und die Gerichtsverfassung wurde auf den 1. März 2007 verschoben.
Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts in diversen EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich, Portugal, Österreich, Finnland oder Litauen als Vorbild für die Erarbeitung des Entwurfs gedient haben. Besonderes Augenmerk galt dem 6. VwGO-Reformgesetz vom 1. November 1996 und den in Frankreich (G. vom 30. Juni 2000), Italien (G.. vom 21. Juli 2000, in Vervollständigung der 1997 begonnenen Reform) und Portugal (G. vom 22. Februar 2002) neulich durchgeführten Reformen.. Der Entwurf selbst enthielt an manchen Stellen noch zwei mögliche Regelungsvarianten, weil sich die verschiedenen Arbeitsgruppen bis zuletzt nicht auf eine Lösung einigen konnten.
Das neue APK ersetzt damit eine Vielfalt von zerstreuten Regelungen wie dem Gesetz über das Verwaltungsverfahren oder dem Gesetz über das Oberste Verwaltungsgericht. Lediglich das Gesetz über untergesetzliche Rechtsnormen bleibt bestehen und gilt zum Teil qua Verweisungen subsidiär. In organisatorischer Hinsicht besteht ohne Zweifel die wichtigste Neuerung in der Einrichtung eines komplett eigenen Verwaltungsrechtswegs mit Verwaltungsgerichten bereits ab der ersten Instanz. Bislang existierte nämlich nur ein Oberstes Verwatungsgericht, während in den unteren Instanzen die Prozesse vor den „Administrativkollegien“ (Verwaltungsabteilungen) der ordentlichen Gerichte geführt wurden.
Das APK regelt nahezu vollständig das Verwaltungsverfahren, den Verwaltungsprozess, die Vollstreckung und Zustellung auf beiden Gebieten und die Verfassung der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit. An einige Stellen wird die subsidiäre Geltung der bulgarischen ZPO oder anderer Gesetze wie des erwähnten Gesetzes über untergesetzlicher Rechtsnormen angeordnet. Ebenfalls findet das Recht der Staatlichen Ersatzleistungen eine umfassende Kodifikation und die Prozesse – anders als in Deutschland – eine komplette Verweisung an die Verwaltungsgerichte.
Wer das Thema juristisch vertiefen möchte, findet im Folgenden ausführliche Informationen zum Inhalt der neuen Regelung. Jeder kann dann für sich selbst beurteilen, wie gut oder schlecht damit der Korruptionsbekämpfung gedient ist. Unser Kommentar beschränkt sich auf wenige Anmerkungen, Vergleiche mit der deutschen Rechtslage und Auslegungsvorschläge. Besonderes Augenmerk gilt den Regelungen, die bei der Korruptionsbekämpfung von Bedeutung sein könnten, im Übrigen ist der Beitrag aber eher für Juristen als für politisch interessierte Menschen gedacht.
Das Gesetzbuch besteht aus sechs Teilen.
Teil 1 trägt die Überschrift „Allgemeine Grundlagen“. Im Ersten Kapitel werden – entsprechend seiner Bezeichnung – „Gegenstand, Umfang und Anwendung“ des Gesetzes geregelt. Art. 1 – „Gegenstand“ hat nur deklaratorische Bedeutung, weil die einzelnen Verfahrensarten ohnehin detailliert geregelt sind (man könnte die Norm als Definition der „öffentlich-rechtlichen Streitigkeit“ bezeichnen; da die Rechtsprechungsvereinheitlichung nicht dazu zählt, wäre dies jedoch zu eng). Dasselbe gilt für Art. 3, wonach das APK auf Ausländer nur insofern anwendbar ist, als die Verfassung oder andere Gesetze nicht die bulgarische Staatsangehörigkeit voraussetzen. Derartige Klarstellungen des Spezialitätsgrundsatzes finden sich an diversen Stellen. Das könnte sich als erster Kritikpunkt an der sonst sehr fortschrittlichen Regelung erweisen. Allerdings war der Gesetzgeber bemüht, die existierenden Lücken zu schließen. Daher erschien ihm wahrscheinlich ein Satz zuviel besser als einer zu wenig. In Art. 2 werden Akte des Parlaments und des Präsidenten generell vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Der Entwurf enthielt zwei Varianten, da sich die Arbeitsgruppen bereits hier uneinig waren. Beim Präsidenten wurde nämlich der Alternativzusatz nicht übernommen, wonach der Ausschluss nicht gelten sollte, sofern es sich um Exekutivmaßnahmen des Präsidenten handelt. Das sollte nach dem Entwurf Ausdruck einer Kehrtwende sein, die auch ohne den Zusatz Anerkennung verdient. Es handelt sich um die Abkehr von der Doktrin des „politischen Aktes“, wonach der Urheber bestimmter Maßnahmen per se als politische Person, mithin als Nicht-Angehöriger der Verwaltung, angesehen wurde und daher keine Verwaltungsakte erlassen konnte. Hierzu die Motive: „Die meisten modernen demokratischen Staaten, deren Rechtssysteme auf dem Vorrang des Gesetzes basieren, haben diese alte Doktrin aufgegeben und das Prinzip akzeptiert, dass die Abgrenzung nach dem Charakter der Funktion erfolgt, die bei Vornahme jedes juristischen Aktes ausgeübt worden ist.“. Die Abgrenzung öffentliches – privates Recht erfolgt mithin funktionell und nicht organisatorisch. Wie im deutschen Recht ist daher unerheblich, wer gehandelt hat (Ausnahme: Akte des Staatspräsidenten), sondern ob dabei Verwaltungsaufgaben erfüllt wurden.
