Selbstgebastelter Sprengsatz mit Kugelbombe ist ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung
Wird in der Silvesternacht eine auf dem Trödelmarkt erworbene sog. „Kugelbombe“ in einen Zinkeimer gelegt, dieser mit Schottersteinen aufgefüllt und mit Moltofill verfüllt, an einer Spanplatte festgeschraubt und auf einer Straßenkreuzung mittels einer Lunte zur Explosion gebracht, handelt es sich um eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung, für welche kein Versicherungsschutz besteht.
(Leitsatz des Gerichts) LG Berlin, Urt. v. 16.11.2000 – 7 O 242/00, r+s 2002, 409
Einleitung: Gefahren bei „Marke Eigenbau“
Immer wieder kommen Menschen auf die Idee, sich zu Silvester oder auch mit übriggebliebenen Silvesterkrachern eigene Feuerwerkskörper herzustellen. Dass dies oftmals schiefgeht, dürfte kein Geheimnis sein. Die Nachahmung ist daher nicht angeraten.
Dies musste auch ein in Berlin tätiger Kläger erkennen, der meinte, am besten selbst ein Silvesterfeuerwerk zu bauen und zu zünden.
Sachverhalt (verkürzt): Besteht Leistungsanspruch bei Privathaftpflichtversicherung bei Schäden durch einen selbstgebastelten Sprengsatz mit Kugelbombe?
Die Kläger (als Eheleute) machten Ansprüche im Rahmen einer Privathaftpflichtversicherung aufgrund eines Vorfalls in der Nacht vom 31.12.1998 auf den 01.01.1999 geltend. Versicherungsnehmer war die Klägerin (Ehefrau); der Kläger war mitversicherte Person.
Der Kläger erwarb im Sommer 1998 auf einem Trödelmarkt in B. eine etwa 15 kg schwere pyrotechnische Kugelbombe mit einem Kaliber von etwa 20 cm, die bestimmungsgemäß aus einem kalibergleichen Rohr abzuschießen ist. Der Kläger legte die Kugelbombe in einen Zinkeimer, füllte diesen mit Schottersteinen auf und verfüllte den Eimer mit Moltofill. Danach schraubte er den Eimer an einer Spanplatte fest.
Am 31.12.1998 kurz vor Mitternacht transportierte er die Vorrichtung gemeinsam mit einem Freund aus seiner Wohnung auf die Straßenkreuzung und legte sie dort auf die Fahrbahn. Der Kläger brachte die Vorrichtung über eine Lunte zur Explosion. Sie bewegte sich zunächst rotierend auf die H.-Straße und detonierte etwa vor dem Gebäude Nr. 26. Durch herumfliegende Teile der Vorrichtung wurden mehrere Fensterscheiben der umliegenden Wohnhäuser zerstört und mehrere dort abgestellte Kfz beschädigt. Eine Frau, welche sich auf dem Balkon ihrer Wohnung aufhielt, wurde verletzt.
Die Beklagte (eine Versicherungsgesellschaft) lehnte nach Einsicht in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 04.06.1999 Leistungen ab, mit der Begründung, dass nach den Versicherungsbedingungen die Haftpflicht aus dem Besitz und Gebrauch von Waffen sowie Munition und Schusswaffen zu strafbaren Handlungen nicht mitversichert sei. Auch später blieb die Bekl. bei ihrer Ablehnung der Kostenübernahme. Der Kläger und später auch seine Ehefrau erhoben daher Klage gegen die Versicherungsgesellschaft.
Kommentierte Entscheidungsgründe: Zündung vom selbstgebastelten Sprengsatz und die schadensstiftende Handlung des Kläger gilt als ungewöhnlich und gefährlich
Das Landgericht (LG) Berlin hat der Klage keinen Erfolg zugemessen. Die Kläger hatten auf Feststellung geklagt, dass die Beklagte zur Übernahme der entstandenen Schäden verpflichtet sei.
Das Gericht entschied zugunsten der beklagten Versicherungsgesellschaft, da es die schadensstiftende Handlung des Klägers als ungewöhnlich und gefährlich ansah. Ungewöhnlich sei eine Betätigung dann, wenn sie objektiv nach ihrer Art und bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes deutlich aus dem Rahmen der gewöhnlichen Betätigungsarten falle. Das Zünden der Kugelbombe sei daher eine solche ungewöhnliche Betätigung, so das LG Berlin.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Zünden von Feuerwerkskörpern in der Silvesternacht nicht ungewöhnlich, sondern vielmehr zu erwarten sei. Um einen gewöhnlichen Feuerwerkskörper habe es sich hier nämlich gerade nicht gehandelt, so das LG Berlin. Der Kläger habe hier offenkundig eben nicht die vorgesehene Abschussart für die Kugelbombe gewählt. Ein Fehler bei der Abschussart des Feuerwerkskörpers führe zwar nicht zwangsläufig zur Annahme einer gefährlichen Betätigung, so liege der zu beurteilende Fall aber nicht.
Entgegen der Entscheidung des OLG Hamm (Versicherungsrecht 1991, 217 f.), wonach das Abfeuern von Seenotraketen als Silvesterfeuerwerk nicht als ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung angesehen wurde, wertete das Gericht den hier vorliegenden Fall. Dies auch deswegen, weil der dort vorliegende Rahmen nach Wertung des Gerichts hier deutlich überschritten wurde.
Das Gericht pflichtete der Beklagten bei, dass das Zünden der Kugelbombe, welche auf einem Trödelmarkt offenbar ohne jegliche Anleitung (und ohne Zulassungsnachweis) erworben wurde, auch in der Silvesternacht in einem beschwerten Zinkeimer, mit dem Abschießen einer Seenotrakete (in die Luft) vom Bootssteg aus, nicht vergleichbar sei. Auch wenn die Seenotrakete nicht dazu gedacht wäre, aus Anlass eines Feuerwerks von Land aus gezündet zu werden, ist doch das unsachgemäße Anzünden (und nicht Abfeuern) der sog. „Kugelbombe“ im öffentlichen Straßenverkehr eine unübliche und gefährliche Beschäftigung, so das LG Berlin in seiner Entscheidung.
Fazit: Finger weg! Selbstgebastelter Sprengsatz mit Kugelbombe geht auch an Silvester übers normale Böllern hinaus – zudem liegt eine strafrechtliche Handlung vor
Im Gegensatz zu dem Abschießen eines Seenotsignals an Silvester, welches durch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm nicht als ungewöhnliche und gefährliche Betätigung bewertet wurde, ist das Zünden selbstgebastelter Knaller oder Sprengvorrichtungen an Silvester, zumindest in dem hier vorliegenden Umfang, somit keine Angelegenheit, die unter den Rahmen der privaten Haftpflichtversicherung fällt. Das mag vielleicht dann anders aussehen, wenn man kleinere Knallkörper selbst baut und diese an Silvester zündet. Beim vorliegenden Fall erschließt sich aber selbst dem unvorsichtigen Bastler, dass die hier hergestellte Vorrichtung weit über den Rahmen des normalen Böllerns an Silvester hinausgeht.
Ganz abgesehen davon, dass der hier zivilrechtlich nicht erfolgreiche Kläger die Schäden, die durch sein Handeln entstanden sind, selbst tragen musste, ist die entsprechende Zündung des selbstgebastelten Knallkörpers auch noch als strafrechtliche Handlung, nämlich das fahrlässige Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung bewertet worden. Aus diesem Grund ist das klare Fazit, dass man von nicht legal erworbenen Knallern, selbstgebastelten Sprengsätzen und ähnlichen Gegenständen in jedem Fall lieber die Finger lassen sollte.