Recht auf Widerruf bei Haustür- und Fernabsatzgeschäften – Widerrufsfrist beginnt nicht bei unwirksamer Widerrufsbelehrung
„Wir kaufen nichts an der Tür“ – Das ist wahrscheinlich der beste Rat, dem man folgen kann. Aber nicht nur ältere und allein stehende Menschen, die keine Möglichkeit haben, zeitnah eine zweite Meinung einzuholen, lassen sich schon mal von beredten Vertretern von einem Produkt oder einer Dienstleistung überzeugen, die sie eigentlich gar nicht brauchen. Und nicht immer hält der schnelle Deal zwischen Tür und Angel, was er verspricht. Zum Glück und zum Schutz der Verbraucher gibt es das Recht auf Widerruf.
Bei so genannten Haustürgeschäften kann der Kunde laut § 312 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsabschluss von diesem zurücktreten – und zwar ohne Angabe von Gründen. Voreilige Entschlüsse können so zurückgenommen werden, ohne dass der Kunde Lehrgeld zahlen muss.
Das gleiche gilt im Wesentlichen auch für den Fernabsatzmarkt, also bei (Kauf-) Verträgen, die über das Internet oder mittels Telefon abgeschlossen werden (BGB § 312b). Auf das Widerrufsrecht muss ein Unternehmer seine Kunden anhand einer Widerrufsbelehrung hinweisen.
Sofern eine Widerrufsbelehrung „nicht genau einem gesetzlichen Muster entspricht (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-Informationsverordnung), muss sie dennoch „den Anforderungen genügen, die das Gesetz an verschiedenen Stellen formuliert“. Allgemein bestehen diese Anforderungen aus einer möglichst „umfassenden, unmissverständlichen und aus Sicht des Verbrauchers eindeutigen“ Belehrung.
Widerrufsbelehrungen müssen den Verbraucher auch über seine Rechte informieren
Die Frist von 14 Tagen beginnt, sobald der Kunde diese Belehrung in „Textform“ erhalten hat (§ 355 Abs. 2 BGB) – wobei die Gerichte noch nicht abschließend darüber entschieden haben, was in Zeiten von Internet & Email eigentlich als gültige Textform anzusehen ist und was man dabei genau unter „erhalten“ zu verstehen hat.
Unabhängig davon beginnt die Widerrufsfrist aber erst gar nicht, wenn die Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 12. April 2007 (VII ZR 122/06), dass eine Widerrufsbelehrung den Verbraucher nicht nur über seine Pflichten, sondern auch umfassend über seine Rechte im Falle eines Widerrufs informieren muss. Ist dies nicht der Fall, so ist die Widerrufsbelehrung unwirksam.
Der Fall
Der BGH hatte in letzter Instanz über folgenden Fall aus Mannheim zu entscheiden: Ein Kunde hatte in seiner Wohnung von einem Vertreter des Unternehmens ein Festpreisangebot für Fassadenarbeiten erhalten, das er spontan unterschrieb. Der Unternehmer hatte im Folgenden das Angebot angenommen. Mehr als zwei Wochen nach Abgabe des Angebots hat der Kunde sein Angebot dann widerrufen, da er nach sorgfältiger Überlegung nicht mehr daran interessiert war, die Arbeiten durchführen zu lassen. Daraufhin klagte der Unternehmer auf pauschale Entschädigung, allerdings erfolglos.
Der Angebotstext enthielt folgende Widerrufsbelehrung:
"Widerrufsbelehrung: Sie können Ihre Bestellung innerhalb von zwei Wochen ab Aushändigung dieser Belehrung ohne Begründung in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der bestellten Gegenstände gegenüber der Fa. D. – es folgt die Adresse – widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Im Falle des Widerrufs müssen Sie die erhaltene Sache zurück- und gezogene Nutzungen herausgeben. Ferner haben Sie Wertersatz zu leisten, soweit die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, Sie den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet haben oder die erhaltene Sache sich verschlechtert hat oder untergegangen ist. Die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung bleibt außer Betracht."
(Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 42/2007).
Die Karlsruher Richter entschieden, dass die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspräche und somit insgesamt unwirksam sei. Sie informiere den Kunden zwar über seine Pflichten, nicht aber über seine wesentlichen Rechte im Falle eines Widerrufs. So geht aus der Belehrung nicht hervor, dass nach dem Widerruf das gesetzliche Rücktrittsrecht anwendbar ist und der Verbraucher damit auch das Recht hat, von dem Unternehmer bereits geleistete Zahlungen inklusive Zinsen zurückzuverlangen.
Offen blieb die Frage, ob eine Widerrufsfrist bereits bei Abgabe eines bindenden Angebots beginnt, oder erst dann, wenn der Unternehmer das Angebot annimmt und damit der Vertrag geschlossen wird. Darauf kam es in diesem Fall nicht an, weil die Frist aufgrund der Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung überhaupt nicht beginnen konnte.
Fazit
Der Widerruf ein wichtiges Verbraucherrecht, was der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung deutlich bestätigte. Einer Reihe von widersprüchlichen Entscheidungen einzelner Gerichte zum Thema haben in der Vergangenheit für einige Verwirrung rund um die amtliche Muster-Widerrufsbelehrung gesorgt. Diese sollte durch die Entscheidung des BGH nun erst einmal vom Tisch sein.
Von einer echten Stärkung des gesetzlichen Musters der Widerrufsbelehrung zu sprechen, ist jedoch voreilig. Eindeutig zu bewerten ist das Urteil erst, wenn die Urteilsbegründung aus Karlsruhe auch veröffentlicht ist. Und weitere Schritte werden folgen müssen, um eine verlässliche Handhabung für jeden einzelnen Verbraucher auch zu garantieren. Strittige Punkte bleiben weiterhin offen, beispielsweise wann genau eine Widerrufsfrist beginnt. Für Vertragsabschlüsse auf elektronischem Weg stellt sich hier besonders die Frage nach der Textform der Widerrufsbelehrung und wann man davon sprechen kann, dass der Kunde diese auch erhalten hat. Somit bleibt der beste Schutz gegen nur vermeintlich lukrative Angebote an der Tür, am Telefon oder im Internet auch weiterhin eine gesunde Portion Misstrauen – frei nach dem Motto: „Wir kaufen nichts an der Tür.“
Wer aber dennoch, und vielleicht etwas voreilig, einen solchen Vertrag abgeschlossen hat und von diesem zurücktreten möchte, sollte sich nicht dadurch abhalten lassen, dass er eine Widerrufsbelehrung erhalten hat und die Frist bereits abgelaufen ist. Denn entspricht die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so ist sie unwirksam und die Frist beginnt erst gar nicht. Eine inhaltliche Prüfung der Belehrung durch einen Fachmann kann hier Klarheit bringen und am Ende zu einem wirksamen Widerruf führen.