Das sog. „Dortmunder Modell“ als Falschberatungs-Konzept
Selbst wenn überhöhte Kaufpreisangaben nicht nachgewiesen werden können, haben getäuschte Anleger nach Ansicht einiger Gerichte ernsthafte Chancen aus dem „Steuersparmodell Eigentumswohnung“ auszusteigen.
Bislang waren Opfer von betrügerischen Immobilienanlagen meist doppelte Verlierer des Systems. Es war oft schon schwer genug den Banken und Vertriebsgesellschaften ein rechtlich relevantes Fehlverhalten nachzuweisen. Selbst wenn es gelang konnten meist nur die Vertriebsgesellschaften in Anspruch genommen werden. Bis schließlich ein rechtskräftiges Urteil vor den überarbeiteten Gerichten erfochten wurde, gerieten viele Vertriebe in die Insolvenz. Der Rechtsschutz der Anleger lief ins Leere. Das an sich vernünftige Konzept der Immobilienanlage wurde für die Betroffenen zur Geldverbrennungsmaschine.
Das „Dortmunder Modell“ als Muster
Mit dem „Dortmunder Modell“ rechnen Vertriebsgesellschaften im Auftrag von Bauträgern, den sogenannten „Initiatoren“ im Zusammenspiel mit Banken und Bausparkassen Kosten und Finanzierungslaufzeiten schön. Als Vermittler trat dabei immer sehr eloquente Mitarbeiter von Vertriebsgesellschaft auf. Diese vermittelte den Immobilienerwerb und den Kredit bei der Bank. Das Konzept sah vor, dass nur 92 % des aufgenommenen Kredits ausgezahlt wurden. Der nicht ausgezahlte Betrag, das Disagio, dient zum Generieren eines niedrigen Zinssatzes. Um den Kredit zu finanzieren wird der Kreditnehmer beispielsweise verpflichtet, zwei nacheinander geschaltete Bausparverträge bei einer Bausparkasse abzuschließen. Der Kunde wird mit dem Argument geködert, er würde auf diese Weise seine Steuervorteile ganz ausschöpfen. Tilgung und Zinsen wurden oft auf den Renteneintritt des Kunden abgestimmt, damit die letzte Rate noch vor Erreichen des Rentenalters geleistet werden würde. Gerade diese Rechnung geht jedoch meist nicht auf. Denn die Berechnungen vor allem des zweiten Bausparvertrages lässt das Disagio außer Acht. So kommt es, dass die Immobilie noch zusätzlich für mehrere Jahre finanziert werden muss. Ausgerechnet dieser Aspekt machte die Vermittlung für die Vertriebe und kreditgebende Bank attraktiv. Denn die sich daraus ergebenden, zunächst unsichtbaren, Zusatzkosten für den Kunden stellen spiegelbildlich eine zusätzliche Erhöhung der Margen und Innenprovisionen der Vertriebe dar. Die verlängerte Laufzeit wird häufig nicht zum Gegenstand der Verkaufs-und Vermittlungsgespräche. Der Kunde kann nicht einsehen, dass bei den vorgelegten Beispielsrechnungen nur die ausgezahlten Kredite, nicht aber die tatsächlich aufgenommenen Kredite bedient wurden. Die Zusatzkosten können meist auch nicht durch einen Notverkauf der Immobilie gedeckt werden, da es sich auch hier oft um problematische, da weit über Wert gehandelte, Immobilien handelt.
Gerichte sehen die Banken in der Pflicht
Diese systemimmanente, nur scheinbar außerplanmäßige Verlängerung der Laufzeit beschäftige in den letzten Jahren die Gerichte. Mit Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle (Az.: 16 U 127/04 vom 07. Dezember 2004) und nun mit Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 15. Mai 2008 (Az.: V ZR 179/07) entschieden die Gerichte nunmehr zugunsten der Anleger. Die Richter gingen hierbei vor allem von folgender Annahme aus:
Nur wer weiß, wie viel die Immobilie tatsächlich kosten wird, kann auch darüber das „Ob“ des Erwerbs entscheiden.
Den Wissensvorsprung über die tatsächlich entstehenden Kosten hat aber regelmäßig vor allem die finanzierende Bank. Schließlich verdient sie durch die Kreditvergabe ihr Geld. Sie trägt daher eine erhöhte Aufklärungspflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB und dem jeweiligen Kreditvertrag gegen den Kreditnehmer. Unterlässt es die Bank über die tatsächlich anfallenden Kosten d.h.. tatsächliche Laufzeit zu informieren, so steht dem Kunden ein Rückabwicklungs- und Schadenersatzanspruch nach § 280 ff. BGB zu. Der Käufer ist dann so zu stellen, als hätte er das Geschäft, wenn er von den Risiken gewusst hätte, niemals abgeschlossen.
Endlich kann gegen die Banken direkt vorgegangen werden.
Diese Entscheidung ist vor allem deswegen von Bedeutung, da Anleger nun nicht die Sittenwidrigkeit des Geschäfts nachweisen müssen, um eine Rückabwicklung gerichtlich durchzusetzen. Die Erbringung eines solchen Nachweises war und ist in vielen Fällen sehr schwierig. Zur Annahme der Sittenwidrigkeit ist es nach wie vor erforderlich zu belegen, dass der Kaufpreis der Immobilie ihren tatsächlichen Wert um 100 % übersteigt. Oft greift hier aber das Argument der Banken, wonach stets nur eine Prognose über den Wert abgegeben würde und der Käufer auch gerade mit einer Veränderung des Wertes rechne. Wenn sich die erwartete Richtung der Entwicklung nicht einstelle, so könne dies nicht einseitig auf die Banken abgewälzt werden. Schließlich sei dem Käufer das Risiko bekannt. Die Entscheidungen der Gerichte haben aber noch einen weiteren Entscheidenden Vorteil. Sie ermöglichen es den geschädigten Anlegern direkt gegen die Banken vorzugehen, obwohl die Falschberatung von den Vertrieben vorgenommen wurde. Nach Ansicht der Spezialisten für diese Art der von Kapitalanlagen, der Kanzlei Dr. Thomas Schulte, stehen die Chancen für einen erfolgreichen Prozessverlauf gut bis sehr gut. Sie sehen die Falschberatung beim „Dortmunder Modell“ als systemimmanent. Schließlich ließ sich eine erfolgreiche Vermittlung gerade nicht allein durch das Schönrechnen der Immobilie selbst, sondern vor allem durch Schönrechnen der Laufzeit der Finanzierung erzielen.
Dr. Thomas Schulte, Sarkis Bisanz (sab) Berlin, den 19.11.2008