Im Zweiten Kapitel (Art. 4 – 14) finden sich, größtenteils zum ersten Mal in der bulgarischen Rechtsgeschichte, wichtige Grundprinzipien des Verwaltungsrechts: Anwendungsvorrang des höheren Rechts, Vorbehalt des Gesetzes, Gebot der Beachtung der Gesetzesziele und des Verfahrens, Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen, Gebot der Achtung von Rechten und Interessen Dritter, Verhältnismäßigkeit, Richtlinien und Grenzen der Ermessensausübung (vernünftig, nach bestem Gewissen, zweckmäßig, wirtschaftlich und am meisten effizient), Wahrheit und verfahrensgemäße Ermittlung der entscheidungsrelevanten Tatsachen beim Erlass eines Verwaltungsakts, Gleichheit der Chancen aller Beteiligten zur Erlangung von Rechtsschutz und bei der Behandlung durch die Verwaltung, Einleitung des Verwaltungsverfahrens auch von Amts wegen, Amtsermittlungsgrundsatz, Zugänglichkeit der Informationsquellen, Öffentlichkeit, Transparenz (auch bezüglich der Ermessenskriterien), Unbefangenheit, Amtssprache.
Kapitel 3 (Art. 15 – 18) benennt die Parteien eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens. Als Vertreter des öffentlichen Interesses fungiert der Staatsanwalt. Die Vertretung der Organe durch ihre Mitglieder oder Dritte ist ebenfalls geregelt, nicht aber die Vertretung der (juristischen und natürlichen) Personen selbst. Diesbezüglich gilt dir ZPO ergänzend. Eine Legaldefinition des Begriffs „Administrativorgan“ findet sich in § 1 Nr. 1 der Zusatzbestimmungen. Das ist jeder Organ, der zum System der Exekutiven gört oder aber auf Grund eines Gesetzes mit Verwaltungskompetenzen ausgestattet ist. Entscheidend ist somit nicht nur die organisatorische Eingliederung, sondern auch die Funktion.
Teil 2 regelt seiner Überschrift zufolge die „Streitigkeiten vor Administrativorganen“. Kapitel 1 – „Allgemeine Vorschriften“ – besteht aus nur zwei Artikeln. Wegen der erste davon die Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten regelt, führt der zweite – Art. 20 – erstmals die Möglichkeit eines Vergleichs („Vereinbarung“) im öffentlichen Recht ein. Darauf ist der Gesetzgeber (S. 4 der Motive) besonders stolz. Leider sind die Voraussetzungen zu knapp dargestellt, um allen Besonderheiten des öffentlichen Rechts Rechnung zu tragen. Außer dem lapidaren Hinweis auf die Zulässigkeit nach dem Gesetz (schon fast ein Zirkelschluss!) findet sich so gut wie nichts. Wegen der gleichen Terminologie mit der gerichtlichen „Vereinbarung“ (Art. 147 APK) ist jedenfalls klar, dass es sich um keine umfassende Regelung des öffentlich-rechtlichen Vertrags handelt. Eine solche fehlt nach wie vor. Mehr Regelung im Detail wäre hier besser als etwa die widersprüchliche Aussage von Abs. 3, wonach der Vergleich bis zum Eintritt der Bestandskraft oder bis zur gerichtlichen Anfechtung geschlossen werden kann. Dass daraus nicht die Unzulässigkeit eines Vergleichs nach der Anfechtung, d. h. vor Gericht, folgt, muss der Rechtsanwender mühsam feststellen, indem er im Teil über das Gerichtsverfahren den Art. 178 APK findet. Und ob der erhoffte Beschleunigungseffekt eintritt, wenn das Gericht dem Vergleich zustimmen muss (Art. 178 abs. 4 APK) und die Ablehnung notfalls angefochten werden muss (Art. 178 Abs. 3 APK), mag stark bezweifelt werden. Zu begrüßen ist dagegen, dass die Beteiligung Betroffener am Vergleich (anderer Behörden, die dem Verwaltungsakt zustimmen müssen, und Dritter), die Formalien des Vergleichs (u. a. Schriftform) und seine Wirkung (Außerkraftsetzung des Verwaltungsakts) ausführlich festgelegt sind.
Kapitel 5 regelt das Verfahren über den Erlass von Verwaltungsakten. Abschnitt I (Art. 21 – 64) enthält eine nie da gewesene umfassende Regelung über den Erlass von individuellen Verwaltungsakten. Art. 21 enthält vier positive (Abs. 1 – 4) und eine negative (Abs. 5) Definition des individuellen Verwaltungsakts. Er ist nach Abs. 1 zunächst eine „ausdrückliche Willenserklärung oder eine durch Tun oder Unterlassen abgegebene Willenserklärung eines Administrativorgans oder anderer hierzu gesetzlich ermächtigten Organe oder Organisationen, mit welcher für Bürger oder Organisationen Rechte und Pflichten geschaffen werden oder deren Rechte, Freiheiten oder gesetzliche Interessen unmittelbar beeinträchtigt werden, sowie die Ablehnung vom Erlass eines solchen Akts“. Konsequenz: Die Definition bedient sich des organisatorisch-funktionalen Behördenbegriffs (§ 35 VwVfG meint dagegen den funktionellen), und die Verwaltungsaktsqualität einer Ablehnung ist ausdrücklich geregelt. Abs. 2 definiert dann den feststellenden Verwaltungsakt, leider ohne Beschränkung auf Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts. Diese muss man aus dem Zusammenhang mit Abs. 1 hineinlesen bzw. eine behördliche Feststellung von privaten Rechtsverhältnisse für rechtswidrig erklären. Abs. 3 regelt als Sonderfall den erfolgten oder abgelehnten Erlass eines Dokuments mit Bedeutung für die Anerkennung, Ausübung oder das Erlöschen von Rechten und Pflichten. Individueller Verwaltungsakt ist nach Abs. 4 auch die Weigerung einer Behörde, eine Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Abs. 5 nimmt dann die Willenserklärungen, Handlungen und Unterlassungen heraus, die Teile eines Verwaltungsverfahrens sind. Damit wird dasselbe erreicht wie mit § 44a VwGO: Die Unzulässigkeit