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Recht des Silvesterkrachers: Eltern haften für ihre Kinder

Das Silvesterfeuerwerk und die Aufsichtspflicht der Eltern – Rechte und Pflichten bei Minderjährigen Schutzbefohlenen?

Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, in der Blütezeit des Feuerwerks, gab es Feuerwerke zu sämtlichen Feierlichkeiten, ob Geburt, Geburtstag oder Jubiläum. Erst durch den abnehmenden Reichtum des Adels Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Feuerwerk aus monetären Gründen seltener, erfreut sich aber heute noch immer allgemeiner Beliebtheit. Ein Werk zum Feuerwerksrecht vermisst man dagegen bis heute. Das gesamte Team der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team fühlt sich dazu verpflichtet, die beigefügten juristischen Beiträge zu verfassen, um damit der Fortentwicklung und Publikmachung des Rechts des Silvesterkrachers Vorschub zu leisten.

Der Jahreswechsel wird mit Feuerwerk begrüßt, welche Gefahren lauern?

Jeder Erwachsene der selbst kleine Kinder zu Hause hat, hat bestimmt schon einmal den Spruch gebraucht: „Wer mit Streichhölzern spielt, pinkelt nachts ins Bett!“. Was aber passieren kann, wenn einem 7jährigen Jungen seitens seiner Eltern erlaubt wird, am Silvester Feuerwerkskörper zu zünden, zeigt die nachstehend beschriebene Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Schleswig.
(Leitsatz des Bearbeiters) – OLG Schleswig, Urt. v. 12.11.1998 – 5 U 123/97, NJWRR 1999, 606

Einleitung: Feuerwerk fasziniert Groß und Klein – doch Vorsicht!

Silvester ist für fast jedes Familienmitglied ein Highlight des Jahres. Die Kinder machen sogar freiwillig Mittagsschlaf, nur um bis weit oder kurz nach Mitternacht aufbleiben zu dürfen. Die Freude, endlich die bunten Farben der Leuchtraketen am Silvesterhimmel leuchten zu sehen und die Böller knallen zu lassen, steigt von Stunde zu Stunde. Kurz vor Mitternacht fängt das Drängeln an: „Darf ich dieses Jahr auch mal eine Rakete steigen lassen und einen Böller zum Knallen bringen?“. Wer da als Eltern bei seinem strikten „Nein“ bleibt, wenn der 7jährige Sohn immer wieder bettelt, macht alles richtig, wie die Entscheidung des OLG Schleswig zeigt.

Sachverhalt (verkürzt):

In der Silvesternacht 1995/1996 trafen sich zwei Elternpaare mit ihren 7 und 8jährigen Söhnen, Nachbarn in einer Reihenhaussiedlung, um gemeinsam das Neue Jahr zu begrüßen, kurz vor Mitternacht vor ihren Häusern.

Die Eltern des 7jährigen Jungen hatten diesem das Abbrennen von – wie sie in dem Rechtsstreit behaupteten – kindergeeigneten, altersgerechten Feuerwerkskörpern unter ihrer Aufsicht gestattet und ihn angewiesen, diese in der Hand zu zünden und sofort wegzuwerfen. Der 8jährige Nachbarsjunge, der Kläger im zu entscheidenden Sachverhalt, durfte lediglich eine Wunderkerze halten. Kurz nach Mitternacht zündete der Vater des Klägers diesem nun eine Wunderkerze an. Der 7jährige Sohn der Beklagten sah hier seine Chance und entzündete an dieser einen in seiner Hand befindlichen Knaller. Noch bevor er diesen wegwerfen konnte, explodierte er in der Hand. Zwischen den Parteien war streitig, ob es sich bei dem Knaller um einen von den Beklagten zur Verfügung gestellten Knaller handelte oder um einen aufgelesenen „Blindgänger“ von der Straße.

Die Explosion in der Hand löste eine Druckwelle aus. In deren Folge erlitt der Kläger eine Verletzung am rechten Auge einhergehend mit dem Verlust der Sehschärfe, welche nach dem Unfall nur noch bei 10% liegt.

Das Landgericht Kiel hatte die Beklagten wegen der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht zu einem erstrangigen Teilbetrag eines Schmerzensgeldes in Höhe von 20.000,00 DM verurteilt. Das Oberlandesgericht Schleswig bestätigt die Entscheidung des Landgerichts.
werden.

Kommentierte Entscheidungsgründe: Aufsichtspflicht – Feuerwerk gehört nicht in Kinderhände!

