Sittenwidrige Schädigung bei Optionsscheinhandel Bundesgerichthof - Dr Thomas Schulte

Sittenwidrige Schädigung bei Optionsscheinhandel Bundesgerichthof (XI ZR 211/03) stärkt Verbraucherrechte

In einer neuen Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Zivilgericht, folgenden Sachverhalt zu beurteilen:

Eine GmbH hatte mit einer Verbraucherin einen Vertrag über die Vermittlung von Optionsscheinen geschlossen. Näheres zur bisherigen Rechtssprechung  Die Gebühren leitete die GmbH an einen US-amerikanischen Broker weiter und behielt sehr hohe Provisionen und Gebühren ein. Die Optionsscheinsgeschäfte endete allesamt mit Verlusten. Diese Verluste wollte die geschädigte Kapitalanlegerin  jetzt von einem Mitgeschäftsführer der GmbH erhalten. In den bisherigen Instanzen war die geschädigte Kapitalanlegerin nicht erfolgreich. Der Bundesgerichtshof gab der Anlegerin jetzt recht.

Folgende Leitthesen sind zu beachten:

1. Bei Vermittlung von Optionsscheinen gelten die strengen Regeln der Haftung und des Schadenersatz von Kapitalanlagen durch Vermittler mit der Notwendigkeit der vollständigen und sachgerechten Aufklärung des Kapitalgebenden. Näheres hierzu unter anderem:
2. Bei Optionen ist der Hinweis geschuldet: Schon seit 1988 vertritt die höchste deutsche Rechtssprechung die Auffassung, dass bei Optionsscheinsgeschäften dem Anleger zu erklären ist, dass der Gebührenaufschlag die Gewinnerwartung praktisch ausgrenzt (Bundesgerichtshof Wertpapiermitteilungen 1988, Seite 291ff.). Diese euphemistische Formulierung bedeutet: Kein Anleger hat schlussendlich mit Optionsscheinen am Ende Geld verdient. Verdiener sind immer die Anbieter. Ähnlich wie auf Zigarettenschachteln muss also ein deutlicher Warnhinweis in einem Prospekt gegeben werden: Optionsscheine sind der Tod des Anlegers
3. Eine Verschleierung führt zur persönlichen Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung über § 826 Bürgerliches Gesetzbuch. Die Vorschrift lautet: „Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet

4. Es ergibt sich eine persönliche Haftung des Geschäftsführers trotz der Vorschrift des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, hier § 13 Abs. 2 GmbHG. Aus dieser Vorschrift ergibt sich in der Regel, dass Gläubigern nicht die Geschäftsführer persönlich haften, sondern nur das Vermögen der GmbH.

Die Haftung von Banken nach § 826 BGB: Beispiele aus der Rechtsprechung

Banken tragen in ihrer Tätigkeit eine hohe Verantwortung. Kommt es zu sittenwidrigem Verhalten, können sie gemäß § 826 BGB haftbar gemacht werden. Die folgende Auswahl von Urteilen zeigt, wie die Rechtsprechung dieses Haftungsrisiko konkretisiert hat.

Fälle sittenwidrigen Verhaltens

1.Falsche Angaben gegenüber Gläubigern (OLG Celle, Az.: 3 U 326/97)

In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Celle machte ein Gläubiger einer Bankkundin Schadensersatz geltend. Die Bank hatte bewusst unrichtige oder unvollständige Informationen über die Kontosituation der Kundin bereitgestellt, um die Vollstreckung durch den Gläubiger zu verhindern. Das Gericht entschied, dass dieses Verhalten sittenwidrig war. Die Bank wurde gemäß § 826 BGB haftbar gemacht, da sie vorsätzlich gehandelt und dem Gläubiger geschadet hatte.

2.Missbrauch von Vollstreckungstiteln (BGH, Az.: VI ZR 165/87)

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Nutzung eines materiell unrichtigen Vollstreckungstitels sittenwidrig sein kann. Dies gilt insbesondere, wenn die Vollstreckung gezielt eingesetzt wird, um den Schuldner zu schädigen. Auch wenn dieser Fall nicht direkt Banken betraf, zeigt er die hohe Bedeutung von § 826 BGB bei der Durchsetzung von Ansprüchen.

3.Täuschung bei Finanzprodukten (Beispielhafte Fälle)

In mehreren Konstellationen wurden Banken wegen bewusster Täuschung bei der Vermittlung von Finanzprodukten haftbar gemacht. Etwa wenn riskante Produkte gezielt als sichere Anlagen verkauft wurden und Kunden durch die Fehlberatung erhebliche finanzielle Verluste erlitten. Solche Handlungen können als sittenwidrig bewertet werden, wenn die Bank vorsätzlich handelte und die Schädigung der Kunden billigend in Kauf nahm.