ihrer isolierten Anfechtung (nochmals speziell angeordnet in Art. 64 APK). Gemäß Art. 22 ist der gesamte restliche Abschnitt auf individuelle Verwaltungsakte mit besonders geregeltem Verfahren und auf solche der Regierung unanwendbar. Im Folgenden wird geregelt: Die Zuständigkeit innerhalb von Gemeinden; die Initiative für den Beginn des Verfahrens (Bürger oder von Amts wegen); die Hindernisse für eine Verfahrenseröffnung, insbesondere die entgegenstehende Bestandskraft eines Verwaltungsakts oder die anderweitige Anhängigkeit eines Verfahrens in derselben Sache (Art.. 27 Abs. 2), die Akteneinsicht und verschiedene Informationspflichten der Behörde; die Hinweispflichten der Behörde (z. B. zur Behebung von Unvollständigkeiten im Antrag); die Ablehnung von Amtspersonen (unter gleichzeitiger Einführung einer Legaldefinition der Befangenheit, genannt „Interessenkonflikt“, im Beamtengesetz); etwas versteckt: die Anhörung (Art. 34 Abs. 3, mit Termin: Art. 45) und die Gründe, von ihr abzusehen (Art. 34 Abs. 4); die Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen und die geeigneten Beweismittel (interessant dabei: die Subsidiarität des Ortstermins, Art. 52); Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte (Art. 48); Unterbrechung und Wiederaufnahme des Verfahrens (Art. 54, 55); Verfahrenseinstellung (Art. 56). Eine erstaunliche und in der Praxis wohl kaum einzuhaltende Regelung findet sich in Art. 57 Abs. 1 APK: Im Normalfall beträgt die Frist zwischen Eröffnung des Verfahrens und Entscheidung über den Erlass eines Verwaltungsakts 14 Tage! Ist die Erforschung des Sachverhalts oder die Anhörung von Betroffenen erforderlich, beträgt die Frist einen Monat (Abs. 5). Art. 58 Abs. 1 APK sagt dann: Die Nichterklärung über den Erlass des Verwaltungsakts innerhalb der dafür bestimmten Frist gilt als Ablehnung! Damit sind „Untätigkeitsklagen“ vorprogrammiert; die drastische Verfahrensbeschleunigung durch extrem kurze Entscheidungsfristen führt nur zur Erhöhung der Zahl der durchzulaufenden Instanzen. Art. 59 APK regelt die Form von Verwaltungsakten. Vorbehaltlich abweichender Spezialbestimmungen gilt das Schriftformerfordernis mit Begründung.
Es folgt in Gestalt von Art. 60 der Beginn einer sehr komplizierten Regelung der sofortigen Vollziehbarkeit und der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen. Die Sofortige Vollziehbarkeit kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 bei oder nach Erlass des Verwaltungsakts angeordnet werden. Dagegen ist innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe Klage zulässig, auch ohne Anfechtung des Verwaltungsakts. Diese isolierte Klage gegen die Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung, jedoch kann das Gericht die sofortige Vollziehung bis zur Entscheidung über die Klage stoppen. Diese Entscheidung selbst muss ohnehin „unverzüglich“ in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden. Hebt das Gericht die Anordnung auf, ordnet es die Rückgängigmachung einer etwa erfolgten Vollziehung und entscheidet den Streit auch in der Hauptsache (Art. 60 Abs. 6). Letzteres dürfte nur dann zulässig sein, wenn der Kläger auch die Grundverfügung angefochten hat, was er nach Abs. 4 nicht machen muss. Sofern der Verwaltungsakt nicht kraft Gesetzes oder behördlicher Anordnung sofort vollziehbar ist, haben Rechtsmittel dagegen aufschiebende Wirkung (Art. 166 Abs. 1). Ist die sofortige Vollziehbarkeit „bestandskräftig“ geworden, kann sie vom Gericht nach erhobener Klage zur Hauptsache dennoch unter den Voraussetzungen des Art. 166 Abs. 2 (drohende erhebliche Nachteile) gestoppt werden; im Falle ihrer behördlichen Anordnung kann der Antrag jedoch nur auf neue Tatsachen gestützt werden (Art. 166 Abs. 2 Satz 2 APK). Der Drei-Tages-Frist nach Art, 60 Abs. 4 kommt somit zentrale Bedeutung zu. Immerhin darf die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit zur Sicherung von Rechten anderer Privater nur gegen Sicherheitsleistung durch diese Privatpersonen anordnen (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 APK). Nach Erhebung der Klage zur Hauptsache kann die Anordnung nur noch durch das Gericht auf Antrag einer Partei – auch der Behörde erfolgen Art. 167 abs. 1). Droht dadurch ein erheblicher Nachteil für den Adressaten, kann das Gericht Sicherheit verlangen (Art. 167 Abs. 2); leider ist nicht klar, von wem. In entsprechender Anwendung von Art. 60 Abs. 2 Satz 2 dürfte das der Private sein, zu dessen Gunsten die Vollziehung erfolgt, im Übrigen die Behörde.
Der Abschnitt endet mit Bestimmungen über die Bekanntgabe von Verwaltungsakten und die Korrigierbarkeit offensichtlicher Fehler auch nach Eintritt der Bestandskraft. Eine Unterscheidung zwischen rechtswidrigen und nichtigen Verwaltungsakten gibt es hier nicht. Erst im Abschnitt über die Urteilswirkungen findet sich in Art. 177 Abs. 2 die Aussage: „Akte und Handlungen einer Behörde, die zu einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung in Widerspruch stehen, sind nichtig. Jede Person, die an der Nichtigkeit ein Interesse hat, kann sich jederzeit hierauf berufen oder ihre Feststellung durch das Gericht beantragen“. Und dann kennt die Rechtswegklausel des Art. 128 Abs. 1 Nr. 8 die Zuständigkeit für die Erklärung von Akten nach dem APK für unecht in ihrer Eigenschaft als Urkunden.