Die elterliche Sorge, welche in § 1626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt ist, ist untrennbar mit der Aufsichtspflicht der Eltern verbunden. Eltern und so auch hier die Beklagten können sich nur dann des Ersatzes eines Schadens entziehen, wenn dieser auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre.

Das Oberlandesgericht Schleswig hatte sich damit, wie auch zuvor das Landgericht, mit der Frage zu beschäftigen, ob die Beklagten, die Eltern des 7jährigen Jungen, ihrer Aufsichtspflicht Genüge getan haben. Bei der Prüfung legten die Richter des Oberlandesgerichts Schleswig vernünftige Maßstäbe zugrunde. Ihrer zutreffenden Auffassung nach bestimmt sich bei Kindern das Maß der gebotenen Aufsicht dabei nach Alter, Eigenart und Charakter, nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen an die konkrete Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch Ihr Kind zu verhindern.

Feuerwerkskörper in kleinen Kinderhänden sollten schon zum eigenen Schutz des eigenen Kindes als „Tabu“ für Eltern gelten. „Gleiches gilt für die Verletzungsgefahr, welche vom Gebrauch von Feuerwerkskörpern und Knallern ausgehen. Insofern ist auch jegliche Angst von Frauen und Mädchen zu Silvester berechtigt, sei es auch nur verbunden mit der Angst, dass die Strumpfhose das Schicksal eines Brandloches ereilt“, so Rechtanwältin Wiest.

Jedes Jahr aufs Neue wird in den Medien eindringlich vor der Gefährlichkeit von Feuerwerkskörpern und Knallern gewarnt. Es wird auch nicht davor zurückgeschreckt, Bilder von Verletzten und deren Verletzungen zu veröffentlichen. Eltern, die „blind“ darauf vertrauen, dass schon nichts passieren wird, haben zu Recht eine Strafe verdient.

Das Oberlandesgericht Schleswig findet in seinen Entscheidungsgründen klare und eindeutige Worte – So heißt es:

„Die Beklagten hätten ihrem damals 7jährigen Sohn das Hantieren mit Feuerwerkskörpern überhaupt nicht, auch nicht unter ihrer Aufsicht gestatten dürfen. Der Umgang mit Feuerwerkskörpern ist anerkanntermaßen gefährlich und für ein Kind in diesem Alter generell nicht angezeigt. Ebenso wie das „Zündeln“ übt das Abbrennen lassen von Feuerwerkskörpern erfahrungsgemäß einen besonderen Reiz auf Kinder aus. Gerade wenn sie sich in einem noch unreifen Alter befinden, liegt es nahe, dass sie mit einer kontrollierten, verantwortungsbewussten und eine Drittgefährdung ausschließenden Handhabung überfordert sind, d.h. ihre eigenen Fähigkeiten über und die von Feuerwerkskörpern ausgehenden Gefahren unterschätzen (BGH NJWRR 1987, 13). Nach der Rechtsprechung des BGH haben Eltern deshalb insbesondere kleine – d.h. etwa 7 oder 8 Jahre alte – Kinder nicht nur eindringlich über die Gefährlichkeit des Spiels zu belehren, sondern auch streng darauf zu achten, dass sich die Kinder nicht unerlaubt in den Besitz dieser Gegenstände setzen können (z.B. BGH NJW 1993, 1003).“

Die Begründung durch das Gericht zeigt deutlich, dass auch den entscheidenden Richtern das Verhalten von Kindern nicht fremd ist. Sie haben also nicht fernab jeglicher Realität entschieden, sondern vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Feuerwerkskörper und Knaller nichts in kleinen Kinderhänden verloren haben. Wer seinem Kind dennoch erlaubt, selbst an Silvester Knaller zu zünden, muss auch die damit verbundene Strafe akzeptieren, wenn dadurch ein Schadensfall eintritt.

Fazit: Ein glückliches Neues Jahr mit Feuerwerk und Silvesterkrachern, aber nicht in Kinderhände!

Eltern brauchen starke Nerven, um sich dem Drängen und Betteln der eigenen Kinder zu widersetzen. Aber wann brauchen sie das nicht. Umso schöner ist es für alle gesund und munter in das neue Jahr zu starten und wieviel Freude macht es, in die leuchtenden Kinderaugen zu sehen, wenn die bunten Raketen am Silvesterhimmel erstrahlen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 1999 vom 28. Dezember 2015 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich