Wer haftet im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht? – Alltägliche Situationen können einen erheblichen rechtlichen Hintergrund haben. Was passiert und welche Rechte hat man, wenn man einen Unfall im Supermarkt erleidet? Dies kommt häufiger vor, als man denkt, bloß welche Rechte hat man als Verbraucher?
Jeder Jurastudent kennt den sog. „Gemüseblattfall“ (BGHZ 66, 51). Am 2. November 1963 rutschte ein kleines Mädchen in Begleitung ihrer Mutter in einem Selbstbedienungsladen auf einem Gemüseblatt aus und zog sich einen schmerzhaften Gelenkbluterguss am rechten Knie zu, der eine längere ärztliche Behandlung erforderlich machte.
Obwohl schon über 50 Jahre vergangen sind, hat die dahinterliegende Situation keinesfalls an Aktualität verloren. Im Gegenteil. Im Alltag sind wir alle einem undurchsichtigen Geflecht von Rechtsbeziehungen ausgesetzt, welches meist, ohne dass wir es bemerken, um uns herum entsteht. Solange nichts passiert, machen sich viele Leute darüber keine Gedanken. Akut wird es erst, wenn der Einzelne aus seiner vermeintlichen Sicherheit herausgerissen wird.
Unfall im Supermarkt – Schuldfrage: Die Traube ist schuld?
Die 38-jährige Frau K. betritt im November 2014 einen Berliner Supermarkt, um den Wocheneinkauf für sich und ihre Familie zu tätigen. Doch bereits in der Gemüseabteilung findet der Einkauf ein jähes Ende: Frau K. rutscht auf einer auf dem Boden liegenden Weintraube aus und verdreht sich dabei das Bein. Starke Schmerzen im Oberschenkelbereich sind die Folge. Eine hilfsbereite Angestellte des Supermarkts eilt zu Hilfe. Kurz darauf erscheint die Filialleiterin. Diese weist sämtliche Schuld von sich. In der Obst- und Gemüseabteilung werde regelmäßig kontrolliert, dort sei es immer sauber. Vielleicht sei es ja so, dass Frau K. selbst habe Weintrauben kaufen wollen und bedauerlicherweise eine Weintraube zu Boden gefallen sei? Die Fronten im Supermarkt verhärten sich, das Mitleid des Supermarkts hält sich in engen Grenzen. Unverrichteter Dinge verlässt Frau K. humpelnd den Supermarkt, es wird schon nicht so schlimm sein, denkt Frau K.
Im Laufe der Nacht werden die Schmerzen von Frau K. schlimmer, am nächsten Tag bescheinigt ein Arzt eine schwere Prellung, die ärztlich behandelt werden muss.
Wie ist die Rechtslage?
Hat Frau K. selbst schuld, weil sie nicht aufgepasst hat? Muss der Supermarkt sich an den Kosten der Heilbehandlung beteiligen? Hat Frau K. Anspruch auf Schmerzensgeld? Hat es einen Einfluss, dass Frau K. gar nichts gekauft hat und gar keine Vertragsbeziehung zwischen dem Supermarkt und Frau K. besteht?
Fragen über Fragen.
1. Hat Frau K. selbst Schuld?
Es gilt die sog. „Verkehrssicherungspflicht“. Der Supermarkt ist verpflichtet, sämtliche ihm organisatorisch zumutbare Sorgfalt walten zu lassen, dass Sauberkeit herrscht und dadurch Unfälle von Kunden vermieden werden. Dies müsste er vor Gericht auch beweisen. Eine sekundengenaue Überwachung sämtlicher möglicher Lebensumstände ist jedoch nicht zumutbar. Wenn beispielsweise ein Kunde nur kurz zuvor die Weintraube hätte fallenlassen, wäre der Supermarkt u. U. nicht haftbar.
2. Wer muss die Kosten der Heilbehandlung von Frau K. bezahlen?
Wenn der Supermarkt die Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, ist er Frau K. zum Ersatz des erlittenen Schadens verpflichtet. Etwaige Heilbehandlungskosten, die Frau K. aufwenden musste, müssten vom Supermarkt ersetzt werden. Dies können auch Folgekosten, wie bspw. die Kosten einer Reinigung sein.
3. Kann Frau K. Schmerzensgeld verlangen?
Grundsätzlich ja. Die Frage, wie ein Schmerzensgeld zu beziffern ist, ist allerdings kompliziert. Es handelt sich hier um einen sog. „immateriellen Schaden“. Dass Frau K. Schmerzen hatte, steht außer Frage. Diese sind allerdings rechtlich nicht „messbar“. In der Rechtsprechung haben sich jedoch Tabellen mit Vergleichszahlen herausgebildet, um bei vergleichbaren Verletzungen die Höhe von Schmerzensgeld bestimmen zu können.
4. Hat es einen Einfluss, dass Frau K. gar nichts gekauft hat und deshalb keine Vertragsbeziehung mit dem Supermarkt hatte?
Frau K. hatte zwar nichts gekauft, dazu kam sie nicht mehr. Frau K. hat sich aber mit dem festen Willen, etwas zu kaufen, in die Räumlichkeiten des Supermarkts begeben. Diesen Vorfall nennt man juristisch „Verschulden bei Vertragsverhandlungen“ (= lat. culpa in contrahendo). Es gilt der Grundsatz, dass auch kurz vor Abschluss eines Vertrages befindliche Parteien aufeinander achtgeben müssen.
Im konkreten Fall von Frau K. ist der Supermarkt also verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, den Frau K. erlitten hat. Glücklicherweise ging die Angelegenheit für Frau K. noch glimpflich aus: Folgenlos verschwanden die Schmerzen bei Frau K. nach ein paar Tagen. Die Geschäftsführung des Supermarkts entschuldigte sich bei Frau K. schriftlich in aller Form und überreichte einen Präsentkorb. Frau K. verzichtete dann auf eine weitere Eskalation der Angelegenheit.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Dr. Thomas Schulte und Team von der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team meint dazu: „Auch die vermeintlich kleinen Fälle des alltäglichen Lebens können sich individuell zu einer erheblichen Belastung für den Einzelnen entwickeln. Viele Menschen kennen ihre Rechte nicht und verzichten unnötig auf die Verfolgung von Ansprüchen.“
„Ob jedoch eine Verfolgung von Ansprüchen in jedem Fall wirtschaftlich sinnvoll ist, sollte im Einzelfall genau untersucht werden. Manchmal können außergerichtliche Verhandlungen wie im Fall von Frau K. mehr bewirken als ein langes, psychisch belastendes Gerichtsverfahren“, sagt Rechtsanwalt Dr. Schulte.
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