Abschnitt II (Art. 65 – 74) regelt den Erlass von allgemeinen Verwaltungsakten. Nach der erstmals im bulgarischen Recht gegebenen Legaldefinition sind das die erlassenen oder abgelehnten Verwaltungsakte mit Wirkung für den Einzelfall, welche für eine unbestimmte Anzahl von Personen Rechte oder Pflichten schaffen oder deren Rechte, Freiheiten oder gesetzliche Interessen unmittelbar beeinträchtigen (Art. 65 Abs. 1 APK). Es sind dies also die konkret-generellen Verwaltungsakte. Die Anhörung kann sich bei Bedarf auch an benachbarte Länder und ihre Angehörige richten. Jedoch können in dringenden Fällen einzelne Anhörungsvorschriften unbeachtet bleiben. Im Übrigen gelten die Regelungen über individuelle Verwaltungsakte subsidiär (Art. 74 APK).
Abschnitt III (Art. 75 – 80) regelt schließlich die sog. normativen Verwaltungsakte. Das sind nach der Legaldefinition in Art. 75 Abs. 1 untergesetzliche Verwaltungsakte, welche Verwaltungsrechtsnormen beinhalten, sich auf eine unbestimmte und unbegrenztre Anzahl von Personen beziehen und in mehreren Fällen gelten. Hierunter fallen auch Rechtsverordnungen (fristlos anfechtbar), nicht dagegen auch Bebauungspläne.Zudem dienen sie gemäß dem Abs. 2 der Anwendung von Gesetzen oder anderen höherangigen untergesetzlichen normativen Akten. Das sind also abstrakt-generelle Regelungen, mithin materielle Gesetze, die sich von formellen Gesetzen und Rechtsverordnungen nur durch die Bezeichnung in der Ermächtigungsnorm unterscheiden. Das stellt Art. 76 Abs. 1 APK nochmals klar, indem er nur ausdrücklich durch die Verfassung oder anderes Gesetz ermächtigte Organe für zuständig erklärt. Sofern die normativen Verwaltungsakte nicht von Gemeinden erlassen werden, sind sie wie Gesetze zu verkünden. Subsidiär gilt diesmal nicht Abschnitt I – „Individuelle Verwaltungsakte“, sondern das Gesetz über normative Akte.
Kapitel 6 regelt die Anfechtung von individuellen und allgemeinen Verwaltungsakten im administrativen Wege. Die Bürger können den Verwaltungsakt umfassend, d. h. auch in seiner Zweckmäßigkeit (Legaldefinition: § 1 Nr. 3 der Zusatzbestimmungen) anfechten (Art. 83 Abs. 2), der Staatsanwalt dagegen kann nur die Rechtmäßigkeit überprüfen lassen (Art. 83 Abs. 3). Sein Rechtsmittel heißt „Protest“; im Übrigen spricht das Gesetz von „Klage“, ohne einen besonderen Terminus des „Widerspruchs“ zu verwenden. Zuständig ist die nächsthöhere Behörde (Art. 81 Abs. 1 APK). Die Verwaltungsakte von obersten Behörden und diverser Oberbehörden (etwa der Nationalbank) können nicht im Verwaltungswege angefochten werden; dasselbe kann in Spezialgesetzen vorgesehen werden. Bemerkenswert und unter Rechtsschutzgesichtspunkten bedenklich ist die Möglichkeit, bei Nichteinhaltung bestimmter Formalien, etwa der Frist (gemäß Art. 84 Abs. 1: 14 Tage), das Begehren unerörtert zu lassen. Immerhin bestimmt Art. 88 abs. 2 APK, dass bei Anfechtung vor der unzuständigen Behörde an die zuständige verwiesen wird und im Übrigen das Verfahren durch die Widerspruchsbehörde eingestellt wird. Die Einstellung kann nach Abs. 3 innerhalb von 7 Tagen angefochten werden. Im Zusammenhang mit den Fristen regelt Art. 89 APK die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei ihrer unverschuldeten Versäumung, während Art. 90 die Vollziehung von nicht sofort vollziehbaren Verwaltungsakten vor Eintritt der Bestandskraft ausdrücklich verbietet. Angefochten wird vor der Ausgangsbehörde (Art. 84 Abs. 1), die innerhalb von 7, bei Kollektivorganen – 14 Tagen – den angefochtenen Verwaltungsakt teilweise oder voll aufheben bzw. den begehrten Verwaltungsakt erlassen kann. Dieser Abhilfebescheid kann Gegenstand weiterer Anfechtungen nach den allgemeinen Vorschriften sein (wichtig für das Dreiecksverhältnis). Bei Nichtabhilfe muss die Akte innerhalb von 3 Tagen nach Ablauf der Abhilfefrist an die Widerspruchsbehörde übermittelt werden. Diese kann die Beteiligten nochmals anhören und muss innerhalb von 2 Wochen, bei kollektiven Organen innerhalb eines Monats nach Eingang der Akten entscheiden, Art. 97 Abs. 1 APK. Bei juristisch oder faktisch komplizierten Angelegenheiten kann die Widerspruchsbehörde eine mindestens dreiköpfige Kommission einberufen und ihr eine Frist zur Stellungnahme geben.
Kapitel 7 regelt das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Dieses kann aus den Gründen des Art. 99 APK innerhalb von drei Monaten ab Betsandskraft bei Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erfolgen. In den übrigen Fällen (neue Tatsachen, z. B. Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Verurteilung eines Beteiligten, Nichtigerklärung von Urkunden etc.) oder bei Entdeckung unbekannter Beweismittel oder Hindernisse (wie die entgegenstehende Bestandskraft) beträgt die Frist 3 Monate ab Kenntnis der Behörde vom Umstand, jedoch nicht höher als einem Jahr nach Eintritt des Umstandes. Der ggf. neu erlassene Verwaltungsakt unterliegt der Anfechtung nach den allgemeinen Vorschriften. Ab Eröffnung des neuen Verfahrens laufen qua Verweis die allgemeinen Bearbeitungsfristen.
