Zwischen Macht der Algorithmen und dem Schutz der Privatsphäre: Warum der Schufa-Score datenschutzrechtlich in der Kritik steht und wie aktuelle Urteile Betroffenen neue Chancen eröffnen. Rechtliche Grundlagen des Schufa-Scores und seine Vereinbarkeit mit der DSGVO.
Was ist Score? Sozusagen eine Durchschnittsnote von jemandem, der unaufgefordert Daten über andere sammelt. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Schufa-Scores ist eines der zentralen Themen im Kontext des Datenschutzes in Deutschland. Die meisten sind als Erwachsene glücklich, den Schulunterricht nicht genießen zu dürfen. Das Problem sind die Noten. Der Schufa-Score dient zur Bewertung der Kreditwürdigkeit einer Person und kann entscheidend sein für den Zugang zu finanziellen Dienstleistungen wie Krediten oder Mietverträgen. Dabei steht er unter den strengen Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Insbesondere die Themen automatisierte Entscheidungen, Transparenzanforderungen sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten werfen komplexe rechtliche Fragestellungen auf, die in jüngster Zeit auch durch wichtige Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) beleuchtet wurden.
Automatisierte Entscheidungen gemäß der DSGVO
Gemäß Artikel 22 der DSGVO sind Entscheidungen, die ausschließlich auf automatisierten Verarbeitungen beruhen und rechtliche Auswirkungen auf betroffene Personen haben, grundsätzlich verboten. Dies betrifft hauptsächlich den Schufa-Score, da dieser für viele Vertragsabschlüsse, wie beispielsweise bei Krediten oder Mietverhältnissen, eine entscheidende Grundlage bildet. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 7. Dezember 2023 (C-634/21) klargestellt, dass die Berechnung des Schufa-Scores als „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ zu werten ist. Der Score hat erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen, da er darüber entscheidet, ob jemand beispielsweise eine Wohnung anmieten oder einen Kredit aufnehmen kann.
Beispiel: Heike Schulze aus Wuppertal
Ein Beispiel hierfür ist der Fall von Heike Schulze aus Wuppertal. Heike Schulze, eine Angestellte in einem mittelständischen Unternehmen, bewarb sich um eine neue Wohnung, nachdem sie mit ihrem Partner zusammenziehen wollte. Trotz eines festen Einkommens und einer positiven Mietschuldenfreiheitsbescheinigung wurde ihre Bewerbung von der Vermieterin abgelehnt. Der Grund: ein zu niedriger Schufa-Score. Frau Schulze konnte nicht nachvollziehen, warum ihr Score negativ ausfiel, da sie alle Rechnungen stets pünktlich bezahlt hatte. Auch auf Nachfrage bei der Schufa erhielt sie lediglich allgemeine Informationen, ohne konkret zu erfahren, welche Faktoren zu ihrem schlechten Score geführt hatten. Dieses Beispiel zeigt, wie eine automatisierte Entscheidung ohne menschliche Überprüfung das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann.
Das Urteil macht deutlich, dass der Schufa-Score grundsätzlich unter die Regelungen des Artikels 22 der DSGVO fällt, da er ohne menschliches Eingreifen erstellt wird und direkte Konsequenzen für die betroffenen Personen hat. Damit muss die Schufa sicherstellen, dass die Rechte und Freiheiten der Betroffenen gewahrt bleiben. Insbesondere verlangt Artikel 22, dass eine menschliche Überprüfung der Entscheidung möglich sein muss, die in der Praxis bei der Schufa jedoch häufig fehlt.
Transparenzanforderungen und das Problem der Intransparenz
Ein weiteres zentrales Problem des Schufa-Scores liegt in der mangelnden Transparenz. Die DSGVO fordert, dass betroffene Personen über die Logik, Tragweite und vorgesehenen Auswirkungen der automatisierten Verarbeitung informiert werden. Das bedeutet, dass jeder, der von einer Entscheidung auf Basis des Schufa-Scores betroffen ist, verstehen können muss, wie dieser Score berechnet wurde und welche Daten in die Entscheidung eingeflossen sind.
Beispiel: Thomas Meier aus Berlin
Die Schufa gibt jedoch nur allgemeine Informationen über die Grundlagen der Score-Berechnung preis, während spezifische Daten und Gewichtungen geheim gehalten werden. Diese Intransparenz wird oft mit dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen begründet. So erklärt die Schufa lediglich, dass Daten wie Zahlungsverhalten, bestehende Kreditverpflichtungen und Wohnort eine Rolle spielen. Die genaue Gewichtung dieser Faktoren bleibt jedoch unbekannt.
Ein Beispiel aus der Praxis ist Thomas Meier aus Berlin, der im vergangenen Jahr einen Kredit für den Kauf eines neuen Autos beantragte. Obwohl Herr Meier nie negative Zahlungseinträge hatte und in einem sicheren Arbeitsverhältnis steht, wurde ihm der Kredit aufgrund eines vermeintlich zu niedrigen Schufa-Scores verweigert. Auf Nachfrage erhielt er nur allgemeine Informationen über die verwendeten Datenpunkte, jedoch keine konkrete Begründung, warum sein Score niedrig ausfiel. Dieses Fehlen konkreter Informationen führt zu erheblicher Frustration und zeigt, wie stark die mangelnde Transparenz das Leben der Betroffenen beeinträchtigen kann.
Der EuGH hat in seinem Urteil betont, dass diese Intransparenz gegen das Transparenzgebot der DSGVO verstoßen könnte. Der Verbraucher hat ein Recht darauf, die automatisierte Entscheidung nachvollziehen zu können, insbesondere wenn sie derart entscheidende Auswirkungen auf sein Leben hat. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass viele Betroffene, wie zum Beispiel Frau Schulze oder Herr Meier, Schwierigkeiten haben, genau nachzuvollziehen, warum ihr Score niedrig ist, obwohl sie stets pünktlich ihre Rechnungen beglichen haben.
Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung: berechtigtes Interesse oder Einwilligung?
Die Schufa stützt die Verarbeitung personenbezogener Daten häufig auf das „berechtigte Interesse“ gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO. Diese Rechtsgrundlage erlaubt es, personenbezogene Daten zu verarbeiten, wenn ein berechtigtes Interesse des Datenverarbeitenden besteht und die Rechte der betroffenen Person nicht überwiegen. Das berechtigte Interesse der Schufa liegt dabei in der Bonitätsbewertung, die Kreditgebern hilft, Zahlungsausfälle zu vermeiden.
Beispiel: Herr Müller aus München
Kritiker argumentieren jedoch, dass die umfassende Datenverarbeitung durch die Schufa einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre darstellt und daher eine explizite Einwilligung der Betroffenen erforderlich sein sollte. Der EuGH hat mehrfach klargestellt, dass das berechtigte Interesse stets sorgfältig gegen die Grundrechte der betroffenen Person abgewogen werden muss. Insbesondere müsse dabei der Umfang der Datenverarbeitung und die Tragweite der Entscheidung für die Betroffenen in Betracht gezogen werden. In der Praxis bleibt diese Abwägung jedoch häufig unklar.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Herr Müller aus München, ein Selbstständiger, möchte einen Kredit für die Anschaffung neuer Arbeitsgeräte aufnehmen. Obwohl er ein geregeltes Einkommen und keine negativen Einträge hat, wird ihm der Kredit aufgrund seines niedrigen Schufa-Scores verweigert. Da er keine Einwilligung zur Verarbeitung seiner Daten gegeben hat, stellt sich die Frage, ob die Berufung auf das berechtigte Interesse allein ausreicht, um seine Daten ohne seine ausdrückliche Zustimmung zu verarbeiten.
Ein negativer Schufa-Eintrag kann gravierende Konsequenzen für Betroffene haben und ihre finanzielle und soziale Teilhabe erheblich beeinträchtigen. Die Schufa Holding AG, Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei, bewertet die Kreditwürdigkeit von Millionen von Menschen. Dabei führen sie Positiv- und Negativdaten, die über die Zahlungsfähigkeit und das generelle Vertragsverhalten einer Person Aufschluss geben.
Wie der Schufa-Score funktioniert
Die Schufa ermittelt einen sogenannten „Score-Wert“, der die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der eine Person ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Je höher der Score, desto besser die Bonität. Dieser Wert beeinflusst maßgeblich die Entscheidung von Vertragspartnern, z.B. Banken bei der Kreditvergabe oder Vermieter bei der Wohnungsvergabe.
Probleme mit dem Schufa-Scoring
Intransparenz: Die Berechnung des Scores ist intransparent, die Schufa veröffentlicht nur allgemeine Informationen, aber nicht die konkreten Gewichtungen und Berechnungsformeln. Betroffene können daher kaum nachvollziehen, wie ihr Score zustande kommt.
Fehleranfälligkeit: Es können Fehler im System auftreten, die zu falschen Einträgen führen.
Diskriminierung: Die automatisierte Bewertung kann diskriminierend wirken, da sie Einzelpersonen aufgrund von Gruppenmerkmalen in Schubladen steckt.
Macht der Schufa: Die Schufa hat eine enorme Macht und kann Menschen durch negative Bewertungen faktisch aus dem Wirtschaftsleben ausschließen.
Der EuGH stärkt die Rechte der Verbraucher
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass die ausschließliche Verwendung des Schufa-Scores zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstößt. Die automatisierte Entscheidungsfindung ohne menschliche Beteiligung ist unzulässig, wenn sie rechtliche Wirkung entfaltet oder die betroffene Person in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.
Schadenersatzanspruch bei unrechtmäßigem Schufa-Eintrag
Gemäß Art. 82 DSGVO haben Betroffene bei unrechtmäßiger Datenverarbeitung durch die Schufa einen Anspruch auf Schadenersatz. Das gilt sowohl für materielle als auch für immaterielle Schäden.
Voraussetzungen für den Schadenersatz
Verstoß gegen die DSGVO: z.B. fehlerhafte oder unberechtigte Einmeldung bei der Schufa
Entstehung eines Schadens: z.B. Kreditverweigerung, Sperrung der Kreditkarte, Rufschädigung, psychischer Stress
Kausalität: Der Schaden muss auf den Datenschutzverstoß zurückzuführen sein.
Schuldhaftes Verhalten: Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Verantwortlichen.
Nachweis des Schadens
Die betroffene Person muss den Schaden und die Kausalität nachweisen. Bei immateriellen Schäden ist die Bezifferung schwierig, aber möglich. Der EuGH betont, dass auch immaterielle Schäden, die keinen direkten wirtschaftlichen Schaden verursacht haben, ersetzt werden können. Entscheidend sind konkrete Auswirkungen für den Betroffenen, die über ein allgemeines Unwohlsein hinausgehen.
Höhe des Schadenersatzes
Die Höhe des Schadenersatzes ist von Fall zu Fall unterschiedlich und orientiert sich an der Schwere der Beeinträchtigung. Gerichte haben in der Vergangenheit Schmerzensgelder zwischen 1.500 und 5.000 Euro zugesprochen. Im Fall einer vorsätzlichen und unbegründeten Einmeldung bei der Schufa kann der Schadenersatz erheblich höher ausfallen.
Tipps für den Umgang mit der Schufa
Regelmäßige Schufa-Auskunft einholen: Jeder hat das Recht, einmal jährlich eine kostenlose Selbstauskunft bei der Schufa anzufordern, um mögliche Fehler frühzeitig zu erkennen.
Vorsicht bei der Preisgabe von Daten im Internet: Personen sollten nur notwendige Daten teilen, um das Risiko unberechtigter Schufa-Einträge zu minimieren.
Sorgfältige Aufbewahrung wichtiger Unterlagen: Rechnungen und Zahlungseingänge sollten aufbewahrt werden, um im Streitfall Nachweise liefern zu können.
Frühzeitige Unterstützung bei finanziellen Problemen: Betroffene sollten rechtzeitig Kontakt zu Schuldnerberatungen aufnehmen, um negative Schufa-Einträge zu vermeiden.
Wehrhaftigkeit gegenüber ungerechtfertigten Forderungen: Gegen unberechtigte Forderungen sollte frühzeitig vorgegangen werden, um einen negativen Eintrag zu verhindern.
Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn nötig: Anwälte oder Verbraucherschutzorganisationen können unterstützen, wenn es um die Löschung falscher Einträge geht.
EuGH-Urteil und seine weitreichenden Folgen
Das Urteil des EuGH (C-634/21) stellt hohe Anforderungen an die automatisierte Verarbeitung und die notwendigen Schutzmaßnahmen für Betroffene. Es macht deutlich, dass die Schufa verpflichtet ist, die Berechnung des Scores für die Betroffenen nachvollziehbar zu machen und mögliche Fehlerquellen offenzulegen. In der Praxis würde dies bedeuten, dass die Schufa Betroffenen detaillierte Auskunft über die verwendeten Daten, die Gewichtung dieser Daten und die Logik der automatisierten Entscheidung geben müsste.
Beispiel Mensch vs. Maschine: Wie Frau M. Wagner ihren Kampf gegen den automatisierten Schufa-Score gewann?
Ein entscheidender Punkt im Urteil ist auch die Forderung nach einer menschlichen Überprüfung. Das bedeutet, dass eine Person bei der Schufa oder einer Partnerorganisation die Möglichkeit haben muss, eine individuelle Entscheidung zu treffen, falls der Betroffene Widerspruch gegen die automatisierte Entscheidung einlegt. Dies soll sicherstellen, dass besondere Umstände oder Fehler, die durch die automatisierte Berechnung nicht erkannt wurden, korrigiert werden können.
Ein weiteres Beispiel ist der Fall von Frau Wagner aus Köln, die versuchte, eine Finanzierung für eine kleine Geschäftserweiterung zu erhalten. Der Kredit wurde jedoch aufgrund eines automatisierten Scores abgelehnt. Frau Wagner legte Widerspruch ein und forderte eine menschliche Überprüfung. Diese wurde ihr jedoch zunächst verwehrt, da die Schufa erklärte, dass der automatisierte Prozess fehlerfrei sei. Erst nach Einschaltung eines Anwalts wurde ihr Fall individuell überprüft und schließlich korrigiert, was zeigt, wie schwierig es für Einzelpersonen sein kann, ihre Rechte durchzusetzen.
Fazit: Ein Spannungsfeld zwischen Datenschutz und berechtigtem Interesse
Die Rechtmäßigkeit des Schufa-Scores bleibt stark umstritten. Der EuGH hat mit seinem Urteil klargestellt, dass die automatisierte Berechnung des Scores strengen Anforderungen unterliegt und die Rechte der Betroffenen stärker in den Fokus rücken müssen. Insbesondere die mangelnde Transparenz der Berechnung und die Frage der ausreichenden Rechtsgrundlage für die Verarbeitung stellen große Herausforderungen dar.
Die Debatte um den Schufa-Score wird voraussichtlich auch in Zukunft rechtliche und gesellschaftliche Diskussionen anstoßen. Es bleibt abzuwarten, wie die Schufa und die deutschen Gerichte auf die Anforderungen des EuGH reagieren werden und ob sich die Rechte der Verbraucher in Bezug auf automatisierte Entscheidungen verbessern. Für die Betroffenen bedeutet dies aktuell, dass sie sich ihrer Rechte bewusst sein und gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten sollten, wenn sie der Ansicht sind, dass der Schufa-Score zu Unrecht gegen sie verwendet wurde.