Das Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 5. November 2021, Az.: 10 U 6/20 veröffentlicht eine Pressemitteilung zu einem Stalker, der die Nachbarschaft massiv ärgerte und quälte. In diesem Fall sogar über das „sozialadäquate“ Maß hinaus – zum Schadenersatz wegen Umzugskosten.
Nach einem Beil-Attentat war es den Nachbarn zu viel geworden, diese zogen aus, nahmen sich eine Wohnung und kauften später ein neues Haus. Alle diesbezüglichen Kosten wollten die Opfer im Rahmen des Schadensersatzes vom Stalker erstattet haben. Das Oberlandesgericht Karlsruhe muss entscheiden. Dabei stütze sich das Oberlandesgericht auf das Zusammenspiel von Strafrecht – Nachstellungen und Bedrohungen – und dem allgemeinen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von Schutzgesetzen.
Strafbar durch Nachstellung und Bedrohung
So hält das Oberlandesgericht Karlsruhe in seiner Urteilsbegründung fest, „dass sich der Nachbar durch sein Verhalten wegen Nachstellung (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch) und wegen Bedrohung (§ 241 Strafgesetzbuch) strafbar gemacht und damit zugleich Schutzgesetze zugunsten des betroffenen Ehepaares verletzt hat. Aus dieser Schutzgesetzverletzung resultiert zivilrechtlich ein Schadensersatzanspruch des Ehepaares (§ 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Anspruch reicht aber nur soweit, wie die geltend gemachten Schäden auch vom Schutzzweck der Strafnormen erfasst sind. Einen solchen „Schutzzweckzusammenhang“ hat der Senat für diejenigen Kosten, die zur Wiederherstellung des persönlichen Sicherheitsgefühls aufgewandt werden mussten, gesehen.“
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den Beklagten daher zur Erstattung der Umzugskosten sowie der Nebenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Eigenheimes und damit zur Zahlung eines Betrags von über 44.000 Euro verurteilt. Die Wertminderung an dem verlassenen Familienheim und die im Zusammenhang mit dessen Veräußerung angefallene Maklerprovision hat der Senat demgegenüber als bloße Vermögensfolgeschäden bewertet, die außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Strafnormen liegen. Insoweit hatte die Klage daher auch weiterhin keinen Erfolg. Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung können beide Parteien Beschwerde zum Bundesgerichtshof erheben.
Ansprüche auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB
In § 823 BGB heißt es:
„(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.“
Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB ist daher der Verstoß gegen ein Schutzgesetz, also jede formelle und materielle Norm, welche Rechtsgüter gegen ein bestimmtes Verhalten schützen soll. Schutzgesetze können somit auch Normen aus dem Strafgesetzbuch (StGB) sein. Wichtig ist zur Zurechnung jedoch, dass das Schutzgesetz die Allgemeinheit auch insbesondere vor der konkreten Rechtsgutsverletzung schützen bzw. diese verhindern soll (sog. Schutzzweckzusammenhang).
Diese klarstellende Entscheidung gibt somit allen Hoffnung, die sich von Stalkern bedroht sehen und daher Aufwendungen haben, welche im Rahmen des Schadensersatzes beim Stalker geltend gemacht werden sollen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 5. November 2021, Az.: 10 U 6/20
Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Urteil vom 20. März 2020, Az.: 1 O 105/18