4.Manipulation von Marktpreisen (BGH, Az.: VI ZR 676/20)

Eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellte klar, dass auch Marktmanipulationen eine Haftung gemäß § 826 BGB begründen können. So wurde eine Bank haftbar gemacht, die wissentlich falsche Informationen verbreitet hatte, um Kunden zur Investition in wertlose Finanzprodukte zu bewegen. Diese Vorsatztat wurde als sittenwidrig eingestuft, da sie gezielt auf die Schädigung der Kunden abzielte.

Bedeutung für die Praxis

Die Beispiele verdeutlichen, dass § 826 BGB eine wichtige Rolle im Schutz von Kunden und Geschäftspartnern vor sittenwidrigem Verhalten spielt. Banken müssen sicherstellen, dass ihre Informations- und Beratungspflichten stets korrekt erfüllt werden. Bereits ein vorsätzliches Verschweigen wesentlicher Informationen kann zu erheblichen Haftungsrisiken führen.

Fazit

Die Haftung nach § 826 BGB dient nicht nur dem Schutz vor individuellen Schäden, sondern stellt auch sicher, dass Banken ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen. Kunden sollten im Falle von Fehlverhalten der Bank ihre Rechte prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Beistand suchen.

Die Bedeutung von § 826 BGB im deutschen Rechtssystem

Die Vorschrift des § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine zentrale Regelung des deutschen Zivilrechts. Sie dient dem Schutz vor sittenwidrigen Handlungen und verpflichtet Personen, Dritten keinen Schaden zuzufügen, wenn die Handlung vorsätzlich und gegen die guten Sitten verstößt. Dieser Paragraph verbindet rechtliche Prinzipien mit ethischen Grundsätzen und ist ein Beispiel für die soziale Verantwortung im deutschen Recht.

Wortlaut und Bedeutung von § 826 BGB

Der Text des § 826 BGB lautet:

“Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.”

Die Vorschrift umfasst drei wesentliche Aspekte:

  1. Vorsatz: Der Schädiger muss bewusst und absichtlich handeln. Fahrlässigkeit reicht nicht aus.
  2. Sittenwidrigkeit: Die Handlung muss objektiv gegen die guten Sitten verstoßen, also gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.
  3. Schaden: Der Schaden muss direkt aus der sittenwidrigen Handlung resultieren.

Anwendungsbereiche von § 826 BGB

Die Regelung hat eine breite Anwendung im Zivilrecht und wird in verschiedenen Kontexten genutzt:

  • Wirtschaftskriminalität: Beispielsweise bei betrügerischen Handlungen, die Unternehmen oder Verbraucher schädigen.
  • Persönlichkeitsrecht: Fälle, in denen die Persönlichkeitsrechte eines Einzelnen durch sittenwidriges Verhalten verletzt werden, wie bei Rufschädigung oder gezielter Täuschung.
  • Vertragsrecht: Situationen, in denen bewusst sittenwidriges Verhalten im Rahmen von Vertragsverhandlungen vorliegt, etwa bei der bewussten Täuschung eines Vertragspartners.

Abgrenzung zu anderen Haftungsvorschriften

  • § 826 BGB unterscheidet sich von anderen zivilrechtlichen Vorschriften durch seine strengen Voraussetzungen:
  • § 823 BGB: Bei dieser Norm reicht fahrlässiges Verhalten aus, während § 826 Vorsatz erfordert.
  • § 812 BGB: Dieser Paragraph behandelt unrechtmäßige Vermögensvorteile, ohne den Aspekt der Sittenwidrigkeit zu berücksichtigen.

Praktische Bedeutung und Rechtsprechung

Die Gerichte wenden § 826 BGB vor allem in Fällen an, die durch andere Normen nicht ausreichend erfasst werden. Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • Schadenersatz bei Manipulationen: In Wirtschaftsskandalen, etwa bei gefälschten Finanzberichten, wird häufig auf § 826 BGB zurückgegriffen.
  • Immobilienbetrug: Käufer, die durch Täuschung in ruinöse finanzielle Situationen gebracht wurden, können auf Grundlage dieser Norm Schadenersatz fordern.

Kritik und Herausforderungen

Trotz seiner Bedeutung wird § 826 BGB auch kritisch betrachtet:

  • Unbestimmtheit der Sittenwidrigkeit: Die Interpretation des Begriffs “gute Sitten” kann subjektiv sein und zu Rechtsunsicherheit führen.
  • Nachweis des Vorsatzes: Die hohen Anforderungen an den Vorsatz machen es in der Praxis oft schwer, die Voraussetzungen dieser Norm nachzuweisen.

§ 826 BGB ist ein essenzieller Bestandteil des deutschen Zivilrechts. Er stellt sicher, dass sittenwidriges Verhalten sanktioniert wird, und verbindet rechtliche Prinzipien mit moralischen Werten. Die Norm bietet Unternehmen, Verbrauchern und Bürgern Schutz vor schwerwiegenden Rechtsverletzungen und spiegelt die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des deutschen Rechtssystems wider.

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Dr. Thomas Schulte

Rechtsanwalt – Experte im Zivilrecht

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Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 408 vom 4. Januar 2005 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich