Niemand hat die Schufa aufgefordert, Daten von Erwachsenen zu sammeln und Schulnoten für Benehmen im Fach “Wirtschaft” zu verteilen – Warum sie es trotzdem tut und wie sich Betroffene gegen das „Sitzenbleiben“ wehren können? – von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt in Berlin.
Ein alltägliches Schufa-Drama
„Mich betrifft das nicht!“, mögen viele urteilen, wenn ein Kollege über die dramatischen Folgen eines negativen Schufa-Eintrags jammert. Doch ein solcher Eintrag kann jeden treffen, selbst wenn man sich nichts zuschulden kommen lässt. Nehmen wir das Beispiel von Holger M., einem erfolgreichen Unternehmer aus München. Er besitzt zwei Mietshäuser in Nürnberg, die er vor Jahren mithilfe der Deutschen Bank AG finanziert hat. Alles lief reibungslos – bis eines Tages ein Brief ins Haus flatterte: Die Bank informierte ihn, dass sein Darlehen auf keinen Fall verlängert würde. Der Grund? Ein negativer Schufa-Eintrag.
Der Ursprung des Problems
Wie kam es dazu? Holger M. hatte immer pünktlich seine Zahlungen geleistet, doch sein 18-jähriger Sohn Moritz brachte unwissentlich das Unglück ins Haus. Eine ehemalige Freundin von ihm hatte sich, während sie bei ihnen wohnte, die Daten von Holgers Personalausweis geschnappt, um einen Handyvertrag abzuschließen. Mahnungen und Gerichtspost verschwanden unerkannt, und ehe Holger M. etwas bemerkte, war der negative Schufa-Eintrag schon da – mit weitreichenden Konsequenzen (zum Postdiebstahl und dem Problem der Zustellung findet sich der Beitrag “Zustellung und Beweis – wenn ein Flügelschlag eines Schmetterlings ein Imperium zum Einsturz bringt”).
Computerprogramme verhindern die Rettung
Der Bankmitarbeiter erklärte, dass er aufgrund der internen Richtlinien und vertraglichen Vereinbarungen das Darlehen nicht verlängern könne. Die Bankenaufsicht verlangt elektronische Systeme zur Überwachung der Kunden. Ein kleiner Fehler, ein Missverständnis, das von der Schufa als „unzuverlässiges Verhalten“ gewertet wurde, hat nun enorme Folgen für das Leben von Holger M., seiner Familie und dem Unternehmen.
Ein System mit Macht und Intransparenz
Die Schufa Holding AG ist ein privates Unternehmen, das sich über die Jahre eine erhebliche Machtposition erarbeitet hat. Ursprünglich als „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ gegründet, handelt die Schufa heute wie ein selbst ernannter Wächter über die finanzielle Moral der Bürger. Dabei gleicht sie einem strengen Lehrer, der seinen Schülern – den Verbrauchern – Noten verteilt, ohne dass diese je eine Chance hatten, den Stoff vorher zu lernen. Wer eine schlechte „Note“ erhält, muss mit harten Konsequenzen rechnen: kein Kredit, kein Mietvertrag, kein Autoleasing, kein Handyvertrag.
Diese Machtstellung der Schufa ist tief im Bewusstsein der Menschen verankert. „Ich muss zahlen, sonst bekomme ich eine negative Schufa“, ist ein Satz, der vielen sofort in den Kopf schießt, wenn sie ihre Finanzen regeln. Doch die Intransparenz, mit der die Schufa arbeitet, sorgt für Unbehagen. Die Verbraucher wissen oft nicht, welche Daten gespeichert werden und wie die sogenannte „Bonitätsbewertung“ zustande kommt.
Warum darf die Schufa das?
Die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit der Schufa und ähnlicher Auskunfteien findet sich in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Laut Artikel 6 Absatz 1 lit. f DSGVO ist die Verarbeitung von Daten rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen (hier der Schufa) oder eines Dritten erforderlich ist, es sei denn, die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen.
Doch genau hier liegt das Problem: Was sind „berechtigte Interessen“? Und wer entscheidet, ob diese die Grundrechte der betroffenen Person überwiegen? Diese unklare Gesetzeslage führt dazu, dass die Schufa oft auf der sicheren Seite ist, während die Betroffenen nur schwer eine Chance haben, sich zu wehren.
Der Kampf gegen das „Sitzenbleiben“: Der Fall Holger M.
Viele Köche verderben den Brei. Eine Herausforderung ist, dass die Schufa häufig wie der Schuldirektor die Hände hebt, wenn sich die Eltern beschweren. “Die Mathenote von Martin kann ich doch gar nicht überprüfen, diese Note stammt doch von Herrn Dr. Meyer als Lehrer” Die einzelnen Meldungen über finanzielles Fehlverhalten stammen häufig von Dritten wie Banken oder Mobilfunkfirmen.
Holger M. wollte sich nicht damit abfinden, dass ein simpler Identitätsdiebstahl ihm das Leben so schwer macht. Er entschied sich, rechtliche Schritte gegen die Schufa und den negativen Eintrag einzuleiten. So ein Fall wurde letztlich vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg verhandelt (Az.: 13 U 70/23).
Das Urteil fiel zugunsten von Holger M. aus: Die eintragende Bank musste den Eintrag löschen und ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro zahlen. Der Grund? Die Bank hatte zweimal Forderungen gemeldet, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen die DSGVO und sprach Holger M. einen immateriellen Schadenersatz zu. So sieht das im Übrigen auch der Europäische Gerichtshof, der Leitlinien vorgibt. Wer Opfer wird und einen Schaden erleidet, hat Anspruch auf Schadenersatz.
Wie können Betroffene sich schützen?
Der Fall von Holger M. zeigt, dass es Wege gibt, sich gegen ungerechtfertigte Schufa-Einträge zu wehren. Hier einige Tipps, wie Sie sich schützen können:
- Regelmäßige Überprüfung: Aufpassen, Aufpassen und nochmals Aufpassen. Regelmäßig die Schufa-Auskunft checken.
- Korrekte Kommunikation: Bewahren Sie alle relevanten Dokumente gut auf und korrespondieren Sie schriftlich, um im Streitfall Beweise zu haben. Meiden Sie Hotline Anrufe. Im Notfall braucht man vor Gericht Beweise. Da genügt es nicht zu sagen. “Irgendwann habe ich irgendwo mal angerufen und mit irgendjemandem irgendwas besprochen.”
- Den Briefkasten bewachen wie ein Rottweiler seinen Fressnapf. Wohngemeinschafts-Chaos, fehlende Meldeadressen oder unordentliche Briefkästen sind gefährlich.
- Vorsicht bei persönlichen Daten: Passen Sie im Internet auf. Die Bedienung von Maschinen unter Einfluss von Drogen, Alkohol oder in emotionalen Ausnahmesituationen ist bekanntlich gefährlich.
Fazit: Die Schufa und die Macht der Noten
Die Schufa mag ein mächtiges Instrument sein, doch ihre Macht hat Grenzen. Niemand sollte sich ungerechtfertigt „sitzen bleiben“ lassen, nur weil ein Algorithmus oder ein Fehler in den Daten dies so vorsieht. Und auch wenn es manchmal ein steiniger Weg ist – das Ziel, ein gerechtes und transparentes System zu erreichen, ist es wert, verfolgt zu werden. Die rechtlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre zeigen, dass das Rechtssystem stetig verbessert wird.
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