Kapitel 8 reglementiert die Befugnis und das Verfahren nach Vorschlägen und Anzeigen.Vorschläge betreffen vor allem die Verbesserung der Organisation der Verwaltung (Art. 107 Abs. 2). Zur Anzeige gebracht werden können „Machtmissbrauch, Korruption, schlechte Verwaltung von staatlichem oder kommunalem Vermögen und sonstige rechts- oder zweckwidrige Handlungen oder Unterlassungen von Behörden und einzelnen Beamten, welche Interessen des Staates oder der Öffentlichkeit sowie Rechte und rechtliche Interessen anderer Personen beeinträchtigen“ (Art. 107 Abs. 4). Von Interesse ist hier der Jedermanns-Anspruch auf Befassung mit der Sache (Art. 109) und – bei „Stattgabe“ eines Signals – auf Rückgängigmachung der schädlichen Folgen der rechts- oder zweckwidrigen Handlung und – wenn Letzteres unmöglich ist – auf angemessene Entschädigung (Art. 125 Abs. 3). Der Jurist freut sich, wenigstens hier (bei der Zuständigkeit zur Entgegennahme von Vorschlägen und Anzeigen) eine funktionelle Abgrenzung von „Behörden und sonstigen mit der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Funktionen betrauten Organen“ zu finden.
Unmittelbar daran schließt sich Teil 3 des APK – „Verfahren vor Gericht“ (wie erwähnt: In Kraft ab 10.03.2007).. Kapitel 9 bestimmt die Zuständigkeit. Art. 128 enthält eine umfassende Regelung des Rechtswegs nach Klagearten und – bezüglich der Staatshaftung – unter Benennung einzelner Anspruchsgrundlagen.. Grundsätzlich wird der Prozess in zwei Instanzen geführt (Art. 131). Die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen können weder durch Vereinbarung noch durch rügelose Einlassung des Gegners modifiziert werden (Art. 134 Abs. 1). Ausnahme: Art. 134 Abs. 2. Demnach können Einwände gegen die örtliche Zuständigkeit nur bis zum Schluss der ersten mündlichen Verhandlung vor der ersten Instanz von den Parteien oder von Amts wegen erhoben werden. Elektronische Dokumente mit elektronischen Signaturen sind vor Gericht grundsätzlich zulässig (Art. 141).
Der Besondere Teil ist etwas unübersichtlich unterteilt. Kapitel 10 regelt in vier Abschnitten die Anfechtung vor Verwaltungsakten in erster Instanz nach ihrer Art. Abschnitte I bis III behandeln die individuellen, die allgemeinen und die normativen Verwaltungsakte. Abschnitt IV bezieht sich auf die Ablehnung vom Erlass solcher. Denn entsprechend der Terminologie zu jeder der drei Arten ist auch die Ablehnung ein Verwaltungsakt, folglich spricht das Gesetz von „Anfechtung der Ablehnung“. Der Sache nach ist das die deutsche Verpflichtungsklage, terminologisch aber ein Unterfall der Anfechtungsklage. Unentbehrliche Zulässigkeitsvoraussetzung ist die Klagebefugnis (Art. 147 Abs. 1 APK; gilt nicht für Proteste des Staatsanwalts). Dagegen kann der Kläger erstaunlicherweise wählen, ob er durch Anfechtung auf dem administrativen Wege zuerst ein Vorverfahren durchführt (Art. 148 APK). Die Klagefrist beträgt 14 Tage ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts (Art.. 149 Abs. 1), bei fingierter Ablehnung oder (ausnahmsweise eintretender) fingierter Zustimmung infolge der Untätigkeit der Verwaltung – einen Monat nach Ende der Entscheidungsfrist (Art. 149 Abs. 2). Für Klagen auf Nichtigerklärung gibt es keine Frist (Art. 149 Abs. 5). Unter Rechtsschutzgesichtspunkten völlig unakzeptabel ist die Beibehaltung der bisherigen Regelung zur Zuständigkeit für die Entgegennahme von Klagen. Das ist nicht etwa das Gericht, wie man vermuten würde, sondern die Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (Art. 152 Abs. 1 APK). Spätestens drei Tage nach Ablauf der Anfechtungsfristen für alle potenziellen Kläger reicht die Behörde eine Abschrift der Klage an das Gericht weiter (Art. 152 Abs. 2). Kommt sie diesen Verpflichtungen nicht nach, fordert das Gericht die Klage auf Grund einer Kopie hiervon von Amts wegen an (Art. 152 Abs. 4). Fragt sich nur, woher das Gericht von der Klage erfährt und wie es an eine Kopie herankommt. Der Kläger muss offenbar aktiv die Entwicklung beobachten und auf eine Benachrichtigung über den Eingang der Klage bei Gericht achten. Er muss sich auf den guten Willen genau jener staatlichen Stelle verlassen, durch welche er sich in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt. Hier besteht dringender Nachholbedarf. Effektiver Rechtsschutz bedeutet ungehinderten Zugang zum Gericht.
