Was geschieht eigentlich, wenn ein Anleger auf Empfehlung seines Anlageberaters in eine Kapitalanlage investiert, dieser dem Kunden allerdings gar kein Prospekt aushändigt oder sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Prospekt inhaltlich falsch ist? Der Anleger hatte im Vertrauen auf seinen Berater geglaubt, auf ein goldenes Pferd zu setzen. Nun aber ist das Geld verloren und der Anleger stellt sich die Frage, ob er vielleicht jemanden haftbar machen kann. Immer mehr Anleger ziehen im Schadensfall vor den Kadi. Die Gerichte beschäftigen sich in den letzten Jahren mehr als jemals zuvor mit der Haftung von Kapitalmarktberatern aufgrund unzureichender Aufklärung einerseits, sowie der Haftung von Emittenten aufgrund falscher Angaben in Prospekten andererseits.
Zum Glück für die Anleger stehen die Chancen, das Geld vom Berater oder dem Emittenten ersetzt zu bekommen, heute so gut wie niemals zuvor. Eine unzureichende Aufklärung liegt beispielsweise dann vor, wenn der Berater seinem Kunden vor dem Kauf kein Prospekt über die Kapitalanlage ausgehändigt hat oder der Prospekt fehlerhaft war.. Allerdings gilt die Prospektpflicht nicht für alle Formen von Geldanlagen. – Und wo keine Prospektpflicht besteht, können auch keine Haftungsansprüche geltend gemacht werden, falls ein Prospekt fehlt oder mangelhaft ist.
Auf der anderen Seite haben sich die Rechte der Anleger im Schadensfall aufgrund der jüngsten Bundesgerichtshof-Rechtsprechung zum Fall der insolventen Göttinger-Gruppe stark verbessert. Denn es kommt in Zukunft nicht mehr darauf an, ob der Anleger den fehlerhaften Prospekt erhalten oder gelesen hat. Es kommt für eine Haftung des Emittenten nur noch darauf an, dass der Inhalt des Prospektes fehlerhaft und der Mangel wesentlich ist. Zugunsten des Anlegers gilt die Vermutung, dass er die Anlage aufgrund der durch den Prospekt hervorgerufenen Aussichten erworben hat.
Welche Kapitalanlagen unterliegen der Prospektpflicht?
1990 wurde das so genannte Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz eingeführt. Der Gesetzgeber hat dadurch die gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts für das öffentliche Angebot von Wertpapieren geschaffen. Zum 1. Juli 2005 wurden mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) die Rechte der Anleger entscheidend verbessert. Welche Geldanlagen im Einzelnen prospektpflichtig sind, ist hier ebenso ausdrücklich geregelt wie die Ausnahmen von der Prospektpflicht.
Gemäß § 1 Abs. 1 WpPG besteht Prospektpflicht für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren liegt in der Regel dann vor, wenn mehr als 100 Anleger mit dem Kaufangebot angesprochen werden sollen und/oder die Mindestzeichnungssumme beziehungsweise die Stückelung der Wertpapiere unter 50.000 Euro liegt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für folgende Geldanlagen eine Prospektpflicht besteht:
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Aktien
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Offene und geschlossene Fonds
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Genussscheine
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Anleihen (Inhaberschuldverschreibungen, Namensschuldverschreibungen, Zerobonds, Junk Bonds, Teilgewinnschuldverschreibungen, Hypothekenanleihe)
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Hybride Finanzinstrumente (Wandelschuldverschreibungen, Optionsschuldverschreibungen, Wandelgenussscheine, Hybridanleihen)
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Zertifikate und derivative Finanzinstrumente (Inflationsgesicherte Anleihen, ewig laufende Anleihen, Perpetuals)
Die Prospektpflicht gilt sowohl bei einer außerbörslichen Platzierung als auch bei einem Börsengang am geregelten oder amtlichen Markt sowie beim Handel im Freiverkehr.
Wer haftet im Falle eines mangelhaften Prospektes?
Bereits seit dem 1. April 1998 werden sämtliche Prospekte vom Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel beziehungsweise von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hinsichtlich ihrer formalen Vollständigkeit geprüft. Sehr zum Leidwesen der Anleger werden die Prospekte hierbei aber nicht auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin untersucht.
Die Haftung ergibt sich aus §§ 44 ff. Börsengesetz (BörsG), wonach sowohl diejenigen, die ein Prospekt erlassen haben als auch diejenigen, von denen der Prospekterlass ausgeht, dem Anleger gegenüber gesamtschuldnerisch für solche Schäden einstehen müssen, die diesem aus unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Prospekt entstehen.
Leider gehen die Emittenten nur allzu oft Pleite, so dass diese in der Praxis nicht haftbar gemacht werden können. In einem solchen Fall kann sich ein Anleger unter bestimmten Voraussetzungen bei seinem Anlageberater beziehungsweise bei seiner Bank schadlos halten. Zur Pflicht des Anlageberaters gehört es, den Kunden umfassend über sämtliche Risiken aufzuklären. Diese Aufklärungspflicht umfasst auch die Aushändigung eines fehlerfreien Prospektes über die Anlage.
Der Zweck eines Prospekts liegt darin, dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste und die zukünftige Entwicklung des Emittenten sowie die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen. Der Wertpapierprospekt muss daher sämtliche Angaben enthalten, die für eine solche Beurteilung notwendig sind.
Viele Anlageberater sind sich nicht im Klaren darüber, dass diese Prospekte nicht in erster Linie reines Werbematerial sind, sondern von der Rechtsprechung als Medium der Erfüllung vorvertraglicher Aufklärungspflichten angesehen werden. Die Pflicht zur Aushändigung eines Prospektes im Vorfeld der Order lässt sich auch nicht durch eine umfassende und vollständige mündliche Beratung ersetzen. Der Kunde soll laut Rechtsprechung die wichtigsten Fakten schwarz auf weiß in Händen halten und dann erst entscheiden, ob die Anlage seinen Vorstellungen entspricht oder nicht. Kommt also der Anlageberater seiner Aufklärungspflicht nicht nach, so kann er bei Verlusten ebenfalls in Haftung genommen werden.
Fazit
Jeder Anleger, dem nie ein Prospekt ausgehändigt wurde oder der der Ansicht ist, ein Prospekt sei mangelhaft, sollte sich umgehend juristischen Rat einholen. Denn er hat gute Aussichten, nicht auf dem Schaden sitzen bleiben zu müssen. Die Chancen des Anlegers, seinen Berater, die Bank oder den Emittenten im Falle eines Verlustes haftbar zu machen, sind heute größer als je zuvor. Für die Haftung aufgrund eines fehlerhaften Prospektes kommt es darüber hinaus nicht mehr darauf an, ob der Anleger den Prospekt überhaupt gelesen hat.