Es gibt auch 2024 Ärger mit Multi-Invest Ges. f. Vermögensbildung mbH und dem Anwalt Dennis B., der die Gesellschaft vertritt. Gelder aus Provisionsvereinbarungen werden eingefordert. Ist das gerecht?
Es gibt was Neues auf dem Versicherungsmarkt: Die so genannten „Nettopolicen“. Das Charakteristische an einer Nettopolice ist, dass mit dem Versicherungsnehmer zwei Verträge geschlossen werden, welche sich in einem Antrag befinden. So schließt der Versicherungsnehmer neben einem Versicherungsvertrag, eine gesonderte Vermittlungsgebührenvereinbarung ab.
Was bedeutet „Nettopolice“
In dieser Vermittlungsgebührenvereinbarung verpflichtet sich der Versicherungsnehmer, die Vermittlungsprovision an den Versicherungsmakler zu zahlen. Zwar ist dieses Modell grundsätzlich zu begrüßen, wird doch der Versicherungsnehmer so vor einer Abzocke geschützt, da er erkennen kann, wieviel Kosten für den Abschluss des Versicherungsvertrages entstehen und damit Transparenz geschaffen ist. Jedoch hat diese Vertragsgestaltung einen erheblichen Haken.
Welche Risiken sind mit dem Abschluss einer Nettopolice verbunden?
Der Teufel steckt im Detail. So haben sich die Rechtsanwälte Dr. Schulte und sein Team einmal intensiv mit der Vertragsgestaltung beschäftigt. Die Erkenntnis: Der Versicherungsnehmer wird hier auf gemeine Art hereingelegt.
Kündigt der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsvertrag vorzeitig, wirkt sich diese Kündigung nicht auch auf die Vermittlungsvereinbarung aus. Eine Vielzahl von Verträgen ist dabei so gestaltet, dass der Versicherungsnehmer nicht erkennen kann, dass die Kündigung des Versicherungsvertrages nicht auch zugleich eine Kündigung der Vermittlungsvereinbarung bedeutet. In den Vertragsbedingungen ist versteckt, dass die Vermittlungsvereinbarung unabhängig vom Versicherungsvertrag fortbesteht und nicht gekündigt werden kann. Bei derartigen Regelungen handelt es sich um so genannte überraschende Klauseln.
Der Zahlungsanspruch des Versicherungsmaklers besteht fort. Es ist nur zu leicht verständlich, dass sich der Versicherungsnehmer hier betrogen fühlt.
Hat der Versicherungsnehmer hier überhaupt Chancen sich von der Vermittlungsvereinbarung zu lösen?
Frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
In mehreren Urteilen aus dem Jahr 2005 hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass die gesondert abgeschlossenen Vermittlungsgebührenvereinbarungen wirksam sind und somit für den Versicherungsnehmer die unangenehme Rechtsfolge ins Haus steht, dass er nunmehr seine Versicherung kündigen und an diese keine weiteren Zahlungen leisten muss, allerdings trotzdem eine saftige Vermittlungsgebühr meist sofort fällig wird. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn sich der Versicherungsnehmer weigert, die weiteren Raten aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung zu zahlen.
Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof teilweise aufgegeben und sich eine neue Meinung gebildet.
Wie sieht der Bundesgerichtshof jetzt das Modell „Nettopolice“
Am 12. März 2014 hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zu dem Aktenzeichen IV ZR 255/13 klar und deutlich zu Ausdruck gebracht, dass die Unkündbarkeit einer Vermittlungsvereinbarung den Versicherungsnehmer mit Nachteilen belastet. Der Bundesgerichtshof nahm dies als eine Art unzulässiger Vertragsstrafe an. Danach dürfe der Versicherungsnehmer im Falle einer Unkündbarkeit der Vermittlungsvereinbarung mit weiter bestehenden Verbindlichkeiten bezüglich der Abschluss- und Einrichtungskosten nicht belastet werden, die den Rückkaufswert der Versicherung nicht nur erschöpfen, sondern trotz Kündigung noch zu einer fortbestehenden Zahlungsverpflichtung des Versicherungsnehmers führen.
Dr. Schulte meint zum Urteil des Bundesgerichtshofs: „Das Urteil ist zu begrüßen. Die Tendenz des Bundesgerichts, den Verbraucherschutz zu stärken, wird in dem Urteil mehr als deutlich. Für die Versicherungsnehmer ist dieses Urteil ebenfalls von großer Bedeutung. Sie können sich gegen die unberechtigten Forderungen aus den Vermittlungsvereinbarungen nunmehr wirksam zu Wehr setzen.“
Zudem kann mit Schadenersatzansprüchen wegen fehlerhafter Beratung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages (so vorhanden) aufgerechnet werden.
OLG Karlsruhe (Urteil vom 15.09.2011): In diesem Urteil wurde klargestellt, dass Versicherungsmakler verpflichtet sind, ihre Kunden umfassend über die Risiken und Nachteile einer Nettopolice aufzuklären, insbesondere über die Auswirkungen einer Kündigung bestehender Verträge und die Struktur der Nettopolice selbst. Die Entscheidung hebt hervor, dass eine unzureichende Aufklärung zu Schadensersatzansprüchen führen kann.
OLG Karlsruhe (Urteil vom 24.03.2016): In einem weiteren Urteil stellte das Gericht fest, dass ein Versicherungsvertreter kein Honorar verlangen kann, wenn er den Versicherungsnehmer nicht ausreichend über das Frühstornorisiko einer Nettopolice aufgeklärt hat. Das Gericht wies darauf hin, dass der Versicherungsnehmer auch dann zur Zahlung verpflichtet ist, wenn der Vertrag vorzeitig beendet wird, es sei denn, er wurde entsprechend informiert.
Fazit: Drum prüfe, wer sich lange bindet.
Versicherungsnehmern ist bei Abschluss von Verträgen, welche eine separate Vermittlungsvereinbarung oder Kostenausgleichsvereinbarung enthalten, dringend zu raten, die einzelnen Bedingungen in den Antragsunterlagen genau zu lesen. Nur so kann sich der Versicherungsnehmer davor schützen, dass er unberechtigt auf Zahlung in Anspruch genommen wird und sich mühsam gerichtlich dagegen wehren muss.