Klagerücknahme ist jederzeit ohne Zustimmung des Gegners zulässig (Art. 155 Abs. 1), lediglich bei der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit bildet der Schluss der ersten mündlichen Verhandlung die Grenze (Art. 155 Abs. 2). Der vorprozessuale Rechtsmittelverzicht ist unwirksam (Art. 155 Abs. 4). Nach Schluss der ersten mündlichen Verhandlung kann die Behörde dagegen den angefochtenen Verwaltungsakt nur mit Zustimmung des Klägers zurücknehmen oder den begehrten erlassen (Art. 156 Abs. 2 APK). Selbst in diesem Fall wird der Prozess insofern fortgeführt, als der Kläger auch einen Anspruch auf Entschädigung geltend gemacht hatte. Dadurch schafft Art. 156 Abs. 4 eine ähnliche Möglichkeit wie die deutsche „Fortsetzungsfeststellungsklage“. Ähnlich wie bei der behördlichen Anfechtung findet sich hier die (anfechtbare!) Einstellung des Verfahrens bei Nichterfüllung gewisser Formalien wie der Einhaltung der Klagefrist (Art. 160 APK). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch hier möglich (Art. 161), und zwar wegen der versäumten Anfechtungsfrist. Auf die Regelungen über die aufschiebende Wirkung und die sofortige Vollziehbarkeit wurde bereits hingewiesen. Es findet sich eine generelle Beweislastregelung und die Zulässigkeit der Verwertung von im Verwaltungsverfahren erhobenen Beweisen. Das Gericht prüft alle Anfechtungsgründe wie Zuständigkeit und Rechtmäßigkeit von Amts wegen und ist an die Vorträge nicht gebunden (Art. 168 Abs. 1 i. V. m. Art. 146 APK). Die Nichtigkeit des Verwaltungsakts muss nicht einmal behauptet werden; sie wird von Amts wegen festgestellt (Art. 168 Abs. 2 APK). Dadurch erübrigen sich kostspielige Hilfsanträge. Das Gericht überprüft nur die Rechtmäßigkeit von Ermessensentscheidungen (Art. 169 APK). Aus der Formulierung „Das Gericht prüft beim Erlass eines Verwaltungsakts nach Ermessen, ob die Behörde Ermessensspielraum hatte“ folgt, dass allein die Berufung auf eine Ermessensnorm nicht ausreicht; eine Ermessensreduzierung auf Null im Einzelfall ist also möglich. Eine Entscheidung muss binnen eines Monats nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ergehen. Anders als im deutschen Recht darf das Gericht „gebundene“ Verwaltungsakte selbst erlassen (Art. 173 Abs. 1). Ein vor Gericht geschlossener Vergleich muss vom Gericht bestätigt werden; gegen die Ablehnung der Bestätigung können nur beide Parteien zusammen klagen (Art. 179 Abs. 3). Der gerichtlich bestätigte Vergleich hat die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils (Art. 179 Abs. 6).
Die Anfechtung allgemeiner Verwaltungsakte (Frist: 14 Tage ab individueller Bekanntgabe, sonst 1 Monat) hat keine aufschiebende Wirkung (Art. 180 Abs. 1 APK). Sie kann nach den allgemeinen Regeln wiederhergestellt oder angeordnet werden. Die gerichtliche Aufhebung und Nichtigerklärung von individuellen und allgemeinen Verwaltungsakten gilt gegenüber jedermann (Art. 177 Abs. 1 bzw. Art. 183 APK).
Auch für die Anfechtung von normativen Verwaltungsakten ist Klagebefugnis des Bürgers oder der Organisation erforderlich (freilich reicht die Möglichkeit von Betroffenheit aus, Art. 186 Abs. 1). Anfechtungsfristen gibt es hingegen nicht (Art. 187 Abs. 1). Allerdings ist die wiederholte Anfechtung aus demselben Grund unzulässig (Art. 187 Abs. 2), sodass der Veröffentlichung der Anfechtung im Gesetzesblatt, im Gerichtsgebäude und auf der Internetseite des Obersten Verwaltungsgerichts (Art. 188, 181 APK) besondere Bedeutung zukommt. Die Anfechtung hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (Art. 190 Abs. 1), jedoch gilt die Aufhebung des Verwaltungsakts gegenüber jedermann (Art. 193 Abs. 2). Die Beteiligung des Staatsanwalts ist hier obligatorisch (Art. 192).
Geklagt werden kann auch gegen die ausdrückliche behördliche Ablehnung, sich mit dem Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts in der Sache zu befassen, sowie gegen die Einstellung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens (Art. 197 bzw. 202 APK). Die Frist beträgt 14 Tage ab Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung. Die Behörde, bei der die Klage erhoben wird, fordert alle übrigen Parteien des Verwaltungsverfahrens, sich binnen 7 Tagen zur Klage zu äußern, und leitet dann Letztere an das Gericht weiter. Innerhalb eines Monats muss das Gericht entweder die Klage abweisen oder die Ablehnung bzw. Einstellung aufheben und die Sache an die Behörde zurückverweisen (Art. 200 APK). Im letztgenannten Fall muss die Behörde zum Antrag in der Sache entscheiden.
Kapitel 11 regelt die prozessuale Behandlung von Entschädigungsansprüchen gegen den Staat, sofern das Gesetz über die Haftung des Staates und der Gemeinden für Schäden nicht einschlägig ist.
Kapitel 12 regelt das Kassationsverfahren (Revision). Kapitel 13 befasst sich mit der Anfechtung einzelner prozessleitender Verfügungen und Bestimmungen des Gerichts, Kapitel 14 mit der Möglichkeit, rechtkräftige Urteile aufzuheben.
Kapitel 15 springt dann wieder zur ersten Instanz zurück. Er besteht aus nur 7 Artikeln, die jedoch sehr schwer einzuordnen sind. Die Überschrift lautet: „Schutz vor grundlosen Handlungen und Unterlassungen der Verwaltung“. Abschnitt I ist dem Schutz gegen Handlungen gewidmet. Man könnte meinen, es handele sich um die allgemeine Leistungsklage in Gestalt der Unterlassungsklage. Allerdings scheint die Definition des individuellen Verwaltungsakts, welche Art. 21 APK gibt, auch Realakte zu erfassen, denn hiernach reicht auch die Ablehnung vom Erlass eines Verwaltungsakts und die unmittelbare Beeinträchtigung von Rechten und rechtlichen Interessen. Dann könnte die Ablehnung (Willenserklärung), ein Tun zu unterlassen, Verwaltungsakt sein. Kapitel 15 Abschnitt I wäre dann trotz seiner missverständlichen Überschrift eine Form des einstweiligen Rechtsschutzes. Dafür spricht, dass das Gericht sich „unverzüglich“ mit dem Begehren befassen muss (Art. 252 Abs. 1 APK). Das geschieht durch eine rasche Anfrage beim zuständigen Beamten nach den Gründen für das beanstandete Verhalten (Art. 252 Abs. 2 APK) sowie durch andere geeignete Maßnahmen zur Feststellung des Verhaltens und der Gründe, bei Bedarf auch unter Zuhilfenahme der Polizei (Art. 252 Abs. 3 APK). Die so gewonnenen Erkenntnisse und die von den Parteien vorgebrachten Beweismittel dienen als Grundlage für die ebenfalls unverzüglich zu treffende Entscheidung in Form der Verfügung (Art. 253 Abs. 1 APK). Wird der Antrag nicht zurückgewiesen, ordnet das Gericht die bedingungslose Einstellung der Handlungen, die dem Gesetz oder einem einschlägigen Verwaltungsakt widersprechen. Die Verfügung wird von der Polizei unverzüglich umgesetzt (Art. 253 Abs. 2 APK). Wird ein Interessenkonflikt festgestellt, teilt das Gericht dies dem Vorgesetzten des befangenen Beamten mit, damit dieser „die erforderlichen Maßnahmen“ treffen kann (Art. 253 Abs. 3 APK).. Offenbar wird dadurch ähnlich wie beim Ermessen der Gewaltenteilung Rechnung getragen: Die Benennung eines anderen Beamten ist eben Sache der Verwaltung. Gegen die Verfügung findet die Beschwerde nach Kapitel 13 statt, die jedoch keine aufschiebende Wirkung hat (Art. 254 APK). Besonderheiten gelten bei Unterlassungen der Verwaltung (Abschnitt II). Wird die Handlungspflicht direkt vom Gesetz abgeleitet, so beträgt die Klagefrist 14 Tage ab Einreichung eines entsprechenden Antrags bei der Behörde (Art. 256 APK). Beruht die Pflicht dagegen auf einem Verwaltungsakt, gibt es keine Klagefrist, und es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Anfechtung von Verwaltungsakten („Verpflichtungsklage“) entsprechend (Art. 257 APK). Das Gericht verurteilt die Behörde zur Vornahme der Handlung unter Bestimmung einer Frist, oder die Klage wird abgewiesen. Fazit: Abschnitt I füllt die Lücken des Rechtsschutzes im Zusammenhang mit Verwaltungsakten. Da die Definition des Verwaltungsakts sehr weit gefasst ist, geht es im Ergebnis um einstweiligen Rechtsschutz, also in der Zeit vor einer ausdrücklichen oder gesetzlich fingierten Entscheidung über einen Antrag bei der Behörde, z. B. auf Unterlassung der Handlung. Bei Unterlassungen (Abschnitt II) gilt nichts anderes. Denn hiernach kann die Unterlassung von Handlungen „angefochten“ werden, zu denen die Verwaltung kraft einer Rechtsnorm verpflichtet ist. Aus der missverständlichen Regelung in Art. 256 und 257 ergibt sich, dass die „Anfechtung“ sich nach den Vorschriften über Verwaltungsakte („Anfechtungsklage“) richtet. Der Kläger muss zuerst bei der Behörde die Vornahme der Handlung beantragen; hierfür gibt es keine Frist. Ab Antragstellung dagegen beginnt der Lauf einer 14-tägigen Klagefrist. Der Sinn der Regelung: Nach 14 Tagen muss ohnehin eine behördliche Entscheidung in Form des Verwaltungsakts ergehen, oder im Regelfall wird die Ablehnung fingiert. Der Sinn eines Vorgehens nach Art. 256 ff kann also nur die Eilbedürftigkeit der Sache sein. Eine Klarstellung in diesem Sinne wäre sehr wünschenswert.
Teil 5 regelt die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Verwaltungsakten. Als dritte Art von Vollstreckungstiteln nennt Art. 268 APK die vor einer Behörde oder einem Verwaltungsgericht geschlossenen Vergleiche. Nach einer aus dem deutschen Recht bekannten Differenzierung zwischen gerichtlichen und behördlichen Titeln sucht man vergeblich. Deswegen kann man nur erahnen, ob und wann eine Vollstreckung ohne Grundverfügung zulässig ist. Art. 271, der die Zuständigkeit regelt, benennt u. a. hierfür „das Organ, welches den Verwaltungsakt erlassen hat oder hätte erlassen müssen“. Und auch Art. 276, wo der Beginn der Vollstreckung geregelt ist, besagt in Abs. 1: „Die Vollstreckung beginnt von Amts wegen auf Initiative des Organs, welcher den Verwaltungsakt erlassen hat oder hätte erlassen müssen“. Ähnlichkeit zum deutschen Recht besteht hingegen insofern, als öffentlich-rechtliche Forderungen auf Grund solcher Titel nicht nach diesem Gesetz, sondern auf demselben Weg vollstreckt werden wie Steuerforderungen. Privatrechtliche Forderungen des Staates sowie Staatshaftungsansprüche des Bürgers wegen Schäden infolge rechtswidriger Verwaltungsakte oder deren Vollstreckung werden nach dem Zivilprozessualen Kodex vollstreckt; dasselbe gilt für Kostenansprüche. Art. 272 enthält eine Auffangregelung des Ermessens bezüglich der Vollstreckungsmittel