Berlin, Stellen Sie sich vor: Sie vertrauen Ihrem Anwalt blind, doch ein falscher Ratschlag führt zu schwerwiegenden finanziellen Verlusten. Was dann? Falschberatung kann verheerende Folgen haben, wie ein Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt. Ein Anwalt empfahl seinem Mandanten einen Schritt, der ihm die Möglichkeit nahm, seinen vollen Schaden geltend zu machen. Doch die Verantwortung eines Anwalts geht weit über die Beantwortung von Fragen hinaus. Er muss Weitblick beweisen, den Sachverhalt gründlich prüfen und auch unbequeme Wahrheiten aussprechen. Nur so kann der Mandant eine fundierte Entscheidung treffen und weitere Schäden vermeiden. Die Folgen von Falschberatung sind real und können Ihr Leben auf den Kopf stellen.
Rechtsanwalt hat Beratungspflicht mit Weitblick – Wie eine falsche Beratung zu finanziellen Verlusten führen kann?
Ehrlichkeit und Vertrauen – das sind die beiden Säulen, auf denen eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Mandanten und Rechtsanwalt aufgebaut ist. Das bedeutet zum einen eine ehrliche und gradlinige Kommunikation. Der Mandant muss den Anwalt gut und sinnvoll informieren. Schlimm sind heute die Auswüchse, immer sofort zu reagieren und Datenmüll beim Anwalt abzuladen (bspw. unsortierte E-Mails, Fotos und so weiter). Der Mandant vertraut darauf, dass der Anwalt ihm den sichersten Weg aufzeigt, um das gewünschte rechtliche Ziel zu erreichen. Doch was passiert, wenn der Anwalt dieses Vertrauen durch falsche oder unvollständige Beratung verletzt? Ein solcher Fehler kann erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen, wie ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1994 eindrucksvoll zeigt.
Ein typischer Fall aus der Praxis: die unfertige Eigentumswohnung
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Eigentumswohnung gekauft, die weiterhin nicht vollständig fertiggestellt ist. Der Verkäufer hat sich verpflichtet, die restlichen Bauarbeiten bis zu einem bestimmten Datum abzuschließen. Die Zeit vergeht, aber nichts passiert. Sie haben den vollen Kaufpreis gezahlt und stehen nun mit einer unfertigen Wohnung da. Was tun?
In einem solchen Fall ist der Weg zum Anwalt oft der nächste Schritt. So auch im Fall eines Mandanten, den der BGH in seinem Urteil vom 20. Oktober 1994, IX ZR 116/93, behandelte. Der Mandant wollte vom Kaufvertrag zurücktreten und die Wohnung weiterverkaufen. Sein Anwalt riet ihm genau das – ein folgenschwerer Fehler.
Der Beratungsfehler des Anwalts und seine Folgen
Der Rechtsanwalt hätte den Mandanten stattdessen über die Möglichkeit eines Schadenersatzanspruchs wegen Nichterfüllung des Vertrags aufklären müssen. Doch dieser Rat blieb aus. Stattdessen wurde dem Mandanten der Rücktritt vom Vertrag empfohlen, was ihm die Chance auf eine vollständige Geltendmachung des (gesamten) Schadens entzog. Auch der geplante Weiterverkauf der unfertigen Wohnung wurde nicht kritisch hinterfragt. Die Folge: Der Mandant verklagte seinen Anwalt auf Schadensersatz wegen Verletzung der Beratungspflicht.
Der BGH stellt klar: Ein Anwalt schuldet umfassende Beratung
Der BGH entschied in diesem Fall, dass ein Rechtsanwalt eine „umfassende und erschöpfende Belehrung“ schuldet. Dies bedeutet, dass der Anwalt den vorgetragenen Sachverhalt dahingehend prüfen muss, ob er geeignet ist, den gewünschten Erfolg herbeizuführen. Er hat dem Mandanten den sichersten Weg aufgezeigt und ihn über mögliche Risiken aufgeklärt. Hoffentlich? Zweifel und Bedenken, die aus dem Sachverhalt resultieren, müssen offen angesprochen und diskutiert werden. Im vorliegenden Fall hätte eine korrekte Beratung darin bestanden, dem Mandanten von einem Rücktritt abzuraten und stattdessen den Schadenersatzanspruch zu verfolgen.
Die Verantwortung des Anwalts: Weitblick ist gefragt
Es ist nicht genug, den Mandanten allein auf seine Anfrage hin zu beraten. Der Anwalt muss den Sachverhalt aus allen Perspektiven betrachten und dem Mandanten dabei helfen, das eigentliche Ziel auf dem sichersten Weg zu erreichen. Dies erfordert nicht nur juristisches Fachwissen, sondern auch Weitblick. So betont der Berliner Rechtsanwalt Dr. Schulte: „Unsere Aufgabe ist es, den Sachverhalt erschöpfend zu erörtern, richtig zu erfassen und den Mandanten unter Berücksichtigung aller rechtlichen Risiken auf dem sichersten Weg zu seinem Ziel zu verhelfen. Dabei muss ein Anwalt auch ehrlich sein und die Risiken seines Falles offen darlegen.“
Fehler einzugestehen, gehört zur anwaltlichen Verantwortung
Fehler passieren – auch Anwälten. Doch wie geht man damit um, wenn der Fehler bereits geschehen ist? Der Mandant hat Anspruch auf eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit dem Fehler. Wenn die Beratungspflicht verletzt wurde, müssen Anwälte Verantwortung übernehmen und für entstandene Schäden geradestehen. Dies zeigt auch der oben erwähnte Fall des BGH.
Die Beratungspflicht in der aktuellen Rechtsprechung
Auch die jüngste Rechtsprechung des BGH unterstreicht die hohe Verantwortung, die auf den Schultern eines Anwalts lastet. So hat der BGH in einer Entscheidung vom 20. April 2023 klargestellt, dass Anwälte ihre Mandanten umfassend über die Vor- und Nachteile eines Vergleichsabschlusses beraten müssen (Urt. v. 20.04.2023, Az. IX ZR 209/21). Der Anwalt ist verpflichtet, den Mandanten so zu beraten, dass dieser eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung treffen kann. Die Anforderungen an die Beratungspflicht steigen, wenn der Fall komplexer wird. Ein Versäumnis in der Beratung kann zu Schadensersatzansprüchen gegen den Anwalt führen.
Fazit: Ein Anwalt muss mit Weitblick beraten
Die Beratungspflicht eines Anwalts endet nicht bei der Beantwortung der gestellten Fragen. Sie erfordert Weitblick, umfassende Prüfung des Sachverhalts und den Mut, auch unpopuläre Wahrheiten auszusprechen. Denn nur so kann der Mandant eine fundierte Entscheidung treffen und vor weiteren Schäden bewahrt werden. Die Rechtsprechung setzt hier hohe Maßstäbe – doch diese sind im Interesse des Mandanten und des Anwalts gleichermaßen gerechtfertigt. Der Rechtsanwalt ist versichert gegen Schäden.