von Dr. Axel Görlich, Zahnarzt in Berlin
Mit Urteil vom 20. Februar 2018 – Aktenzeichen VI ZR 30/17 hat der Bundesgerichthof entschieden, es ist unzulässig als Arztvergleichsportal unbeschränkt Daten von Ärzten auf zunehmen. Informationen aus dem Internet sind für Ärzte extrem wichtig, weil Patienten und Ratsuchende Entscheidungen zur Arztwahl und Behandlung durch Suchergebnisse im Internet beeinflussen lassen. So haben Untersuchungen der Universität Hannover ergeben, dass ein Großteil Befragten Informationen aus dem Internet zur Kenntnis nimmt. Diese Informationen sind nicht objektiv, sondern werden von geschäftlichen Interessen beeinflusst. Weltweit bieten Arztbewertungs- und Empfehlungsportale folgendes Geschäftsmodell an: alle aus öffentlichen Registern greifbaren Ärzte einer Region und einer Fachrichtung werden kostenfrei genannt wie in einem öffentlichen Telefonbuch. Zahlende Ärzte, die Dienstleistungsverträge mit diesen Portalen abschließen, werden bevorzugt und viel deutlicher mit detaillierten Daten genannt. Diese Praxis war rechtlich umstritten, weil damit die Ärzte benachteiligt werden, die sich weigern von ihren Behandlungs-Honoraren Internetportale zu bezahlen.
Der Berliner Rechtsanwalt und Fachautor Dr. Thomas Schulte kennt die Fälle aus der Praxis. Dr. Schulte: „Solche Geschäftsmodelle verzerren den Wettbewerb. Bezahlte Bevorzugung im Internet ist eine unlautere Verdrängung von ärztlichen Kollegen nach den einschlägigen Berufsordnungen“. Im Rahmen der Selbstorganisation der Ärzte als freie Berufe haben die Berufsordnungen der Mediziner viele mögliche Maßnahmen verboten, die als unwürdig gelten (krasse Werbung, Versprechen, Provisionen für die Zuführung von Patienten). Der Gesetzgeber hat das Strafgesetzbuch verschärft und durch § 299a Strafgesetzbuch Strafen angedroht für Bestechung im Gesundheitswesen. Die jetzt geklärte Rechtsfrage hat eine Medizinerin selber bis zum Bundesgerichtshof durchgefochten.
Aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs – Ärztin verlangt Löschung des Kostenfrei-Profils
Der Internetdienstleister betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal, auf dem Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abrufbar sind. Als eigene Informationen der Beklagten werden die sogenannten „Basisdaten“ eines Arztes angeboten. Zu ihnen gehören – soweit der Beklagten bekannt – akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas und von Freitextkommentaren, abgegeben haben. Die Beklagte bietet den Ärzten den kostenpflichtigen Abschluss von Verträgen an, bei denen ihr Profil – anders als das Basisprofil der nichtzahlenden Ärzte – mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen wird. Daneben werden beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes als „Anzeige“ gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet. Demgegenüber blendet die Beklagte bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein „Premium-Paket“ gebucht haben, keine Konkurrenten auf deren Profil ein.
Die Klägerin verlangte die Löschung ihres Profils.
Im Portal der Beklagten wird sie als Nichtzahlerin gegen ihren Willen ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal der Beklagten erscheinen unter der Rubrik „Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung“ weitere (zahlende) Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin.
Der Bundesgerichthof entscheidet: Das Portal hat das Profil der Medizinerin zu löschen.
Der Bundesgerichthof hat mit Erwägungen des Datenschutzes der Klage der Ärztin stattgegeben. Zwar hatte das Gericht mit Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13 (BGHZ 202, 242) für Jameda.de im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit eine Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist. Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom damaligen in einem entscheidenden Punkt. Mit der vorbeschriebenen, mit dem Bewertungsportal verbundenen Praxis verlässt die Beklagte ihre Stellung als „neutraler“ Informationsmittler. Während sie bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die „Basisdaten“ nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens „Anzeige“ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt sie auf dem Profil ihres „Premium“-Kunden – ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen – solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu. Nimmt sich die Beklagte in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in ihrer Rolle als „neutraler“ Informationsmittler zurück, hat sie die Möglichkeit ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) mit geringerem Gewicht geltend zu machen. Das führt hier zu einem Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin, wodurch ihr ein „schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung“ ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte Berlin stellt fest: „Bewertungsportale für Lehrer oder Ärzte sind zulässig. Wenn der Nutzer sieht, dass durch Zahlung z.B. manche Ärzte ihre Position aufwerten. Der Bundesgerichthof verpflichtet die Portale durch das Grundsatzurteil zur Neutralität.“