und schreibt die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor. Ausdruck hiervon ist die Regelung von Abs. 2: Das Betreten von Wohnungen zu anderen Zwecken als zu ihrer gerichtlich angeordneten oder bestätigten Räumung bedarf der gesonderten gerichtlichen Genehmigung. Art. 274 stellt klar, dass es sich um ein eigenes Vollstreckungsverfahren mit einem Vollstreckungsgläubiger und einem Vollstreckungsschuldner handelt. Art. 275 regelt detailliert Fragen der Rechtsnachfolge. Zuständig kann entweder eine Behörde oder der Gerichtsvollzieher sein. Letzterer vollstreckt gegen den Staat – ein Vorgehen, welches eine Zeit lang nicht möglich war. Die Änderung ist in diesem Punkt sehr begrüßenswert. Die Maßnahmen der Vollstreckungsorgane heißen nach der Legaldefinition des § 271 Abs. 6 APK „Verordnungen“. Eine wichtige Formvorschrift findet sich in Art. 277: Demnach muss der Vollstreckungsschuldner zuerst schriftlich aufgefordert werden, den titulierten Anspruch binnen 14 Tagen freiwillig zu erfüllen. Abs. 2 enthält einen umfassenden Katalog mit Belehrungen und sonstigen Angaben, die die Aufforderung unbedingt enthalten muss. Hier werden die Anwälte künftig viele potenzielle Fehlerquellen zur Verfügung haben. Nochmals muss aber betont werden, dass nicht klar geregelt ist, wann diese Schritte (vor allem in Eilfällen) ausgelassen werden dürfen. Art. 59 Abs. 3 zum Beispiel sagt nur, dass mündliche oder in einem Tun bzw. Unterlassen bestehende Verwaltungsakte nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig sind, sodass die Annahme eines gleichzeitig mit der Vollstreckung erfolgenden Grundverfügungserlasses nichts über die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise aussagt. Klare Regeln gibt es dagegen für die Aussetzung (Art. 280) und die Einstellung (Art. 282) der Vollstreckung. Dazu zählt etwa die rechtliche oder faktische Unmöglichkeit. Aufgabe der Rechtsprechung wird es beispielsweise sein, diese Bestimmung auf Verstöße gegen Unterlassungspflichten anzuwenden. Hier dürfte die durch den Verstoß selbst begründete Unmöglichkeit kein Hindernis für die Beitreibung des Zwangsgeldes sein. Art. 285 enthält eine Auffangregelung der Verjährung: Vollstreckungstitel werden nach Ablauf von 5 Jahren seit In-Kraft-Treten nicht vollstreckt, wenn sich der Vollstreckungsschuldner darauf beruft. Die Art. 286 bis 291 APK enthalten Details der Vollstreckung nach Art der vollstreckten Maßnahme (vertretbare oder unvertretbare Handlung, Herausgabe von Sachen) und des Vollstreckungsschuldners (gegen Personen und gegen Verwaltungsorgane). Der Beamte, der im Namen einer Behörde als Vollstreckungsschuldnerin einer unvertretbaren Handlung für die Nichteinhaltung der Pflicht verantwortlich ist, muss mit einer Geldbuße von umgerechnet 25 bis 600 € pro Woche rechnen (Art. 290 Abs. 1 Satz 1). Das ist für bulgarische Verhältnisse exorbitant hoch. Bei Kollektivorganen gilt das nur für die Mitglieder nicht, die für die Erfüllung der Pflicht gestimmt haben (Art. 290 Abs. 1 Satz 2 APK). Folgerung: Auch die Enthaltung ist dem Gesetzgeber zu „passiv“, als man sich damit der Verantwortung entziehen könnte.
Es folgt eine knappe und übersichtliche Regelung der Rechtsbehelfe im Vollstreckungsverfahren. Unter der Überschrift „Negative Feststellungsklage“ erlaubt Art. 292 dem Vollstreckungsschuldner, gegen den Vollstreckungsgläubiger mit der Begründung zu klagen, dass nach Rechts- oder Bestandskraft des Titels Einwendungen gegen den titulierten Anspruch entstanden sind. Schutz gegen die Art und Weise der Vollstreckung, d. h. Gegen Maßnahmen der Vollstreckungsorgane (Tun, Unterlassen oder „Verordnungen“), wird im Wege der Klage nach Art. 294 ff gewährt. Bei Handlungen beträgt die Frist 7 Tage ab deren Vornahme oder Kenntniserlangung durch den Klagebefugten. Das kann außer dem Vollstreckungsschuldner jede Person sein, die sich durch die Vollstreckung in ihren Rechten, Freiheiten oder rechtlichen Interessen betroffen fühlt (Art. 295 APK). Gemäß Art. 297 Abs. 4 hat die Klage keine aufschiebende Wirkung in Bezug auf die Vollstreckung. Das Gericht kann sie aber anordnen. Art. 299 APK enthält eine Schadensersatzgrundlage wegen rechtswidriger Vollstreckungsmaßnahen und regelt die Passivlegitimation. Art. 301 regelt die Rückgängigmachung der Vollstreckung eines nach deren Beginn aufgehobenen Verwaltungsakts. Ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht möglich, kann der Geschädigte auf anderem gesetzlich vorgesehenen Weg befriedigt werden. Erst wenn dies nicht geschieht, hat er Anspruch auf angemessene Entschädigung.
Der sechste und letzte Teil des Gesetzes enthält Bußgeldvorschriften. Hier wird nochmals das erklärte Ziel der Korruptionsbekämpfung vor Augen geführt: So ist es zum Beispiel ordnungswidrig, wenn ein Beamter ohne triftigen Grund über einen Widerspruch oder Protest (so heißt der Widerspruch des Staatsanwalts) nicht fristgemäß entscheidet (Art. 303 Nr. 1 APK). Dasselbe gilt – und das ist enorm wichtig – für die nicht fristgemäße Weiterleitung der Klage an das Gericht (Art. 303 Nr. 2 APK). Am höchsten ist das Bußgeld bei Nichtbefolgung gerichtlicher Entscheidungen (Art. 304 APK): Bis zu umgerechnet 1.000 €!
Am Ende befinden sich die Zuatz-, Übergangs- und Schlussbestimmungen, geordnet nach §§, auf die, sofern hier relevant, an der entsprechenden Stelle hingewiesen wurde.