Bleiben die Modalitäten des Rücktritts vom Vertrag unklar, verlängert sich die Widerrufsfrist.
Die deutsche Hausfrau weiß es seit Jahrzehnten: Bei Vertreterbesuch und Haustürgeschäften ist Vorsicht geboten. So hat sich der Leitsatz: „Wir kaufen nichts an der Tür“, tief in die Köpfe der Verbraucher eingebrannt. Denn nicht immer hält der schnelle Deal zwischen Tür und Angel das, was er im ersten Moment verspricht. Oft wird der Kunde von argumentationsstarken Verkäufern bei Kaffee und Kuchen übertölpelt. Deshalb ist besonders der Widerruf ein wichtiges Verbraucherrecht, um von einem voreilig abgeschlossenen Geschäft zurückzutreten. Dies hat jetzt auch der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt. Nach dem Urteil aus Karlsruhe muss der zu Hause aufgesuchte Kunde nicht nur über seine Pflichten, sondern auch über seine (Rücktritts-) Rechte informiert werden. Eine Widerrufsbelehrung ohne konkrete Erläuterungen ist unwirksam, wie der BGH in einem am Freitag veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof VII ZR 122/06) feststellte. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch steht dem Verbraucher das Recht zu, seine Erklärung zum Vertragsabschluss binnen zwei Wochen zu widerrufen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher eine Belehrung über das Widerrufsrecht erhält. Der BGH unterstrich jetzt, dass ohne eine ausreichende Widerrufsbelehrung der Lauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist gar nicht erst beginnt. Denn der Verbraucherschutz verlange eine möglichst „umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutige Belehrung“. Die Rechte des Verbrauchers bestünden unter anderem darin, dass nach dem Widerruf das gesetzliche Rücktrittsrecht anwendbar sei. Dazu gehöre auch das Recht des Verbrauchers, von einem Unternehmer die bereits geleisteten Zahlungen und auch Zinsen zurück zu verlangen.
Im zu Grunde liegenden Fall aus dem Raum Mannheim verhandelten die Karlsruher Richter über einen Streit nach einem Vertreterbesuch. Der Handelsvertreter eines Unternehmers hatte den Kunden in dessen Wohnung aufgesucht und ihm Fassadenarbeiten zu einem Festpreis angeboten. Der Kunde unterschrieb spontan das Angebot, widerrief es dann aber mehr als zwei Wochen danach, weil er nach sorgfältiger Überlegung nicht mehr willens war, die Arbeiten vornehmen zu lassen. Daraufhin verlangte der Unternehmer eine pauschale Entschädigung. Der anschließenden Klage folgte der BGH nicht, da die Widerrufsbelehrung nicht über die wesentlichen Rechte des Verbrauchers informiert und damit den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprochen habe, betonte der 7. Zivilsenat. Deshalb habe auch die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist nicht zu laufen begonnen und der Widerruf sei auch nach Ablauf von zwei Wochen rechtens. Widerrufsbelehrungen, die den Kunden lediglich über dessen Pflichten im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen wesentliche Rechte informieren, genügen also nicht den Anforderungen des Gesetzes. Zwar ließ der BGH offen, ob die Frist von zwei Wochen schon dann beginnt, wenn das bindende Angebot abgegeben worden ist, oder erst dann, wenn der Vertrag durch Annahme des Angebots seitens des Unternehmers geschlossen worden ist. Darauf kam es jedoch nicht an, weil eine Frist durch die unzureichende Belehrung überhaupt nicht beginnen konnte.
Besonders ältere oder allein stehende Menschen, die keine zweite Meinung zum angebotenen Haustürgeschäft zeitnah einholen können, werden von findigen Vertretern bevorzugt beim Vertragsabschluss überrumpelt. Das böse Erwachen erfolgt oft erst in den darauf folgenden Tagen. Gerade für diese Verbraucher hat der BGH mit seiner Entscheidung ein Zeichen zu mehr Verbraucherschutz gesetzt. Eindeutig zu bewerten wird das Urteil aber erst dann sein, wenn die Begründung aus Karlsruhe publiziert worden ist. Bis dahin von einer echten Stärkung des gesetzlichen Musters der Widerrufsbelehrung zu sprechen, ist leider voreilig. Zumindest ist die Verwirrung um die amtliche Muster-Widerrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums wegen widersprüchlicher Urteile einzelner Gerichte durch das jüngste Urteil des BGH nun erst einmal vom Tisch. Weitere Schritte müssen jedoch folgen, um eine verlässliche Handhabung für den Verbraucher zu garantieren. Unsere Kanzlei wird diese für den Verbraucher so wichtige Entwicklung weiter intensiv beobachten und darüber berichten.